"Wenn Norris nicht die Führung hat, wird es für ihn schwieriger." So äußerte sich Red-Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko am Samstag nach dem Qualifying in Zandvoort im Hinblick auf die in dieser Saison immer wieder aufgetretene Startschwäche von Lando Norris - die sich auch beim Niederlande-GP wieder zeigte. Am Start hatte Max Verstappen von Position zwei aus leichtes Spiel und ging in Führung.
Wirklich schwierig wurde es für Norris aber dennoch nie. Nach einer kurzen Phase des Abtastens stieß der McLaren-Pilot bereits nach 14 von 72 Rennrunden ins DRS-Fenster Verstappens vor und ging zu Beginn der 18. Runde mit Leichtigkeit am RB20 des Lokalmatadors vorbei. Von dort an hinkte Verstappen seinem engsten Titelrivalen aussichtslos hinterher und beendete das Rennen ganze 22,896 Sekunden hinter dem Briten. Verstappens längste Sieglos-Serie seit Dezember 2020 bleibt somit bestehen.
Verstappen hadert mit Problemen: Sehr schwer zu lösen
"Wir haben heute versucht, was wir konnten. Aber durch das Rennen hinweg war es ziemlich klar, dass wir nicht schnell genug waren", ordnete Verstappen die Geschehnisse im Anschluss nüchtern ein. "Das ganze Wochenende war das Gleiche. Ich hatte so ziemlich die gleiche Balance vom FP1 bis zum Rennen, die Limitationen sind die Gleichen. Es ist im Moment einfach sehr schwer zu lösen."
Doch nicht nur die Balance-Probleme bereiteten Red Bull Sorgen, sondern auch der Reifenverschleiß. "Wir haben das Tempo in keiner Weise mitgehen können. Der Reifenverschleiß hat sich bei uns eingestellt", wurde Marko bei Sky Deutschland deutlich. "Eine 13,8 in der letzten Runde ohne DRS sagt dann auch Einiges. Es gibt viel zum Arbeiten und Nachdenken. Das große Problem war der Reifenverschleiß."
Verstappen stimmte mit ein: "Es wirkt einfach so, als wären wir zu langsam, aber auch ziemlich schlecht beim Reifenverschleiß. Das ist etwas seltsam, weil wir dabei in den letzten paar Jahren eigentlich ziemlich gut waren. Etwas ist also zuletzt falsch gelaufen mit dem Auto, was wir verstehen und natürlich schnell versuchen müssen, zu verbessern." Auch bei den Balance-Problemen machte Verstappen eine Negativ-Entwicklung aus: "Es war in den ersten paar Rennen nicht da, aber etwas im Auto hat es schwieriger zu fahren gemacht und es ist im Moment sehr schwierig mit dem Finger darauf zu zeigen, woher das kommt."
Setup-Fehler kostet wichtigen Speed auf Geraden
Neben den tieferliegenden Problemen mit dem RB20 verwies Red-Bull-Teamchef Christian Horner zudem auf Fehler mit dem Setup des Rennwagens. "Wir sind ein wenig ins Risiko gegangen, weil wir dachten, dass der Reifenverschleiß ziemlich hoch sein würde. Deswegen sind wir bis zum maximalen Abtriebs-Level gegangen", berichtete der 50-Jährige. Damit verwies Horner auf den grundsätzlich geringen Reifenverschleiß im Niederlande-GP, wohingegen Red Bulls Reifenverschleiß lediglich im direkten Vergleich zu McLaren hoch war.
Horner weiter: "Wenn der Reifenverschleiß hoch gewesen wäre, hätte das uns mit dem Reifenverschleiß geholfen. Wie sich herausstellte, war der Reifenverschleiß sehr gering und das hat uns einfach auf den Geraden sehr langsam mit Max gemacht." Genau diesen fehlenden Speed auf den Geraden machte Horner auch für das sichtlich mühelose Überholmanöver von Norris verantwortlich.
Horner lobt Verstappen: Sehr reifes Rennen gefahren
Das Resultat dieser Probleme und Pannen ist ein Rennen wie jenes in Zandvoort. Immer wieder beschwerte sich Verstappen am Funk über seinen Boliden, klagte über fehlenden Grip der Reifen und keine Reaktion des Autos auf seine Impulse. "An einem Punkt hat sich nichts mehr gedreht oder reagiert", beschrieb Verstappen. "Dann ist Lando ziemlich nahe gekommen. Das erste Mal war er nahe dran, aber nicht nahe genug. Und dann in der nächsten Runde konnte ich nichts tun. Als er dann vorbei war, habe ich mich einfach auf mein eigenes Rennen fokussiert und versucht, es als Zweiter ins Ziel zu bringen."
Genau für diese Einstellung handelte sich Verstappen im Nachgang des Rennens Lob von Horner ein. "Er ist ein sehr reifes Rennen gefahren, in dem er sicherstellen wollte, dass er sieben Punkte an Lando abgibt, aber nicht mehr als das", so der Brite. "Wir konnten ihn nicht besiegen und das Wichtigste ist, was wir vor dem Rennen diskutiert haben: 'Wenn du ihn nicht besiegen kannst, stelle sicher, dass wir den Rest des Feldes besiegen.'"
Gesagt, getan: Zumindest Rang zwei war letztendlich nie ernsthaft in Gefahr. Verstappen überquerte die Ziellinie 2,543 Sekunden vor dem Drittplatzierten Charles Leclerc. Zwar sei Red Bull kurzzeitig über Oscar Piastri besorgt gewesen, als dieser mit frischeren Reifen erst Russell überholte und dann Leclerc dicht verfolgt, gab Horner zu, aber: "Dann schien ihm die Pace auszugehen."
WM-Titel in Gefahr? Horner: Wenn es so weitergeht, wird es schwierig
Dennoch bleibt festzuhalten: Nach der neuerlichen Niederlage schrillen bei Red Bull die Alarmglocken. "Die letzten paar Rennen waren schon nicht wirklich fantastisch. In gewisser Weise war das schon ein bisschen alarmierend", meinte Verstappen. "Aber wir wissen, dass wir keine Panik haben müssen. Wir wissen, dass wir einfach versuchen, die Situation zu verbessern und daran arbeiten wir, aber die Formel 1 ist sehr kompliziert." In der Konstrukteurs-Meisterschaft ist der Vorteil des Brausekonzerns auf nur noch 30 Zähler zusammengeschrumpft.
In der Fahrer-WM ist der Vorsprung Verstappens auf Norris mit 70 Punkten zwar noch beachtlich, doch auch dieser Titel ist keinesfalls bereits in trockenen Tüchern. "Wenn es die nächsten neun Rennen so wäre wie basierend auf der heutigen Performance, wäre es sehr schwierig", sagte auch Horner in Bezug auf die Fahrer-WM.
"Wir haben Glück, dass sie Anfang des Jahres unterperformt haben, sodass wir einen 70-Punkte-Puffer haben, aber dieser kann sich sehr schnell verringern", so der dienstälteste Formel-1-Teamchef weiter. "Es ist bemerkenswert, dass es erst Landos zweiter Sieg dieses Jahr in diesem Auto ist. Aber er fährt gut, er findet Selbstvertrauen und der Druck liegt bei uns, darauf zu antworten."
Helfen unterschiedliche Setups im Entwicklungs-Rennen?
In Bezug auf den weiteren WM-Kampf konnte Horner dem Niederlande-GP zumindest etwas Positives dadurch abgewinnen, dass Verstappen und sein Teamkollege Sergio Perez mit unterschiedlichen Spezifikationen unterwegs waren. "Das hat uns tatsächlich ziemlich viele wertvolle Informationen gegeben", war Horner überzeugt. "Das Fahrer-Feedback war diesbezüglich auch sehr positiv im Hinblick darauf, was sie durch die verschiedenen Setups spüren. Das wird den Ingenieurs-Gruppen jetzt hoffentlich eine echte Richtung geben."
Mit einem umfangreichen Update beim nächsten Rennwochenende in Monza will auch Ferrari wieder vermehrt an der Spitze angreifen. Doch auch am Rennsonntag in Zandvoort lief es bereits überraschend gut für die Scuderia. Charles Leclerc und Carlos Sainz verwandelten die Startpositionen sechs und zehn zu den Rängen drei und fünf im Ziel. Alle Details zum Ferrari-Sonntag lest Ihr hier:
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