Klar, Oscar Piastri hat 2024 schon ein Rennen in der Formel 1 gewonnen. Aber sein zweiter Sieg in Baku wird ihm wohl genauso gut, wenn nicht besser in Erinnerung bleiben. Der McLaren-Pilot fuhr nämlich sprichwörtlich das Rennen seines Lebens und zockte Charles Leclerc im Alleingang ab - mit vollem Risiko, indem er sich über alle Team-Vorstellungen hinwegsetzte.
Leclerc hatte den Start gewonnen, und der von P2 losgefahrene Piastri kam in den ersten Runden schnell zu Schluss: "Wir waren nicht die Schnellsten in dem ersten Stint. Das war harte Arbeit." Sein Plan war daher von vornherein: Alles geben und versuchen, am Ferrari vorbeizukommen. Dann hätte er zumindest saubere Luft. "In Runde zwei oder drei war ich denke ich im DRS dran, habe aber die Chance nicht umgesetzt."
"Ich kam am Ende der Geraden an und dachte mir: Hätte ich bloß ein paar Dinge anders gemacht, dann wäre das gegangen." Stattdessen blieb er hinter Leclerc stecken. Auf den Medium lief das für den McLaren gar nicht gut. Bald brach der Reifen ein, Leclerc begann wegzufahren. In Runde 15 kam Piastri bereits zum Wechsel auf Hard: "Ich hatte meine Reifen komplett durchgekocht."
Oscar Piastri lernt: Sieg-Chance in Baku nicht zweimal entgehen lassen
Von Renningenieur Tom Stallard gab es für Piastri einen Klaps auf die Finger: "Er sagte praktisch: 'Weißt du was? Machen wir das nicht noch einmal.'" Doch just in dem Moment tauchte Leclerc wieder vor Piastri auf. Ferrari hatte ihn eine Runde länger draußen gelassen, und dabei und beim Anfahren der neuen Hard-Reifen verlor er massiv Zeit.
Plötzlich war Leclerc in Runde 19 wieder in Schlagdistanz. Piastris Gedanken gingen zurück zum Start, dann zur Bitte seines Renningenieurs: "Und ich habe ihn praktisch auf der nächsten Runde komplett ignoriert und innen reingehalten. An dem Punkt dachte ich, dass es keinen Sinn machen würde, darauf zu warten, dass bei Charles die Reifen eingehen. Das würde nie passieren. Damit würden wir nur Zweite werden."
"Das war alles, was ich hatte, ohne die Chance würde ich keine weitere bekommen", unterstreicht Piastri. In Kurve 1 attackierte er in Runde 20 einen überraschten Leclerc innen: "Danke an Charles, er war unglaublich fair. Vielleicht dachte er, ich würde einfach geradeaus in die Auslaufzone schlittern! Aber ich war positiv überrascht davon, die Kurve zu kriegen. Ein Hochrisiko-Move mit vollem Einsatz, aber das brauchte es, um zu gewinnen, denn Zweiter wollte ich nicht werden."
Piastris schwerste Aufgabe in Baku kommt erst nach Leclerc-Manöver
Aus Runde 20 kam Piastri als Führender zurück. Doch der Weg bis zum Sieg war ein sehr weiter: "Ich wusste, die Führung zu übernehmen würde 40 Prozent der Arbeit sein. 60 Prozent würde sein, vornezubleiben. Und ich hatte die Reifen ziemlich hart rangenommen, um ranzufahren und vorbeizukommen."
"Der Schlüssel war der zweite Sektor", erklärt Piastri. "Viel Risiko durch die Burg-Passage musste ich nehmen, weil ich da die Lücke aufbaute, von Kurve 7 über den Rest der Runde hinweg. Ein paar Mal wurde es in der Burg und in Kurve 15 eng." Mehrmals touchierte er Wände. Aber unter keinen Umständen durfte er Leclerc aus Kurve 16 raus auf unter sechs Zehntel rankommen lassen.
Leclerc versuchte alles. Drei Attacken ritt er ab Runde 29 in kurzer Abfolge. Nach einer Verschnaufpause verfeuerte er zwischen Runde 41 und 45 dann mit drei weiteren sein letztes Pulver. Jedes Mal wehrte Piastri ihn ab. Dann gaben Leclercs Hinterreifen den Geist auf. Piastri war der Sieg sicher.
Oscar Piastri feiert in Baku besten Sieg der Karriere
"Für mich ist das wohl der beste Sieg meiner Karriere", meint Piastri. "So lange den Druck aufzusaugen war unglaublich hart." Es zeigt für ihn auch, wie groß seine Fortschritte im zweiten Jahr der Formel-1-Karriere sind. "Es klickt für mich etwas mehr als im Vorjahr in Bezug auf jene Dinge, an denen ich arbeiten wollte."
"Kombiniere das mit einem siegfähigen Auto, dann sind solche Ergebnisse möglich", so Piastri. "Heute war sicherlich einer der Tage, an denen wir nicht die Schnellsten waren, aber wir hatten ein Auto, mit dem wir kämpfen konnten. Wir hatten einen Boxenstopp, der half. Wir hatten Teamwork, das uns half. Das alles hat sich bezahlt gemacht." Auch in der WM. McLaren liegt in der Teamwertung jetzt 20 Punkte vor Red Bull. Und Piastri fehlen auf Rang vier nur mehr 13 auf den WM-Dritten Leclerc.
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