Jahrelang wurde Ferrari aufgrund zahlreicher Personalrochaden als das Chaos-Team der Formel 1 bezeichnet. Mittlerweile scheint Alpine der Scuderia diesen Rang allerdings abzulaufen. Jüngst erwischte es, mal wieder, den Teamchef Otmar Szafnauer, der nach nur 18 Monaten im Amt wieder seinen Hut nehmen musste. Der langjährige Motorsport-Direktor Alan Permane wurde ebenfalls entlassen - Technik-Chef Pat Fry verließ Alpine freiwillig und wechselte zum aktuell deutlich langsameren Williams-Team.

Die erneute Umstrukturierung reiht sich makellos in die turbulente Geschichte rund um das französische Team ein, das seit dem Wiedereinstieg in die Formel 1 im Jahr 2016 einen hohen Personal-Verschleiß zu verzeichnen hat. Die Hauptgründe für das ständig wechselnde Personal lassen sich auf zwei Bereiche herunterbrechen: Mangelnden Erfolg und persönliche Differenzen. Motorsport-Magazin.com blickt, auch in Video-Form, auf Alpines ereignisreiche Personal-Historie zurück.

Wer wird neuer Formel-1-Teamchef bei Alpine? (30:00 Min.)

Das Teamchef-Roulette bei Alpine

2017: Vasseur vs. Abiteboul: Die Geschichte der Alpine- bzw. Renault-Teamchefs war von Anfang an von Turbulenzen geprägt. Als Renault in der Saison 2016 seinen Wiedereinstieg in die Formel 1 feierte, führte der aktuelle Ferrari-Teamchef Fred Vasseur das Team in die Saison - inklusive 5-Jahres-Plan für Grand-Prix-Siege. Doch nach einem Jahr trat der Franzose von seinem Amt zurück und der bisherige Renault-Geschäftsführer Cyril Abiteboul übernahm das Amt des Teamchefs. Offiziell beendete Vasseur das Engagement aufgrund von "unterschiedlichen Ansichten über die Zukunft des Teams." Doch der neue Teamchef Abiteboul sorgte mit konträren Aussagen für Zweifel.

"Die Struktur war schon immer ein Problem für Frederic, der ein großes Maß an Autonomie braucht, denn so war es schon immer in seinem Leben", sagte Abiteboul im Jahr 2017 nur einen Tag nach Vasseurs Rücktritt. "Es ist Renaults Team, nicht Frederic Vasseurs Team oder Cyril Abitebouls Team. Das war der Hauptgrund für unsere Unfähigkeit, harmonisch und stabil zusammenzuarbeiten."

Renault-Teamchef Cyril Abiteboul und Sauber-Teamchef Frederic Vasseur bei einem Gespräch
Früher Kollegen, dann Konkurrenten: Cyril Abiteboul und Frederic Vasseur, Foto: LAT Images

2021: Aus Renault wird Alpine - Budkowski übernimmt: Für Renault-Verhältnisse konnte sich Abiteboul lange im Amt des Teamchefs halten. Doch weil man den ursprünglich vorgestellten 5-Jahres-Plan deutlich zu verpassen drohte, trennte sich Renault vor der Saison 2021 vom Teamchef. Gleichzeitig wurde das Team zu 'Alpine' umgetauft, gleichnamig zu der bisher recht unbekannten Sportwagenmarke aus dem Hause Renault. Das Amt des Teamchefs blieb vorerst unbesetzt und der bisherige 'Ececutive Director' Marcin Budkowski übernahm interimsweise die Funktionen des Teamchefs, zumindest an der Rennstrecke.

Szafnauer
Die Szafnauer-Ära bei Alpine endete bereits nach 18 Monaten, Foto: LAT Images

2022: Die Ära Szafnauer: Nachdem er bei Aston Martin gegangen wurde, schloss sich Otmar Szafnauer dem Team aus Enstone an und ersetzte Budkowski in seiner Funktion als 'Teamchef'. Die neue Partnerschaft erlebte zunächst einen vielversprechenden Start. Alpine hatte die neuen Formel-1-Regeln gut verstanden und präsentierte mit dem A522 das viertschnellste Auto im Feld. Allerdings konnte Szafnauer auf diesem Starterfolg nicht aufbauen. Zunächst sorgte das Wechsel-Debakel um Oscar Pistri für Unruhen, ein Jahr später enttäuschte Alpine mit Stagnation bei der Auto-Entwicklung und rutschte in der WM-Wertung auf Platz 6 ab. Folglich wurde auch Szafnauer entlassen und wird stand jetzt, interimsweise vom bisherigen Renault-Motorchef Bruno Famin ersetzt.

Das Prost-Rossi-Debakel

Ein weiterer Nebenkriegsschauplatz spielte sich auf der obersten Ebene im Alpine-Management ab. Alain Prost, der seit dem Jahr 2017 als Berater beim Formel-1-Team angestellt war, zoffte sich öffentlich mit dem im Jahr 2021 installierten Alpine-CEO Laurent Rossi. Die Folge: Der 51-fache Grand-Prix-Sieger verließ Alpine im Januar 2022. "Laurent Rossi wünscht sich, allein zu sein und nicht von anderen gestört zu werden. Er hat mir gesagt, dass er keinen Rat mehr braucht", stellte Prost im Anschluss unmissverständlich klar. Rossi selbst äußerte sich zu den Aussagen bis heute nicht.

Der Rücktritt von Alain Prost bei Alpine war von zahlreichen Nebengeräuschen begleitet, Foto: LAT Images
Der Rücktritt von Alain Prost bei Alpine war von zahlreichen Nebengeräuschen begleitet, Foto: LAT Images

Doch auch Laurent Rossi ist mittlerweile nicht mehr bei Alpine beschäftigt. Nach einem Interview im März 2023, in dem der damalige CEO sein Team unter anderem als "amateurhaft" bezeichnete, zog Renault-CEO Luca de Meo die Reißleine und versetzte Rossi innerhalb des Konzerns.

Alpine-Motorsportchef Bruno Famin in der Pressekonferenz des Belgien-GPs.
Kann Bruno Famin Alpine wieder nach vorne bringen?, Foto: LAT Images

Bruno Famin: Der neue starke Mann - endlich Konstanz?

Aktuell ist Bruno Famin der neue starke Mann bei Alpine. Der Franzose übernahm, neben seiner Tätigkeit als Renault-Motorchef, sowohl die Rolle des Teamchefs als auch die des Motorsportchefs. Ihm sitzt mit Philippe Krief ein neuer CEO mit Ferrari-Vergangenheit vor. Doch im Vergleich zu den Vorjahren sind im Alpine-Management deutlich weniger Positionen besetzt. Bedeutet: Famin hat den Großteil der Kontrolle über Alpine übernommen und soll das einstige Weltmeisterteam wieder zu altem Glanz führen. Aus zu vielen Köchen, die in der Vergangenheit die Alpine-Suppe oft versalzt haben, wurde durch Famin eine einzige Person. Im Formel-1-Fahrerlager ist er zwar hoch angesehen, doch auch Famin wird Zeit und Konstanz brauchen, um langfristig mit Alpine erfolgreich sein zu können.