Das Formel-1-Comeback in Las Vegas warf lange seine Schatten voraus. Spätestens seitdem Liberty Media die Königsklasse nach Miami gebracht hat, war die Richtung für den Grand Prix in der Glücksspiel-Metropole klar. Die Expansion des Sports in die USA wird als Teil des Geschäfts weitestgehend positiv aufgenommen, doch die zuweilen ausufernden Showelemente stoßen nicht bei allen Fahrern auf Gegenlieben. Vor dem Hintergrund des immer voller werdenden Formel-1-Kalenders fühlen sich einige der Hauptdarsteller von den kommerziellen Verpflichtungen erschlagen.
"Es ist ziemlich cool. Erst letztens habe ich erzählt, dass ich den Film Casino schon ungefähr eintausend Mal gesehen habe und es ist fantastisch, hier zu sein. Wir haben vor vielen Jahren davon gesprochen, hier ein Rennen zu haben, und jetzt hier zu sein, ist surreal. Es ist aufregend, so ein unglaublicher Ort, so viele Lichter. Die Energie ist toll, es ist ein krasser Buzz", freut sich Rekordweltmeister Lewis Hamilton über das Gastspiel in Las Vegas.
Der Mercedes-Pilot ist seit jeher als großer USA-Liebhaber bekannt und findet daher leicht Gefallen am 'American Way of F1'. "Der Sport wächst weiter und letztendlich ist es ein Business. Sich in solch einem Land im Markt zu etablieren und die Zuschauer wirklich für sich zu gewinnen, braucht mindestens zwei Rennen. Eines hat nicht gereicht. Und das hier findet in einer der legendärsten und einzigartigsten Städte unter all den anderen großartigen Städten Amerikas statt. All die Lichter, es ist sicher eine große Show", sagt er weiter.
Sein sportlicher Erzrivale hält auch was die Vorstellungen eines Grand-Prix-Wochenendes angeht hart dagegen. Die Eröffnungszeremonie am Donnerstag verlangte Max Verstappen bereits alles an Toleranz ab. "Du siehst wie ein Clown aus", zeigte sich der amtierende Champion wenig begeistert und bekundete "null Interesse" an der Show in Las Vegas. "Ich will mich immer auf den Leistungsaspekt fokussieren. Das Zeug drumherum mag ich sowieso nicht. Ich weiß, an manchen Orten ist das Teil davon, aber es ist nicht in meinem Interesse."
Fahrer gespalten: Show nicht auf Kosten der Formel-1-DNA
Nicht ganz so undifferenziert, aber dennoch kritisch, sehen einige seiner Mitstreiter den Aufriss für das Rennen auf dem weltberühmten Strip von Las Vegas. "Es war... eine interessante Erfahrung. Ja... belassen wir es dabei", so McLaren-Rookie Oscar Piastri über die untypische Eröffnungsfeier. Der Australier kann den Ansatz allerdings verstehen: "Kein Sport kann existieren, wenn niemand zuschaut. In einer Weise sind wir dazu verpflichtet, Unterhaltung zu liefern, so lange es authentisch ist."
Genau an diesem Punkt scheiden sich jedoch die Geister. "Es ist jetzt mehr Show als noch vor ein paar Jahren, und ehrlich gesagt will ich nur herkommen und Rennen fahren. Ich war nie der größte Fan von Zeug wie vorhin [Eröffnungsfeier]", sagt Lando Norris. "Das ist nicht das, woran ich Spaß habe und vieles davon gehört aber einfach dazu. Ich sage nicht, dass ich dagegen bin. Ich mache diesen Job, weil ich Rennen fahren will. Aber ich bin kein Fan dieser großen Events und Shows. Die sind nur Teil des Jobs, es ist nur Geschäft."
Lance Stroll sieht das ähnlich. "Es ist nicht wirklich mein Ding. Für diesen Teil habe ich mich absolut nicht entschieden. Ich meine, wir sind Rennfahrer, versteht ihr? Ich finde, es geht manchmal zu sehr in die Richtung Hollywood-Star. Dabei fahre ich nur gerne Autorennen und versuche nicht, ein Hollywood-Star zu sein", so der Kanadier.
Mit Miami und Las Vegas gibt es im Formel-1-Kalender momentan nur zwei Veranstaltungen, die in diesem hohen Maße auf Unterhaltung ausgerichtet sind. Bei 22 Rennen für neue Ansätze zu sorgen, empfinden andere Fahrer als willkommene Abwechslung. "Sie müssen nur die DNA des Sports bewahren", sagt Charles Leclerc. "Aber wenn wir an einen Ort wie Miami oder Las Vegas kommen, musst du als Sport auch jede Chance wahrnehmen. Wenn das bedeutet, etwas mehr Show um das Rennen zu machen, ist das großartig. "
Sainz und Alonso wünschen sich Ausgleich
Allerdings gibt es auch für den Monegassen ein gesundes Maß, das nicht überschritten werden sollte. "Wir müssen irgendwie das Limit finden, wie weit wir gehen. Fünf Minuten vor dem Rennen Show und Feuerwerk zu veranstalten, da haben wir wichtigere Dinge im Kopf", stellt der Ferrari-Pilot klar. Die Vereinnahmung der Fahrer ist scheinbar der Punkt, der am ehesten die Toleranz von Verstappen und Co. überstrapaziert.
"Mit Blick auf die Zukunft müssen wir in Erwägung ziehen, die Art und Weise, wie wir am Wochenende die Rennen austragen, zu verändern", fordert Carlos Sainz. "Die Zeitpläne werden jedes Jahr voller. Das Wochenende beginnt früher, aber wir kommen trotzdem erst später zum Fahren. Wir bekommen immer mehr Rennen in den Kalender und geraten an einen Punkt, an dem sich alles etwas repetitiv und überfüllt anfühlt. Vielleicht sind wir dabei, den Bogen etwas zu überspannen."
"Um diese Art von Events abzuhalten, sollten wir vielleicht an anderer Stelle etwas reduzieren, um einen Ausgleich zu schaffen", sagt Fernando Alonso, der sogleich einen Lösungsansatz anführt: "Wir sagen das schon länger, aber die Medienverpflichtungen, die wir besonders am Donnerstag haben, scheinen mir ein bisschen repetitiv. Und das ist nicht gegen euch Journalisten gerichtet."
Der zweifache Weltmeister würde den Medien lieber Interessanteres als den Blick in die Glaskugel berichten: "Ich denke, ihr alle seid gespannt darauf, die Strecke zu sehen und zu erfahren, wie unser Gefühl hier ist, wenn wir morgen ins Auto steigen. Nur habt ihr heute nichts davon. Es sind nur viele Stunden mit Interviews und wir wissen nicht, was wir euch antworten sollen, weil wir auf dieser Strecke noch nie gefahren sind. Vielleicht sollten wir uns die Zeit am Donnerstag schenken, und da lieber mit dem Promoter andere Dinge machen, und dann am Freitag nachdem wir gefahren sind mehr mit euch sprechen."
Ricciardo sieht Preisentwicklung kritisch
Auch wenn der Grand Prix auf dem Strip mit der US-amerikanischen Motorsporttradition kaum Berührungspunkte hat, hofft Hamilton, dass die in den Staaten in den vergangenen Jahrzehnten kaum beachtete Formel 1 durch die Expansion in weiten Teilen der Bevölkerung Anklang finden wird. "Es wird hier niemals wie Silverstone sein, aber vielleicht entwickeln die Menschen hier eine Liebe für den Sport, so wie wir früher das Privileg hatten, damit aufzuwachsen und das zu erleben", so der Brite.
Inwiefern die Preispolitik der Veranstalter eine solche Entwicklung begünstigt, bleibt abzuwarten. Wer die Formel 1 in Las Vegas live sehen will, muss für einen Tribünenplatz rund 2.000 US-Dollar bezahlen. Der Paddock Club oberhalb des Boxenkomplexes schlägt mit 20.000 US-Dollar für ein Ticket zubuche und verfügt über eine Kapazität von 25.000 Zuschauern. Wer will, kann auch VIP-Pakete für bis zu 40.000 US-Dollar buchen. Insgesamt werden je Veranstaltungstag rund 100.000 Fans erwartet.
Der mit Hamilton wohl größte USA-Verehrer im Grid sieht diese Entwicklung kritisch. "Das ist schon heftig. Wie bei allen Dingen muss es ein Gleichgewicht geben. Ich habe von den Preisen für die günstigsten Tickets gehört und mir ist bewusst, dass sich das nicht jeder leisten kann. Ich fände es viel schöner, wenn alle die Möglichkeit hätten, aber ich bin nicht das Business hinter dem Sport", sagt Daniel Ricciardo.
Der Australier kann den neuen Markt für extravagante Fans nachvollziehen, will aber nicht, dass andere dafür ausgeschlossen werden. "Wenn es ein paar verrückte Angebote gibt und die Leute da gerne ihr Geld für ausgeben, ist das alles in Ordnung. Aber ich höre nicht gerne, wenn Leute, die gerne gekommen wären, es sich einfach nicht leisten konnten", so der AlphaTauri-Pilot weiter.
Max Verstappen würde sich nicht wundern, wenn sich der Kurs von Liberty Media in Zukunft als nicht nachhaltig erweist. "Schauen wir mal, wie lange das auch den Fans gefällt", sagt der Niederländer. "Aber sie entscheiden, was sie wollen, oder? Das würde ich auch machen, wenn ich der Eigentümer wäre. Ich würde nicht auf die Fahrer hören."
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