Der Champagner ist versprüht. Die Feierlichkeiten stehen an. Doch dann kommt das Urteil der Stewards: Disqualifikation. Kaum zwei Stunden nach Rennende verlor George Russell den Sieg beim Grand Prix von Belgien 2024.
Der Mercedes-Pilot ist nicht der einzige unglückliche Doch-Nicht-Gewinner, der diese Achterbahnfahrt der Gefühle mitgemacht hat. MSM wirft einen Blick in die Formel-1-Geschichte: Diese Rennsieger wurden nachträglich disqualifiziert.
Michael Schumacher: Belgien-GP 1994
Fast 30 Jahre lang wurde die Formel 1 von dieser Dramatik verschont. Der letzte Rennsieger vor Russell, der seine Platzierung nachträglich verlor, war Michael Schumacher im Jahr 1994. Der Ort des Unglücks war auch damals der Belgien-GP. Rubens Barrichello stand auf der Pole Position, wurde am Start jedoch schnell von Schumacher überholt. Obwohl der Deutsche in Runde 19 einen Dreher hatte, behielt er die Führung und kam schließlich mit 13 Sekunden Vorsprung als Erster ist Ziel.
Kurz nach dem Rennen dann die Ernüchterung. An der Unterseite von Schumachers Benetton-Ford wurde übermäßiger Verschleiß am hölzernen Unterfahrschutz entdeckt. Die vorgeschriebene Schutzvorkehrung wurde zwei Rennen zuvor in Deutschland eingeführt, um die Fahrzeughöhe anzuheben und den Ground Effekt zu verringern. Eine Abnutzung des Unterfahrschutzes von maximal 1mm war erlaubt. Alles darüber führte zu einem aerodynamischen Vorteil. Schumacher wurde prompt disqualifiziert und vererbte Damon Hill den Sieg.
Ayrton Senna: Japan-GP 1989
Es ist eines der kontroversesten Rennen in der F1-Geschichte. Der Japan-GP 1989 war das vorletzte Rennen der Saison und ein Höhepunkt der Rivalität zwischen den McLaren-Teamkollegen Ayrton Senna und Alain Prost. Prost führte die Weltmeisterschaft mit 16 Punkten Vorsprung auf Senna an. Der Brasilianer brauchte den Sieg unbedingt, denn nur so hatte er noch eine Chance auf den Titel beim Finale in Australien. Zunächst schien es für ihn gut zu laufen und er holte sich die Pole Position. Doch beim Start kam Prost besser weg und überholte seinen Teamkollegen. Der Franzose fuhr sich einen Vorsprung heraus, doch Senna näherte sich an. In der 47. Runde setzte er in der Schlussschikane zum Überholmanöver an. Prost machte die Tür zu und zog in seine Spur. Es kam zu einer geschichtsträchtigen Kollision zwischen den Rivalen.
Prost steigt aus, doch Senna bleibt sitzen. Streckenposten schieben sein Fahrzeug an und so kommt der Brasilianer wieder in Schwung. Er nimmt den Notausgang, fährt Slalom durch die Reifenstapel im Inneren der Schikane und kehrt auf die Strecke zurück. Senna schleppt sich mit einem beschädigten Frontflügel in die Box. Alessandro Nannini übernimmt dadurch die Führung. Doch Senna setzt zur zweiten Aufholjagd des Rennens an und überquert schließlich als Erster die Ziellinie. Die Freude ist riesig, die WM-Entscheidung vertagt. Aber nicht lange.
Jean-Marie Balestre, Präsident des FIA-Vorgängers FISA und französischer Landsmann, verkündet Sennas sofortige Disqualifikation. Der Brasilianer habe nach der Kollision die Schikane ausgelassen und somit die Strecke abgekürzt. Nannini erbt seinen ersten und einzigen F1-Sieg. Der Skandal ist perfekt, die Wut enorm. McLaren zieht mit Teamchef Ron Dennis eine Woche später vor das Sportgericht, doch die Entscheidung steht. Obendrein kassiert Senna noch eine Strafe über 100.000 Dollar und eine sechsmonatige Rennsperre. Bis heute wird über den Japan-GP 1989 kontrovers diskutiert.
Alain Prost: San-Marino-GP 1985
Wenige Jahre zuvor wurde auch Alain Prost als Sieger disqualifiziert. Diese Angelegenheit war jedoch deutlich weniger spektakulär. Beim Grand Prix von San Marino 1985 fuhr der Franzose vom sechsten Startplatz los. Es war ein ereignisreiches Rennen. Mehrere Piloten kamen wegen Kraftstoffmangels zum Stehen. Allein in den letzten fünf Runden führten drei unterschiedliche Fahrer das Feld an - Keiner von ihnen holte schlussendlich den Sieg.
Prost kam zwar als Erster ins Ziel, doch als sein Auto nach dem Rennen gewogen wurde, war die Freude schnell vorbei. Sein McLaren war zwei Kilogramm zu leicht. Der Franzose wurde disqualifiziert und Elio de Angelis gewann den Grand Prix. Prosts Team sprach später von einer simplen Fehlkalkulation.
Nelson Piquet: Brasilien-GP 1982
Nelson Piquet kämpfte sich beim Großen Preis von Brasilien 1982 vom siebten Startplatz an die F1-Spitze vor. Bei enormer Hitze jubelte er bei seinem Heimrennen, als er als Erster die Ziellinie überquerte. Am Podest dann das erste Drama für den Nationalheld: Piquet kippte bei der Siegerehrung vor Erschöpfung um und blieb kurz sogar am Boden liegen. Und es kommt noch schlimmer.
Renault und Ferrari brachten Proteste gegen Piquet und den zweitplatzierten Keke Rosberg ein. Ihre Teams Brabham und Williams hatten Wassertanks an ihren Boliden angebracht. Diese sollte vermeintlich dazu dienen, die Bremsen zu kühlen. In Wahrheit brachten sie die Boliden jedoch auf das Mindestgewicht von 580 Kilogramm. Das Problem am gewieften Trick: Die Tanks wurden erst nach dem Rennen befüllt, bevor die Autos gewogen wurden. Somit wurde das vorgeschriebene Mindestgewicht während dem Rennen nicht erreicht. Beide Piloten wurden nachträglich disqualifiziert und der Sieg ging stattdessen an Alain Prost.
James Hunt: Großbritannien-GP 1976
Ein weiterer Pilot, der ausgerechnet bei seinem Heimrennen den Sieg aufgrund einer Disqualifikation verlor, war James Hunt. Der Großbritannien-GP im Jahr 1976 war ein wildes Event. Beim Rennstart kollidierten die Ferrari-Teamkollegen Niki Lauda und Clay Regazzoni, wodurch sich Letzterer drehte und mehrere Autos dabei mitnahm. Darunter auch Hunt, der als Zweiter gestartet war und auf Lauda in der Fahrer-WM aufholen wollte. Die Rennleitung entschied sich dafür, das Rennen mit einer roten Flagge zu unterbrechen, da zu viele Trümmer auf der Strecke lagen. Hunt ließ seinen beschädigten Boliden abseits der Strecke nahe der Box stehen, anstatt die Runde zu Ende zu fahren.
Der McLaren des Briten konnte noch vor dem Re-Start repariert werden, doch da Hunt auf dem Weg in die Box abgekürzt hatte, galt er als nicht startberechtigt. Die britischen Zuschauer protestierten heftig und forderten, dass man Hunt erneut starten ließ. Was auch passierte. Nach dem Re-Start lag Hunt direkt hinter Lauda. Nach einer lange Verfolgungsjagd konnte er den Österreicher passieren. Das Heimpublikum jubelte, als Hunt als Sieger ins Ziel kam. Doch natürlich legte Ferrari Proteste ein: Hunt hätte am Neustart nicht mehr teilnehmen dürfen. Erst zwei Monate nach dem Großbritannien-GP 1976 war die Entscheidung endgültig. Hunt wurde disqualifiziert und Lauda wurde nachträglich zum Sieger erklärt.
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