Ralf Schumacher ist ein Jäger, erst vor Kurzem griff er wieder zum Gewehr. In der Titeljagd darf Ralf jedoch nicht zum Angriff blasen. Dieser Spaß bleibt seit Spa realistisch betrachtet nur noch drei seiner Kollegen vorbehalten. Felipe Massa hat mit 20 Punkten Rückstand alle realistischen Chancen verspielt. Drei andere Jäger haben aber noch ihr Ziel im Visier.

"Es wird ein WM-Shootout in Sao Paulo - mit drei Fahrern", glaubt Christian Danner. Der erste Jäger ist Kimi Räikkönen, er hat die schlechteste Ausgangsposition, lässt sich davon aber nicht zurückschrecken. "Wir haben noch nicht aufgegeben und sind noch immer auf der Jagd", sagte er beflügelt von seinem vierten Saisonsieg. Dabei wurd er Jäger in Belgien zum viel zitierten Gejagten. "Ferrari war zu schnell für uns", gestand Fernando Alonso. "Ich habe im ersten Stint versucht Felipes Pace mitzugehen, wollte ihn beim Boxenstopp überholen, aber er verschwand langsam am Horizont. Nach dem Stopp sahen wir sie nie wieder."

Auch für die Experten war Ferrari an diesem Wochenende die Messlatte. "Ferrari war unschlagbar, sie waren unglaublich schnell, sagenhaft", staunte Christian Danner. "Es war ein super Grand Prix im Sinne von Ferrari. McLaren wurde klar geschlagen, sie hatten überhaupt keine Chance", pflichtete Niki Lauda bei. Aber Lauda glaubt nicht mehr an eine erfolgreiche Aufholjagd von Räikkönen. "Ferrari kann die Fahrer-WM nicht mehr gewinnen, McLaren wird wieder zurückschlagen." Für ihn wir die WM zwischen den McLarenfahrern ausgemacht. Momentan sei Alonso der stärkere, das könne sich aber schon bald ändern.

McLaren verwandelte sich in Spa zum Jäger., Foto: Sutton
McLaren verwandelte sich in Spa zum Jäger., Foto: Sutton

Einen Vorgeschmack auf die heißen Duelle der beiden Silberpfeiljäger gab der Start. Erst kollidierten Alonso und Hamilton beinahe in der La Source-Haarnadel, danach wiederholte sich das Spiel in der Eau Rouge. "Wir hatten alle gleich gute Starts, vielleicht war meiner etwas besser als Fernandos", beschrieb Hamilton die Situation. "Ich bremste ziemlich spät und war außen, nah an den Ferrari dran und knapp hinter Felipe. Als ich beschleunigte, kam plötzlich Fernando und drückte mich zur Seite - er wusste, dass ich da war und es gab genug Platz für uns alle."

Alonso betonte hingegen, dass er seinen Teamkollegen höchsten peripher wahrgenommen habe. "In der ersten Kurve blockierte Felipe die Vorderräder und er blockierte die Innenseite, ich hatte keinen Raum und kam schlecht aus Kurve 1 heraus. Lewis muss in Kurve 1 nach draußen gekommen sein und nutzte den Vorteil, dort zu beschleunigen. Wir kamen Seite an Seite in Kurve 2 und ich hatte Glück, auf der Innenseite zu sein und die Position zu verteidigen."

Hamilton empfand das ganz anders. "Er ist jemand, der sich immer beschwert, dass andere Fahrer unfaire Manöver machen, jemand der fair sein will und zu dem ich aufschaue, aber er hat mich so weit wie möglich nach draußen gedrängt - ich hatte das Glück, dass es dort eine Auslaufzone gab." In der Eau Rouge musste er dann zurückstecken, weil es unmöglich sei, dort mit zwei Autos durchzufahren. "Ich würde nicht sagen, dass es fair war, es war hart", klagte Hamilton. Mit dieser Meinung stand er im Fahrerlager aber alleine da. "Fernando hatte mehr Ellenbogen. Die Aktion war ein klassischer Senna, nicht über dem Limit", analysierte Danner. "Hamilton hat nachgegeben, sonst hätte es gekracht."

Ex-Weltmeister Keke Rosberg beurteilte die Situation ähnlich. "Es war noch in Ordnung", sagte er uns. "Es ist klar, dass der innen etwas breit fährt und der außen etwas langsamer machen muss", sagte er zur ersten Beinahekollision. "In Eau Rouge habe ich mir etwas mehr Sorgen gemacht, da war es enger - und es bringt nichts, nebeneinander zu fahren. Da passen keine zwei Autos durch." Deshalb hätte Hamilton aus Rosbergs Sicht sogar schon eher zurückstecken sollen. "Er hatte eh keine Chance, weil Fernando auf der richtigen Seite war." Hamiltons Kritik kann Rosberg nicht nachvollziehen. "Fernando war die ganze Zeit vorne, Zweikampfe gehören zu diesem Sport!" Und zu einer erfolgreichen Jagd.

Die 5 Fragezeichen

Was war mit Räikkönens Qualifyingproblem?
Kimi Räikkönen hatte seine Pole Position erst seit wenigen Minuten eingefahren, da klagte er auf der Pressekonferenz bereits über sein Auto. Es sei zu weich gewesen, habe sich komisch angefühlt. Über Nacht wollte man daran arbeiten, doch das Team fand nichts. "Vielleicht habe ich es mir nur eingebildet", sagte Kimi nach seinem Sieg.

Noch führt Hamilton die WM an., Foto: Sutton
Noch führt Hamilton die WM an., Foto: Sutton

Wieso startete Giancarlo Fisichella aus der Boxengasse?
Ein Motorwechsel nach dem Qualifying brachte Giancarlo Fisichella den letzten Startplatz ein. Da klingt es logisch, dass er eine mögliche Startkollision umgehen und aus der Box starten wollte. Doch das war nicht der Grund für seinen Fahrzeugwechsel. "Ich bin aus der Box gestartet, damit wir das T-Car verwenden konnten." Dieses ist bei Renault für Low-Downforce abgestimmt. Damit wollte Fisichella mehr Positionen gutmachen. "Leider waren seine Bremsen kalt", verriet Pat Symonds. Ein Resultat der langen Standzeit am Boxengassenausgang und der fehlenden Aufwärmrunde. "Als er für Kurve 5 anbremste, kam er von der Strecke ab und brach die linke Vorderradaufhängung."

Warum war Nick Heidfeld unzufrieden?
Platz 5, vier WM-Punkte, bester Verfolger der Top-Teams, eigentlich hätte Nick Heidfeld zufrieden sein müssen. War er auch, aber etwas störte ihn trotzdem. "Die Startperformance an sich war schon schlecht, ich wollte Nico Rosberg am Start schnappen, musste mich aber eher nach hinten verteidigen, einige Autos waren sogar neben mir. Also habe ich probiert, in der ersten Kurve sehr spät zu bremsen, um es wieder wettzumachen - das war aber keine gute Idee." Er bremste zu spät, musste neben die Strecke und verlor zwei Plätzen. "Ich muss fast noch froh sein, dass ich mich da wieder vernünftig einsortieren konnte."

Warum flog Hamilton am Ende fast ab?
"Er versuchte Fernando einzuholen", erklärte Ron Dennis. "Er wollte ihn in einen Fehler treiben, machte aber selbst einen." Selbst wenn er Alonso nicht hätte einholen können, hätte er mit guten Rundenzeiten noch einmal beweisen können, dass er besser ist, ihn schlagen und den Titel gewinnen kann. Psychologische Kriegsführung eben. Etwas ähnliches praktizierte Räikkönen in der Türkei, wo er in der letzten Runde die schnellste Rennrunde drehte. Diesmal hatte er das nicht nötig. "Ich wollte nichts riskieren", verriet er. "Das Auto war sehr gut, aber leider bekommt man keine Punkte für die schnellste Runde. Manchmal macht man es zum Spaß [das war seine Begründung in Istanbul], aber diesmal hatte ich keinen Grund dazu." Schließlich war er schon vor seinem Teamkollegen.

War Räikkönens Donut geplant?
Kimi Räikkönen hatte gerade seinen vierten Saisonsieg geholt, plötzlich qualmte es, er drehte sich und schlitterte an den Streckenposten vorbei verkehrt herum in die Boxenausfahrt. Der letzte Teil war offiziell so geplant. In Spa gehen die Fahrer nicht auf eine Ehrenrunde, stattdessen werden sie aufgrund der Länge der Strecke direkt in die Boxen zurückgeführt. Aber was war mit dem Donut? "Ich habe das Auto verloren", sagte Kimi lachend. "Nein, ich wollte das schon immer mal machen und hier ist es so viel einfacher... Es war auch das zweite Rennen für den Motor, also hat es keine Rolle mehr gespielt, ihm das Leben etwas schwieriger zu machen." Hoffentlich macht ihm Bernie Ecclestone nicht nachträglich noch das Leben schwer, weil er solche Dinge überhaupt nicht gerne sieht. Eine mögliche Geldstrafe dürfte aber weitaus weniger als 100 Millionen Dollar betragen...