Traumhaft, märchenhaft, wie Phoenix aus der Asche. Letzteres ist zwar kein Volksmärchen im hiesigen Sinne, passt aber so schön: In der griechischen Mythologie verbrannte der Vogel Phoenix, um aus der Asche neu zu erstehen. Nur brachte er aus dem vorherigen Leben keine 300 Millionen Budget, 700 Mitstreiter und ein in vier Windkanälen für 16 Monate entwickeltes Fortbewegungsmittel mit.

Brawn GP tat genau das. Offiziell stand beim ersten Saisonrennen des Jahres 2009 ein neuer Rennstall am Start. "Aber eigentlich ist es das Honda-Werksteam", gibt Michael Schumacher zu bedenken. Das wird nicht so bleiben, denn schon jetzt wurden Entlassungen angekündigt und Budgetkürzungen durchgeführt. Aber bis zum Honda-Rückzug Ende 2008 wusste das Team mit den enormen Honda-Ressourcen einiges anzufangen.

Länger, besser und auch ein bisschen spitzfindiger als jedes andere Team bereitete Ross Brawn sich auf das neue Reglement vor. "Es gibt keine Magie in der Formel 1", zerschlägt Martin Whitmarsh das Bild vom Brawn aus der Asche. "Nur harte Arbeit. Sie haben gut gearbeitet."

Kapitel 1: Märchen Downunder

Das Rennen war gerade einmal fünf Runden alt, da schüttelte Jenson Button fassungslos den neuen Brawn-farbenen Helm. "Ich sagte meinem Ingenieur per Funk: Bitte zwick mich bei der nächsten Durchfahrt." Trotz der Testbestzeiten, trotz der Pole Position und trotz aller Daten konnte er nicht glauben, schon so früh im Rennen mit fünf Sekunden Vorsprung allen davon zu fahren.

Brawn war in Downunder nicht zu schlagen., Foto: Sutton
Brawn war in Downunder nicht zu schlagen., Foto: Sutton

"Sie waren wirklich sehr, sehr schnell, stark und konstant", gesteht Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali. "Unter normalen Umständen, ohne Safety Car, wären sie allen davon geflogen." Wie ein Vogel aus der Asche. Selbst Ross Brawn war nach dem Rennen, dem nahezu perfekten Wochenende sprachlos. "Als wir ihn auf dem Podium sahen, hatte er nichts zu sagen", erinnert sich Button. "Der große Bär stand da, sprachlos." Ein bisschen ist es eben doch wie im Märchen: Eine einstmals weise Eule wird zum starken Bären - und über allem wacht eine graue Eminenz.

Kapitel 2: Märchen hinterfragt

Am Speed der Brawn-Autos gab es keine Zweifel, an manchen ihrer Teile schon. "Aber Brawn wäre auch ohne den strittigen Diffusor vorne gewesen, nur nicht so überlegen", glaubt Christian Danner. Vor Fehleinschätzungen ist aber selbst das schnellste Team nicht gefeit.

"Brawn hat auf den ersten zwei Stints sehr schnell auf zwei, drei Runden den Wunschabstand hergestellt und den danach gehalten", analysiert Mario Theissen. Bestätigt wird diese These von Danner: "Sie sind deutlich langsamer gefahren, als sie es hätten können."

Diese Taktik des ehemaligen Schumacher-Superhirns hätte in die Hose gehen können, wie Danner meint und Theissen erklärt: "Robert [Kubica] war fünf Runden vor Schluss zwei Sekunden schneller und in Schlagdistanz. Wir waren uns sicher, dass er beide Autos [Button und Vettel] noch packen würde."

Im Gegensatz zu Button setzte Kubica für die Schlussrunden auf die härtere Reifenmischung. "Am Ende kommt es nicht nur aufs Auto an, sondern auf die Reifen", weiß Theissen. Besonders weil Bridgestone in diesem Jahr Reifenmischungen mit größeren Performanceunterschieden mitbringt. "Das Reifenproblem war riesengroß", sagt Danner. Der abrupte Performanceabfall sei für Brawn vielleicht etwas überraschend gekommen. "Sonst hätten sie vorher etwas mehr Vorsprung herausgefahren", glaubt Theissen.

Kapitel 3: Märchen Reloaded?

Brawn GP war jedoch nicht das einzige Team, das mit den Reifen kämpfte. "Bei Ferrari war das offenbar extrem", wundert sich Theissen. "Wir gingen davon aus, dass die weichen Reifen 15 Runden halten würden." Diese Einschätzung lag schon daneben, "aber bei uns haben sie etwas länger gehalten als bei Ferrari." Massa musste fünf Runden früher zum Reifenwechsel an die Box, Kubica wurde ebenfalls eher, aber nicht ganz so früh reinbeordert.

Wie oft darf Brawn GP noch feiern?, Foto: Sutton
Wie oft darf Brawn GP noch feiern?, Foto: Sutton

Einen Rückschluss auf das anstehende Rennen in Malaysia lasse all das nicht zu, betont Theissen. "Einige Autos standen am Start nicht dort, wo sie von der Pace hingehörten", erklärt er. Außerdem hätten die Safety Car Phasen das Feld durcheinander gewirbelt. "Wer weiß, die Konkurrenz wird schnell nachlegen", gab sich Brawn zurückhaltend. "Träumen darf man aber."

Schon beim nächsten Rennen in Malaysia sieht Button die Konkurrenz besser gerüstet. Neue Teile wird es zwar kaum geben, aber die gänzlich andere Streckencharakteristik könnte das Kräfteverhältnis verschieben. "Ferrari wird schneller sein, weil sie KERS haben." Das werde in Sepang viel helfen. Auch der späte Start und die dadurch höhere Regenwahrscheinlichkeit bergen Ungewissheit. "Rubens und ich sind noch nicht im Regen mit dem neuen Auto gefahren."

Die Zurückhaltung der Konkurrenten nimmt Button nicht Ernst. "Das glaube ich alles nicht", sagt er und erwartet große Schritte bei den anderen Teams. "Vielleicht noch nicht bei den Überseerennen, aber in Barcelona werden alle neue Aerodynamikpakete haben und uns am Hintern kleben." Ein märchenhaftes Kapitel bei insgesamt siebzehn reicht eben nicht zum Titel. Schon so manches (Sommer-)Märchen endete nur auf Platz 3.