1. - S wie Strafen

Die neue Saison steht klar im Schatten von Protesten, Strafen und Berufungen. Bereits am Donnerstag legten drei Teams Protest gegen die Diffusoren von Brawn GP, Toyota und Williams ein - die Rennkommissare wiesen den Protest ab. Die Berufungsverhandlung findet Mitte April statt. Weiter ging es nach dem Qualifying: beide Toyota wurden wegen zu flexibler Heckflügel aus der Wertung genommen. Wenn das Team die Flügel bis zum Sonntag versteigen kann, dürfen Timo Glock und Jarno Trulli vom Ende des Feldes ins Rennen gehen.

Damit nicht genug: Parallel zur Disqualifikation der Toyotas legte Williams Protest gegen aerodynamische Lösungen von Ferrari und Red Bull ein. Das Team zog den Protest, eigenen Angaben zu Folge, "nach weiteren Überlegungen im Sinne des Sports" zurück. Man habe anerkannt, dass es mehrere Interpretationen geben könne. Inoffiziell soll Bernie Ecclestone ein Machtwort gesprochen haben, um den Saisonstart nicht gänzlich der Lächerlichkeit preis zu geben.

Und dann war da noch eine Strafe: Lewis Hamilton verliert nach einem Getriebewechsel wegen eines defekten vierten Ganges fünf Startplätze - er startet damit vor den Toyotas vom letzten "regulären" Platz. Viele Positionen verliert er dadurch nicht. Regulär war er als 15. im zweiten Qualifying gescheitert.

2. - S wie Startauftellung

Die Teams haben die Ersatzflügel schon bereit liegen., Foto: Sutton
Die Teams haben die Ersatzflügel schon bereit liegen., Foto: Sutton

Dabei hätte es die Strafversetzungen und Disqualifikationen gar nicht gebraucht, um eine - im Licht der vergangenen Jahre - ungewöhnliche Startaufstellung zu erhalten. Schon die erste Startreihe ist eine kleine Sensation: Jenson Button und Rubens Barrichello okkupieren eine schneeweiße Brawn GP-Reihe für sich alleine - und das ist wörtlich zu nehmen. "Die Ingenieure haben hochgerechnet, dass die Brawn GP über eine halbe Sekunde schneller sind als alle anderen Teams", rechnete Nick Heidfeld vor. "Das ist eine Welt."

Überraschend stark waren auch Sebastian Vettel auf Position 3, Robert Kubica auf Position 4 und Nico Rosberg auf Position 5. Während sich Rosberg sogar noch darüber ärgerte, dass er nicht noch besser abgeschnitten hat, freute man sich bei BMW Sauber über die gute Leistung Kubicas, der im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Heidfeld ohne KERS unterwegs war. "Er hat eine tolle Leistung geboten. Er ist mit wenig Benzin als auch im Renntrimm vorne mitgefahren", so Mario Theissen. "Das war sehr erfreulich."

Auch Vettel war überrascht, ob des guten Ergebnisses. "Abgesehen davon, dass jeder wusste, dass Brawn ziemlich schnell sein wird, war es eine Überraschung für uns. Denn gerade die letzten eineinhalb Tage waren weniger gut", spielte er auf die technischen Probleme im Training an. "Wir konnten nicht so viele Runden machen, wie wir wollten. Nichtsdestotrotz war es sehr gut für uns."

3. - S wie Start

Der erste Start der neuen Saison ist auch der erste Start der KERS-Ära. Sobald die Fahrer 100 km/h erreichen, dürfen sie KERS zuschalten, um sich einen zusätzlichen Boost zu verschaffen. "Das kann 5-10 Meter ausmachen", meint Theissen. "Wenn die Gerade lang genug ist, könnte das zum Überholen reichen."

Vor der 100 km/h Marke würde es übrigens keinen Sinn machen, selbst wenn es erlaubt wäre. "Vorher wäre es sinnlos, weil man noch Wheelspin hat", erklärt Heidfeld. "Ich bin sehr gespannt, wie sich das beim ersten Start tatsächlich anfühlen wird und hoffe insgesamt, da heil durchzukommen, denn die breiten Frontflügel können im Nahkampf schon problematisch werden."

Das befürchtete auch Timo Glock. "Ich stehe mittendrin im Getümmel in der ersten Ecke - das wird spannend, wer wem den Flügel abfährt." Dieses Problem hat Glock nicht mehr, jedenfalls nicht auf Platz 6. Nach der Disqualifikation geht er bestenfalls von Rang 19 ins Rennen.

4. - S wie Strecke

Der Albert Park ist quasi ein Stadtkurs, eine Mischung aus öffentlichen Straßen und permanenter Rennstrecke. Entsprechend wird das Kräfteverhältnis in Melbourne nicht unbedingt als klarer Gradmesser für den Rest dafür angesehen. "Da sind Malaysia, Bahrain und Barcelona besser", meint Nico Rosberg.

Trotzdem wird das Rennen erste wichtige Richtwerte geben, und zwar für die KERS-Nutzung. "Normalerweise kann man im Qualifying das volle KERS-Potenzial ausnutzen", erklärt Theissen. Nämlich einmal mit einem Boost vor der Startlinie und einmal mit einem Boost danach. "Im Rennen hilft es dem Fahrer beim Überholen im Verkehr. Wenn er dann etwas langsamer in der Kurve ist, wäre das nicht so schlimm, da kann man ja nicht überholt werden."

Ein wichtiger Faktor wird die unterschiedliche Ausstattung mit KERS. "Wenn auf einer freien Runde mit KERS die gleiche Rundenzeit gefahren wird wie ohne, ist das ein Riesenvorteil. Denn dann hat der KERS-Fahrer im Rennen die Überholmöglichkeit."

5. - S wie Setup

In puncto Aerodynamik ist die Strecke vergleichbar mit Silverstone und Sepang. Sie verlangt ein mittleres bis hohes Abtriebslevel. Mit der Einführung der beweglichen Frontflügel können die Fahrer den Anstellwinkel dieses aerodynamischen Hilfsmittels bis zu sechs Grad verstellen. Dies ist pro Runde zweimal erlaubt - einmal, um den neuen Winkel einzustellen; einmal, um in die Ausgangsstellung zurückzukehren. So können die Piloten zwischen zwei Kurven die Fahrzeugbalance verändern oder dank höherem Anpressdruck auf der Vorderachse einem Konkurrenten dichter folgen.

Ferrari steht unter Zugzwang., Foto: Sutton
Ferrari steht unter Zugzwang., Foto: Sutton

Melbourne weist mehrere Schikanen auf, in denen direktes Ansprechen auf Lenkbefehle ausgesprochen wichtig ist. Gefragt ist ein Kompromiss aus einem Setup, das steif genug ist, um in den Schikanen schnelle Richtungswechsel zu erlauben, und weich genug, damit das Auto beim harten Bremsen stabil bleibt, ohne die Räder zu blockieren.

Der Kurs weist sechs wichtige Bremszonen auf, in denen aus rund 300 km/h verzögert wird. Es ist dabei weniger die Intensität der Verzögerungen, sondern eher ihre Häufigkeit, die eine effiziente Bremskühlung unabdingbar machen. In den Bremszonen ist der Straßenbelag oft sehr uneben. Auch dies spricht für eine etwas weichere Abstimmung. Mit einem Vollgasanteil von 66 Prozent zählt Melbourne zu den anspruchsvolleren Kursen für die V8-Triebwerke. Statt hoher Spitzenleistung ist im Sinne der Beschleunigung aus niedrigen Touren ein gutes Drehmoment gefragt. Dies gilt besonders für die Turns 14 bis 16 - drei sehr anspruchsvolle Kurven.

6. - S wie Strategie

Brawn GP auf der Pole? Wenn die Diffusor-Tragödie - glücklicherweise - an jemandem vorbeigegangen ist, dürfte er glauben: Die sind besonders leicht gefahren. Doch seit diesem Jahr veröffentlicht die FIA die Gewichte der Autos und das Ergebnis zeigt: Die beiden Brawn GP Autos waren nicht "leer" unterwegs. Ihre Gewichte deuten eher auf einen ca. 20-Runden-Stint hin. Das leichteste Auto im Feld hat Robert Kubica, der den BMW Sauber unerwartet auf Platz 4 stellte.

Aber nicht nur das Gewicht spielt im Rennen eine Rolle. Insbesondere die weichen Reifen bereiten allen Piloten Kopfzerbrechen. "Es ist Wahnsinn, sie fallen auseinander, so etwas habe ich noch nie erlebt", sagt Nico Rosberg. Die Probleme sollen an der weicheren Mischung, zu erkennen an einem grünen Rand, schon nach drei Runden auftreten können. "Das ist toll für den Sport, weil es unterschiedliche Strategien geben wird", gesteht Rosberg, als Fahrer würde er sich lieber haltbarere Pneus wünschen. Beim Start werden aufgrund der schlechten Kontinuität über die Distanz alle Fahrer auf die harten Reifen setzen. "Sonst wirst du schnell überholt."

Die Gewichte vor dem Rennen

FahrerGewicht
Jenson Button 664,5 kg
Rubens Barrichello 666,5 kg
Sebastian Vettel 657 kg
Robert Kubica 650 kg
Nico Rosberg 657 kg
Felipe Massa 654 kg
Kimi Räikkönen 655,5 kg
Mark Webber 662 kg
Nick Heidfeld 680,7 kg
Fernando Alonso 680,7 kg
Heikki Kovalainen 690,6 kg
Kazuki Nakajima 685,3 kg
Sebastien Buemi 675,5 kg
Nelsinho Piquet 694,1 kg
Giancarlo Fisichella 689 kg
Adrian Sutil 684,5 kg
Sebastien Bourdais 662,5 kg
Lewis Hamilton 655 kg
Jarno Trulli 660 kg
Timo Glock 670 kg

7. - S wie Spannung

"Es wird ein spannendes Rennen!", verspricht Nick Heidfeld. Damit dürfte er nicht zu viel versprechen. Eine ungewöhnliche Startaufstellung, Favoriten, die von ganz hinten oder weiter hinten als gedacht aufholen müssen, neue Regeln, viele Fragezeichen und eine hohe Safety Car Wahrscheinlichkeit: Der Australien GP könnte ein Knaller werden.

"Es ist herrlich!", freut sich Marc Surer über das durcheinander gewirbelte Kräfteverhältnis. Wie viele sieht er Brawn GP als klaren Favoriten - so lange die Autos halten und ins Ziel kommen. Immerhin gilt es zu bedenken, dass Jenson Button und Rubens Barrichello gerade einmal zwei Testwochen mit ihrem Auto absolvieren konnten, mehr nicht.

Ganz abgeschlagen sieht Surer die Etablierten wie Ferrari aber nicht. "Sie werden im Rennen stark sein", sagte er uns. "Man darf sie nicht abschreiben, sie sind besser, als sie in der Startaufstellung aussehen." Richtig gut sah Sebastian Vettel aus, der die deutschen Fahnen zusammen mit Nico Rosberg hochhält. "Vettel war sensationell", so Surer. "Er wird den hohen Erwartungen gerecht."

Zu den vielen Unbekannten durch die neuen Regeln kommt eine ungewohnte Startzeit hinzu: Das Rennen startet nicht wie früher um 14:00 Uhr Ortszeit, sondern um 17:00 Uhr lokaler Zeit (8:00 Uhr MEZ - Achtung: Sommerzeitumstellung!) "Bei diesen Lichtverhältnissen ist es nicht einfach zu sehen, wo der Streckenrand ist", meint Rosberg. "Wenn die Sicht so eingeschränkt ist, ist es auch gefährlicher."