Formel 1-Kenner festhalten; wir beginnen gleich mit zwei knallharten Aussagen - von Norbert Haug. "Die Anfangsbuchstaben sind so ziemlich das einzige, was die Stadtkurse in Monaco und Montreal verbindet", sagt der Mercedes-Motorsportchef vor dem sechsten Saisonlauf am kommenden Wochenende. Recht hat er: Der Bremsenmordende Highspeed-Stop-and-Go-Kurs auf der Ile de Notre Dame und der winklige Stadtkurs an der Côte d'Azur könnten kaum unterschiedlicher sein.
McLaren-CEO tritt deshalb trotz des überlegenen Doppelsieges von Monaco auf die Euphoriebremse. "Der MP4-22 war in Monte Carlo unglaublich gut, doch die Streckencharakteristik in Montreal ist eine ganz andere und deshalb reisen wir mit anderen Erwartungen nach Kanada." Das Ziel bleibt natürlich das gleiche: "Wir wollen um den Sieg kämpfen und unsere Spitzenplätze in beiden WM-Wertungen behaupten, doch das wird diesmal nicht so einfach werden." Denn nicht nur Alex Wurz erwartet, dass Ferrari in Montreal wieder ganz vorne dabei sein wird. "Ferrari und McLaren werden vorne sein", so der Österreicher, "und zwar wieder so eng wie vor Monaco."
Dafür spricht auch die zweite angekündigte Weisheit von Norbert Haug. "Der Circuit de Catalunya ist für alle Formel 1–Teams die Prüfstrecke schlechthin. Es gilt die Regel, dass, wer hier aus eigener Kraft gewinnen kann, dazu dann auch auf allen anderen GP-Kursen in der Lage ist." In Barcelona gewannen Ferrari und Felipe Massa. Monaco hingegen ist zwar ein Highlight, aber kein Fingerzeig für den Rest der Saison. Fernando Alonso schiebt die Favoritenrolle deshalb erst einmal in Richtung Maranello ab. "Ferrari gewinnt normalerweise in Indianapolis und deswegen glaube ich, dass sie dort als Favoriten starten - dasselbe gilt für Kanada", sagte er der spanischen Presse. Ihm selbst lagen die beiden Nordamerikarennen in der Vergangenheit nur wenig. Erst im letzten Jahr schaffte er seinen ersten Sieg in Montreal, dafür erwischte er in Indianapolis ein schwarzes Wochenende - dort begann die rote Aufholjagd von Michael Schumacher.
Felipe Massa dreht den Spieß trotzdem um. Er sucht noch immer nach dem Auslöser für die rote Schwächephase von Monaco und sagt: "Wenn man auf die Zeiten von McLaren und Renault schaut und sie mit den Abstand in Barcelona vergleicht, war da kein großer Unterschied", so Massa. "Aber Renault und wir waren in Monte Carlo fast gleich schnell." Oder langsam - im Vergleich zum Silberexpress. Trotzdem ist nicht davon auszugehen, dass Ferrari auch in Montreal so weit hinter der McLaren-Pace sein wird oder gar, dass Renault in den erwarteten Zweikampf an der Spitze eingreifen wird.
Dennoch wollen die Franzosen angreifen. "Wir sind an Red Bull, Toyota und Williams vorbeigezogen und haben uns ein Polster auf sie erarbeitet", freut sich Alan Permane. "Anstatt weiter in den Rückspiegel zu schauen, können wir nun die Leute vor uns angreifen." Durch das Visier sehen sie BMW-Sauber vor sich. "BMW ist unsere nächste Herausforderung und wir sind schon mittendrin", kündigt Pat Symonds an. "Wir sind nur einen Tick hinter ihnen, auch wenn das von Kurs zu Kurs variieren kann", schränkt er ein. Denn noch ist Vorsicht geboten: der Optimismus der Franzosen basiert auf dem guten Eindruck von Monaco - und wir wissen ja, dass dieser täuschen kann...
BMW Sauber nimmt die Kampfansage ernst. "Nach dem guten Resultat in Monaco wollen wir so viele Zähler wie möglich holen, um unsere Position in der WM weiter zu festigen", betonte Mario Theissen, der Kanada optimistisch entgegensehen kann. Schließlich bemerkte er schon in Monaco, dass dem BMW eher Strecken mit "viel Auslauf" für das Auto liegen - also Power-Kurse wie Kanada und nicht Mickey-Maus-Streckchen wie Monaco. Also wird in Montreal wieder alles wie vor Monaco sein? Ferrari und McLaren gleichauf an der Spitze, BMW Sauber dahinter und der Rest wild durcheinander? So als ob Monaco niemals gewesen wäre? "Wir glauben, dass wir ein starkes Paket haben", schließt sich Ferrari-Sportdirektor Stefano Domenicali dieser Annahme an. "Es gibt keinen Grund, warum wir nicht um den Sieg kämpfen sollten. Monaco hat unser Potenzial nicht korrekt wiedergegeben." Ferrari hätte sicher nichts dagegen, wenn Monaco niemals geschehen wäre...
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