Der obligatorische Siegersprung auf das Treppchen blieb aus. Stattdessen kamen Glückwünsche per Telefon. Fünf Monate nachdem Kimi Räikkönen das letzte Überholopfer in Michael Schumachers F1-Karriere wurde, übernahm der Finne standesgemäß die Thronfolge - mit einem Sieg.

Rot ist weiter Trumpf

Vor Saisonbeginn wurde viel darüber diskutiert, ob Räikkönen die hohen Erwartungen erfüllen kann, ob er Michael Schumacher ersetzen und gegen den im Team beliebten Felipe Massa bestehen kann? Bei den Wintertests sah Räikkönen im Vergleich mit Massa ein ums andere Mal schlechter aus. Doch Marc Surer warnte schon vor Melbourne: "Kimi gibt beim Testen nicht alles, am Rennwochenende sieht das anders aus."

In Australien bestätigte er diese Aussage, er fuhr Bestzeit am Samstagmorgen, im Qualifying und im Rennen. Nur am Freitag war Massa schneller, allerdings ist diese Statistik nicht ganz aussagekräftig, da Massa im 3. Training keinen Bestzeitanlauf mehr nahm, im Qualifying mit einem Getriebeproblem ausschied und im Rennen von der Strategie und dem Verkehr beeinträchtigt wurde.

Somit darf man durchaus davon ausgehen, dass Massa mit seiner After-Race-Kampfansage Recht gehabt hätte. "Ich weiß, dass wir unter normalen Umständen auf 1 und 2 hätten sein können. Das hätte dann einen harten Kampf um den Sieg bedeutet." Denn der Ferrari war in Melbourne, wie von vielen Experten und der Konkurrenz vorausgesagt, das klar schnellste Auto.

"Wir sind mit dem Ergebnis des ersten Rennens zufrieden", bilanzierte Jean Todt. "Es ist immer wichtig, gut in eine Meisterschaft zu starten; ganz besonders, weil es für uns der Beginn eines neuen Kapitels ist." Man habe ein starkes Paket, das in Melbourne nur noch nicht zuverlässig gewesen sei, nämlich im Fall von Massa. "Er ist noch Sechster geworden und hat drei wichtige Punkte geholt, aber sie spiegeln nicht unser wahres Potenzial wieder."

Ab sofort springt Kimi auf das Podium., Foto: Sutton
Ab sofort springt Kimi auf das Podium., Foto: Sutton

Dem riesigen Siegpotenzial von Kimi Räikkönen stellten sich im Rennen nur zwei Probleme in den Weg. "Wenn unmittelbar vor dem Rennen der Funk ausfällt, wird alles viel schwieriger", nannte Kimi eines davon. Die zweite Schrecksekunde war ein Verbremser gegen Ende des Rennens. "Das sah aber dramatischer aus, als es war", wiegelte er ab.

"Kimi ist perfekt gefahren. Er hätte hier nicht besser fahren können", lobte selbst Niki Lauda. Allerdings fordert Lauda nun die nötige Disziplin vom Finnen. "Vielleicht ist er im neuen Team so motiviert, dass er heute nur eine schöne Feier mit dem Team macht und morgen gleich wieder daran denkt, wie er und das Team besser werden können - zumindest würde ich das empfehlen." Man dürfe in der Formel 1 eben nie still stehen.

Silber ist zurück

Diese Weisheit kennt man auch bei McLaren Mercedes, wo in den letzten Monaten in der Fabrik nie Stillstand einkehrte. "Mit den Silberpfeilen ist in diesem Jahr zu rechnen", kündigte Norbert Haug kurz nach Rennende an. Hundertprozentig zufrieden waren die erfolgsverwöhnten Briten aber nicht. "Wir sind niemals ganz zufrieden, wenn wir nicht gewonnen haben", betonte Martin Whitmarsh die Teammaxime.

Dennoch mussten die Silbernen eingestehen, dass Ferrari in Melbourne noch zu weit weg war. Jetzt gilt es den Rückstand aufzuholen, für Stillstand bleibt also weiter keine Zeit. "Das Team, das die beste Weiterentwicklung während der Saison betreibt", so Whitmarsh, "wird letztlich die WM gewinnen. Wir haben die Chance dazu, jetzt müssen wir sie nutzen."

Die Sensation des Auftaktrennens war Lewis Hamilton, der in seinem Debütrennen direkt auf das Podium fuhr. "Er war drei Viertel des Rennens vor Alonso und am Ende wurde er Dritter. Er hätte es nicht besser machen können", lobte Lauda. Im Gegensatz zu seinem Rookie-Kollegen Heikki Kovalainen blieb Hamilton fehlerfrei.

Leichte Verärgerung löste bei McLaren die Taktik von Nick Heidfeld aus. "Er war mit weniger Sprit und weichen Reifen unterwegs, deshalb haben wir in der Anfangsphase etwas auf Kimi verloren", hielt sich Whitmarsh noch zurück. Ron Dennis ging mit der Strategie von BMW Sauber härter ins Gericht. "Unser Rennen wurde davon ernsthaft beeinträchtigt. Es war nur dazu da, um gleich am Anfang des Rennens anzugeben."

Weiß-Blau ist da

Das Getriebe wehrt sich noch., Foto: Sutton
Das Getriebe wehrt sich noch., Foto: Sutton

Den "Angebern" kann diese Kritik egal sein, sie bestätigten ihre Testform auch am ersten Rennwochenende des Jahres. Als Geheimfavoriten oder Sieganwärter sieht man sich aber noch nicht. "Ferrari ist offensichtlich schneller und McLaren ist momentan noch nicht in greifbarer Nähe", sagte Nick Heidfeld. "Aber wir müssen zufrieden sein, wenn man bedenkt, von wo wir im letzten Jahr gekommen sind - Platz 8 in der Konstrukteurs-WM."

Sorgen macht man sich über andere Dinge. "Es gibt noch Handlungsbedarf", bestätigte Technikdirektor Willy Rampf. Allerdings machte er bereits erste Fortschritte bei der Zuverlässigkeit aus. "Vor ein paar Wochen sah es noch deutlich schlimmer aus, also müssen wir die positive Seite sehen. Das andere wird schon noch."

Deshalb überwog bei Motorsportdirektor Mario Theissen auch die Freude. "Was wir hier geschafft haben, zählt ja nicht nur für dieses Wochenende, sondern ist die Basis für die ganze Saison und die ist gut, sogar sehr gut." Deshalb erwartet Theissen auch bei den kommenden Rennen "vorne dabei" zu sein. "Natürlich wären wir gerne auf dem Podium gewesen, aber wir haben ja noch einige Rennen in diesem Jahr, da lässt sich das sicher einrichten."

Gelb-Blau ist jetzt Kunterbunt

Wo Freud ist, ist auch Leid; McLaren und BMW Sauber freuten sich über ihre starke Performance, Lewis Hamilton über ein Traumdebüt. Renault haderte hingegen mit der eigenen Leistungsfähigkeit und dem katastrophalen Debüt von Heikki Kovalainen.

"Das war eine der größten Enttäuschungen in meinem Leben", gestand der Finne. "Sein Debüt war ein Desaster", kritisierte Flavio Briatore. "Man muss realistisch sein: er hat beinahe alles falsch gemacht." Im Vergleich zu Hamilton sah Kovalainen uralt aus. Erklären konnte er sich sein Versagen nicht. Zu viel Druck wollte er nicht gelten lassen.

Nicht besonders hilfreich war für ihn sicher, dass die Performance des Weltmeisterteams allgemein nicht gut genug für die Spitze war. "Das Rennen hat gezeigt, dass wir viel zu tun haben, um wieder konkurrenzfähig zu werden", analysierte Briatore. "Es war in keiner Hinsicht ein starkes Rennen." Chefrenningenieur Pat Symonds sah somit den Winter-Trend bestätigt. "Wir haben viel Arbeit vor uns, um die Spitze anzugreifen." Momentan sei man einfach nicht wettbewerbsfähig mit Ferrari und McLaren.

Rennanalyse: Ein Schock und wenig Neues

Coulthard gegen Wurz - zwei erfahrene Haudegen unter sich., Foto: Sutton
Coulthard gegen Wurz - zwei erfahrene Haudegen unter sich., Foto: Sutton

Mit großen Erwartungen wurde dem Saisonstart entgegengefiebert. Die spannendste Saison seit langem brachte über den Winter so viele Fragezeichen hervor, dass man die Antworten kaum erwarten konnte. Am Ende fielen sie wie erwartet aus. Das Rennen an sich war ebenfalls nicht viel anders, als man es erwarten konnte. Der Australien GP war ein typisches modernes F1-Rennen. Der Albert Park bietet kaum Überholmöglichkeiten, ohne einen Startunfall oder Wetterkapriolen gibt es kaum Spannungsmomente abseits der Boxenstopps.

Auf einen Spannungsmoment, den einen Unfall des Rennens, hätte man dann auch verzichten können. "Ich versuchte, in Kurve drei innen am Auto von Alex Wurz vorbeizugehen, aber ich war zu weit hinten und habe es vermasselt", gestand David Coulthard. Der Schotte war seitlich in den Williams gerast und benutzte diesen als Sprungschanze. "Das war überoptimistisch von mir. Die Kollision war mein Fehler."

Wurz nahm die Entschuldigung des Gentlemen an, aber der Schock saß noch tief - auch wenn Alex nicht zugeben wollte, dass der Unfall in der Wiederholung auf ihn besonders schockierend wirke. Der Red Bull verfehlte die Hände und den Kopf des Österreichers nur um wenige Zentimeter. "In der Zeitlupe habe ich gesehen, dass es verdammt knapp war", lautete Alex' knappe Analyse.

Das neue Kräfteverhältnis ist hingegen nicht so knapp. Ferrari liegt deutlich vor der Konkurrenz, die bis Malaysia versuchen wird an diesem Vorsprung zu knabbern. Die rote Thronfolge ist Ferrari dennoch gelungen. Jetzt fehlt nur noch etwas mehr Rennaction. Vielleicht können die Tilke-Strecken in Sepang und Sakhir, wie in den Vorjahren, ihr Übriges tun.