Die Beinahe-Kollision der beiden McLaren-Piloten Oscar Piastri und Lando Norris beim Großen Preis von Singapur löste eine Kontroverse im Formel-1-Fahrerlager aus. Sollen die "Papaya-Rules" abgeschafft werden? Mischt sich McLaren zu sehr in die Fahrer-Weltmeisterschaft ein oder hat das Team sogar einen favorisierten Piloten? Vor dem US Grand Prix in Austin setzte sich das Team mit den Fahrern zusammen und kam zu einer neuen Beurteilung des Vorfalls.

Sahen Teamchef Andrea Stella und McLaren-CEO Zak Brown den Zwischenfall nach dem Gewinn des Konstrukteurstitels in Singapur noch locker, fand man nun einen klaren Schuldigen: „Das Team hat mich für das Geschehene zur Verantwortung gezogen, was ich für fair halte“, verriet Lando Norris, der in Singapur drei WM-Punkte auf Oscar Piastri aufholte. „Wir haben verstanden, welche Konsequenzen das für mich hat, und wir wollen vermeiden, dass etwas Schlimmeres passiert als das, was passiert ist.“

Wie die angesprochenen Konsequenzen für Norris aussehen, wollte der Brite nicht im Detail erläutern. Denkbar wären etwa eine teaminterne Verwarnung oder Strafe beziehungsweise ein zwingender Platztausch, sollte sich ein ähnlicher Vorfall noch einmal ereignen.

Oscar Piastri wurde am Marina Bay Street Circuit zum ersten Mal laut am Funk - das Team beschwichtige ihn damit, alles in Ruhe nach dem Rennen aufzuarbeiten. "Wir haben viele Diskussionen gehabt - mit klarem Ausgang, wie wir als Team Rennen fahren wollen und wie es weitergehen soll", verriet Piastri. "Der Vorfall in Singapur ist keine Art, wie wir Rennen fahren wollen und Lando und das Team haben dafür die Verantwortung übernommen", fügte der Australier an, der sich im internen Teamduell allerdings nicht benachteiligt fühlt. "Ich glaube nicht, dass das, was passiert ist, absichtlich war, sondern lediglich eine Fehleinschätzung. Ich werde meine Fahrweise nicht ändern."

Wie geht es für McLaren in der Saison 2025 weiter?

Um genau zu sein, ändert sich für beide Piloten wohl erst einmal nichts. "Am Ende sind wir Rennfahrer und es wird sich nichts daran ändern, wie wir Rennen fahren. Wir haben uns nur darauf geeinigt, dass eine Situation wie in Singapur nicht mehr vorkommen soll", so Norris. "Ich möchte auch nicht, dass so etwas wieder passiert, aber ich werde nicht zurückstecken, wenn sich eine Möglichkeit für mich ergibt. Ich habe eine Lücke gesehen und sie ausgenutzt." Gleichzeitig betonte Norris aber auch, dass es eine seiner Stärken sei, Berührungen mit anderen Autos zu vermeiden.

Ende des McLaren-Fairplays? Danner: Norris war auf Krawall aus! (30:07 Min.)

McLaren-Teamchef Andrea Stella und CEO Zak Brown waren von der Berührung ihrer Piloten erwartungsgemäß nicht gerade angetan. Für Stella ist die oberste Priorität, die Moral und die gesetzten Rahmenbedingungen für das Miteinander auf und abseits der Rennstrecke zu erhalten. "Die Regel lautet, nicht miteinander zu kollidieren", betont Norris. "Das war keine Kollision, sondern etwas viel Kleineres. Aber wir wollen es trotzdem nicht so weit kommen lassen, denn das kann zu solchen Dingen führen, und das ist niemals gut."

Piastri befürwortet die Entscheidung der McLaren-Chefs, beide Piloten frei kämpfen zu lassen - natürlich mit ein paar kleinen Regeln, denn die "Papaya-Rules" bleiben weiterhin bestehen. "Ich finde, jeder Fahrer sollte die Chance haben, fair den Titel gewinnen zu können und es ist mehr als fair, uns beide gegeneinander kämpfen zu lassen", so der Australier. "Für mich macht es keinen Unterschied, gegen wen ich kämpfe. Ich versuche immer, denjenigen zu besiegen. Und in diesem Szenario ist das nichts anderes."

Die nächste Runde im WM-Schlagabtausch steht an diesem Wochenende in Austin auf dem Programm - dann sogar zweimal: im Sprint am Samstag und im Grand Prix am Sonntag. Die Ausgangslage ist vor dem sechsletzten Rennwochenende des Jahres unverändert: Piastri und Norris trennen 22 WM-Zähler – und der fragile Frieden der Papaya Rules.