"Kaizen" nennt Toyota die hauseigene Entwicklungsphilosophie, die man sowohl in der Formel 1 als auch in der Serie anwendet - es geht um eine kontinuierliche Verbesserung und eine fließende Entwicklung. Deshalb könne man beim neuen Toyota TF106, der am Wochenende in den Produktionshallen von Valenciennes präsentiert wurde, auch nicht von einer Neuentwicklung, sondern lediglich von einer Weiterentwicklung sprechen, verriet Technikdirektor Mike Gascoyne.

Nur einen Tag später hat ein Exklusivbericht des Nachrichtenmagazins Focus einen schwarzen Schatten über die Technikphilosophie der in Köln stationierten Japaner geworfen. Dem Bericht zufolge sollen Toyota-Techniker bei der Entwicklung zweier Vorgänger des TF106, konkret bei den Projekten TF103 und TF104, eine von Ferrari entwendete Aerodynamik-Software eingesetzt haben. Zumindest hegt die Kölner Staatanwaltschaft diesen Verdacht - sie hat dem Bericht zufolge gegen den im Dezember gekündigten Chefdesigner Gustav Brunner und zwei seiner damaligen Kollegen Anklage erhoben - die beiden sollen ebenfalls leitende Positionen eingenommen haben. Vorgeworfen wird dem Trio dem Nachrichtenmagazin zufolge das Vergehen des unlauteren Wettbewerbs.

Gestohlene Software?

Ausgelöst wurde die Spionage-Affäre bereits im April 2003, als Ferrari-Teamchef Jean Todt eine Anzeige erstattet haben soll. Der erwähnten Anklage zugrunde liegt ein Geständnis eines früheren Ferrari-Angestellten. Der Staatsanwaltschaft zufolge soll der Ingenieur gestanden haben, vor seinem Wechsel zu Toyota am Beginn des Jahres 2002 eine Software aus dem Wagen von Michael Schumacher entwendet und diese im Kölner Toyota-Werk seinen Kollegen zur Verfügung gestellt zu haben. Toyota hat jedoch stets erklärt, keine geheimen Ferrari-Daten erhalten zu haben oder in irgendeiner Weise wissentlich Spionage betrieben zu haben.

Näheres über die Anklage gegen Gustav Brunner respektive welche Rolle er den Fahndern zufolge in der Spionageaffäre spielen soll ist nicht bekannt. Der Österreicher gilt als ein Konstrukteur "vom alten Schlag", der stets den Gesamtüberblick über das Projekt bewahren möchte und sich öfter gegen die zunehmende Spezialisierung der Jungtechniker ausgesprochen hat. Als dem "Eigenbrötler" der Brite Mike Gascoyne als Technikdirektor vorgesetzt wurde, soll sich der Bruch bereits abgezeichnet haben - angeblich war die Chemie zwischen Gascoyne und Brunner nicht die beste. Im Dezember verlautbarte Toyota die Kündigung des Grazers.

Gustav Brunner hat selbst bereits zweimal für die Scuderia gearbeitet - es ist nur schwer vorstellbar, dass der stolze Designer auf gestohlene Daten zurückgegriffen hat. Andererseits muss man in der Formel 1-Welt stets mit allem rechnen. Doch auch im knochenharten Grand Prix-Business gilt zunächst die Unschuldsvermutung...