Musik, Fashion oder was auch immer sich Freigeist Lewis Hamilton nach seiner Formel-1-Karriere als Hauptbetätigungsfeld vorgenommen hat, muss noch etwas warten. Mit seinem neuen Mercedes-Vertrag hat sich der Rekordweltmeister für zwei weitere Jahre der Königsklasse des Motorsports verschrieben - und das, obwohl er in diesem Alter schon längst nicht mehr im Cockpit sitzen wollte. Hamilton ist von seiner nicht enden wollenden Liebe zur F1 selbst überrascht, doch er hat genug gute Gründe, den Helm noch nicht an den Nagel zu hängen.

"Ich hätte definitiv nicht gedacht, dass ich mich in dem Alter, in dem ich jetzt bin, körperlich und geistig so fühlen würde, wie ich es tue, und dass ich das, was ich tue, immer noch so sehr liebe. Und das ist etwas, wofür ich unglaublich dankbar bin", so der siebenfache Weltmeister, der am Donnerstag vor dem Rennwochenende in Monza für zwei weitere Jahre bei Mercedes bekanntgegeben wurde.

Wenn er 2025 in seine 19. Formel-1-Saison geht, wird der am 7. Januar 1985 geborene Hamilton 40 Jahre alt sein. Als er mit Mercedes von Sieg zu Sieg eilte, schien es nie sein Plan zu sein, eine derart lange Laufbahn an der Weltspitze hinzulegen. Er erwartete, dass die Intensität des Leistungssports, gepaart mit der zunehmenden Beanspruchung der Athleten durch immer ausuferndere Kalender und umfangreichere Rennwochenenden, ihn irgendwann ermüden würde.

"Ich glaube, viele Menschen bleiben über einen langen Zeitraum in denselben Jobs und Rollen und lieben sie nicht mehr, machen aber trotzdem weiter, weil es vielleicht das Einzige ist, was sie machen können. Aber ich liebe das, was ich tue wirklich und habe immer noch diese Liebe dazu", erklärt der 38-Jährige, dass das Feuer in ihm noch nicht erloschen ist. "Obwohl ich schon so viele Jahre Rennen fahre, habe ich immer noch das Gefühl, dass ich mich jedes Wochenende verbessern kann. Und ich denke, das ist es, was ich an diesem Sport liebe. Du wirst nie Perfektion erreichen. Aber das Streben nach Perfektion ist eines der aufregendsten Dinge, bei dem, was wir tun."

Hamilton nimmt Mercedes-Krise als Herausforderung an

Dabei war die Saison 2022 die erste sieglose seiner F1-Karriere. Der Abstieg von Mercedes ins Verfolgerfeld war etwas, anhand dessen viele Kritiker Hamiltons baldiges Karriereende prophezeiten. Doch das Gegenteil ist der Fall. "Ich liebe es immer noch, ins Auto zu steigen. Ich liebe es immer noch, mit meinen Kollegen Rennen zu fahren, und ich liebe es, mit Bono [Renningenieur Peter Bonnington] und all den Jungs in der Garage und im Team zusammenzuarbeiten, um dieses gemeinsame Ziel und diesen Traum zu verfolgen", sagt er.

Ohne Aussicht auf den WM-Titel, stellte sich Hamilton im Vorjahr bedingungslos in den Dienst des Teams und verlor auch ohne siegfähiges Material keineswegs die Motivation. Der Rückschritt leitete einen neuen Karriereabschnitt für ihn ein und er geht in dieser Herausforderung genauso auf, wie im Kampf um den Titel: "Ich liebe dieses Gefühl, wenn man gemeinsam die Höhen und Tiefen durchlebt. Es gibt nichts Vergleichbares."

Rücktritt stand für Hamilton bisher nicht zur Debatte

Den Tiefpunkt, der seine Liebe zur Formel 1 auf die Probe stellte, erlebte Hamilton Ende 2021. Im kontroversen Finale von Abu Dhabi verlor er beim Restart über eine Runde den wenige Minuten zuvor fast sicher geglaubten achten Weltmeistertitel. Nach der Enttäuschung verließ er die Rennstrecke erhobenen Hauptes, um dann für zwei Monate vollständig aus der Öffentlichkeit zu verschwinden.

Ein Rücktritt stand für ihn in dieser schwierigen Zeit und dem sportlichen enttäuschenden 2022 trotz allem nie zur Debatte. "Ich wollte definitiv weitermachen. Es gibt im Leben immer Aufs und Abs. Letztes Jahr war sehr schwierig und ich bin mir ziemlich sicher, dass alle hinterfragt haben, ob sie weitermachen wollen, denn es ist an der Spitze sehr hart und dieser Sport ist sehr hart", sagt er.

Die Zweifel ließ er jedoch nie an sich heran: "Dieses Gefühl, dieser Gedanke verfliegt schnell, und man konzentriert sich darauf, das Beste aus sich herauszuholen und mit den Situationen umzugehen, mit denen man konfrontiert wird. Ich bin wirklich stolz auf das, was wir letztes Jahr erreicht haben und wie wir es überstanden haben."

F1-Zukunft endlich geklärt! Warum Lewis Hamilton weitermacht (08:52 Min.)

Revanche für WM-Finale 2021 für Hamilton kein Antrieb

Mit der Vertragsunterschrift ist seine Entscheidung, weiterzumachen, gefallen. An den Ambitionen hat sich für ihn nichts geändert. Er will mit Mercedes in den kommenden Jahren seinen achten WM-Titel erobern. "Ich arbeite nicht auf das nächste Jahr hin und denke, dass es noch vier Jahre dauern wird, bis wir dort sind, wo wir hinwollen. Aber ich bin mir bewusst, dass es Zeit braucht", so der 103-fache Grand-Prix-Sieger.

Die WM-Niederlage vor zwei Jahren ist allerdings nichts, was ihn auf der Jagd nach dem achten Titel besonders antreibt. "Was 2021 angeht, ich bin kein Mensch, der auf Revanche aus ist. Es geht nicht um Revanche oder Wiedergutmachung. Das liegt in der Vergangenheit und an der kannst du nichts ändern", beteuert er. Für ihn geht es alleine um den Ehrgeiz, Mercedes wieder an die Spitze zu führen.

"Was wir tun können, ist, härter zu arbeiten, präziser zu sein und uns weiter zu verbessern. Und ich glaube fest daran, dass wir mit diesem Team mehr Weltmeisterschaften und mehr Rennen gewinnen können. Darin fließt also meine ganze Energie", so Hamilton. "Wenn es nicht nächstes Jahr ist, werden wir weiter daran arbeiten. Aber in meinem Herzen glaube ich wirklich, dass wir nächstes oder übernächstes Jahr dort sein werden."