Das Formel-1-Wochenende in Baku steht am Sonntag vor seinem Höhepunkt. Nach Sprint-Shootout und Sprintrennen steht der vierte Grand Prix des Jahres an - und das mit wilden Vorzeichen. Max Verstappen hatte bisher nichts zu melden und schiebt mächtig Frust. Der wiedererstarkte Ferrari-Star Charles Leclerc und Teamkollege Sergio Perez tanzen dem Weltmeister auf der Nase rum, und auch Mercedes-Fahrer George Russell trieb am Samstag schon seinen Puls in die Höhe. An der Spitze war in diesem Jahr noch nie so viel Zündstoff geboten. Das sind die Schlüsselfaktoren für den Aserbaidschan GP 2023. Das ganze Rennen der Formel 1 heute in Baku gibt es hier im Liveticker.
1. - S wie Startaufstellung
Der Sprint lieferte mit einer ähnlichen Konstellation im Grid einen guten Vorgeschmack auf den im Grand Prix bevorstehenden Kampf. Charles Leclerc wird auch am Sonntag von der Pole starten, nachdem er dem Baku City Circuit im Qualifying am Freitag das dritte Jahr in Folge seinen Stempel aufdrückte. Statt Sergio Perez wird allerdings Max Verstappen neben ihm in Startreihe eins stehen. Der Mexikaner landete einen Rang dahinter und teilt sich Reihe zwei mit Carlos Sainz. Für Leclerc sind das gute Nachrichten, denn im Sprint konnte ihn sein Ferrari-Teamkollege nicht unterstützen.
Im Verfolgerfeld ist ebenfalls für Spannung gesorgt. Der am Samstag stark aufgelegte George Russell muss nach seinem enttäuschenden Q2-Aus im Zeittraining als Elfter starten. Mit Lando Norris, Yuki Tsunoda und Oscar Piastri finden sich drei Mittelfeldvertreter in einer ungewohnten Kombination in den Top-10 wieder. Die üblichen Verdächtigen wie das Alpine-Duo oder Nico Hülkenberg stehen deutlich weiter hinten. Vor allem Pierre Gasly und Esteban Ocon könnten für eine interessante Dynamik sorgen. Bei den Franzosen lief an diesem Wochenende bisher nichts.
2. - S wie Start
Der Start in Baku ist zweifelsohne eine der heißesten Angelegenheiten der Saison. Bis zum ersten Bremspunkt sind es nur 138 Meter. Lewis Hamilton machte hier beim Restart 2021 einen verhängnisvollen Fehler. In Kurve eins gibt es viel zu verlieren, aber scheinbar noch mehr zu gewinnen. Wie sonst könnte ein erbittertes Duell wie das zwischen Max Verstappen und George Russell zustande kommen? Das Feld muss sich bis Kurve sieben durch Stop-and-Go-Passagen arbeiten, die verführerisch viel Raum für Überholmanöver bieten.
Das Grid verspricht in seiner Zusammensetzung diesmal besonders viel Zündstoff. Charles Leclerc musste sich im Sprint zwar Sergio Perez geschlagen geben, doch als König von Baku zeigt er der Konkurrenz trotzdem schon das gesamte Wochenende über den Diffuser. Für seinen größten Rivalen wird das am Sonntag sicher ein besonderer Ansporn sein. Max Verstappen hatte an den ersten beiden Veranstaltungstagen nichts zu feiern und könnte mit einem schnell entschlossenen Manöver in Kurve eins seinem Wochenende eine neue, erfolgreiche Richtung geben.
3. - S wie Stresstest
Max Verstappen hatte in Baku bisher kein gutes Wochenende und lässt die ganze Welt daran teilhaben. Die Ansprüche des zweimaligen Weltmeisters sind durch die Erfolge der vergangenen Jahre gestiegen, was sich in seiner niedrigen Frustrationsschwelle bemerkbar macht. Früher zeichnete Verstappen sein Stoizismus aus. In schwierigen Situationen wurde gehandelt statt gemeckert. Mittlerweile ist das anders. Wenn es nicht nach seinem Geschmack läuft, ist der Niederländer deutlich schneller am Funk und dabei gelinde gesagt ausgesprochen kommunikativ.
Das Baku-Wochenende zerrt für jeden erkennbar an seinen Nerven. Nach seiner Bestzeit im ersten Training gab er in keiner der darauffolgenden Sessions den Ton an. Die Auseinandersetzung mit George Russell im Sprint und seine vernichtende Kritik am Wochenendformat muten wie ein Ausdruck der allgemeinen Unzufriedenheit an. Nun bleibt ihm nur noch der Sonntag, um den Grand Prix von Aserbaidschan doch noch als Erfolg verbuchen zu können, und der Champion wird mit ordentlich Druck auf dem Kessel ins Rennen gehen.
4. - S wie SingStar
Zugegeben, Charles Leclerc singt nicht, er spielt Klavier. Doch nachdem er erst diese Woche mit seinem ersten musikalischen Meisterstück die Charts enterte, zeigt er in Baku endlich auch wieder, was er am besten kann. Nach seinem Horror-Saisonstart hätte es keinen besseren Zeitpunkt für die nächste Senna-esque Pole Position der monegassischen Qualifying-Maschine geben können. Ferrari hat zweifelsohne einen Schritt gemacht, doch dass der Fahrer im Kampf gegen Red Bull den Unterschied machte, musste sogar Teamkollege Carlos Sainz neidlos anerkennen.
Im Rennen wird er es schwer haben, sich gegen Red Bull zu behaupten, zumal Baku nicht nur sein Revier ist. Sergio Perez zeigte als ausgewiesener Stadtkurs-Spezialist erst am Samstag, das auch mit ihm zu rechnen ist. Dennoch war Leclerc lange nicht mehr in der Position, es mit den Weltmeistern aufzunehmen. Sein letzter Sieg datiert auf den 10. Juli 2022. Beim Großen Preis von Österreich stand er letztmals ganz oben auf dem Podest. Das Pole-Sieg-Verhältnis von 19:5 könnte ein Update vertragen - und warum nicht in Baku?
5. - S wie Seuche
Kein schönes Wort, aber bei Alpine an diesem Wochenende in jeder Hinsicht passend. Die Franzosen standen am Freitag mit dem falschen Fuß auf, als das Auto von Pierre Gasly schon im Training in Flammen aufging. Für den ehemaligen Red-Bull-Schützling ging das Debakel mit einem Unfall samt Q1-Aus im Qualifying weiter. Der Samstag brachte kaum Besserung mit sich. Im Sprint-Shootout legte ihn ein kaputter Auspuff lahm. Er wird am Sonntag als Vorletzter starten.
Für Esteban Ocon sieht es nicht besser aus. Zwar wurde er vom Defektteufel weniger geplagt, doch für ihn steht ein Start aus der Boxengasse an. Alpine musste nach dem Shootout einsehen, dass das im Training festgelegte Setup ein Irrweg war. Die Aussichten waren für den Grand Prix derart düster, dass sich das Team entschied, die Parc-fermé-Regeln zu brechen und den Start am Ende des Feldes in Kauf zu nehmen.
6. - S wie Strategie
So spannend die Unvorhersehbarkeit des Sprints anmutet, an diesem Wochenende könnte sie für ein langweiliges Nachspiel sorgen. Der Baku City Circuit hat jederzeit das Potential für Action, aber in Sachen Strategie gibt es am Sonntag kaum Überraschungspotential. Die Teams hatten im Sprint über 17 Runden die Möglichkeit, sich ein Bild vom Reifenverschleiß zu machen. Da der Sprint nicht mehr das Grid für den Sonntag bestimmt und genug Fahrer außerhalb der Top-8 ohnehin nichts zu gewinnen hatten, wurde die Session bei ihnen kurzerhand zum dritten Training umfunktioniert, um Erkenntnisse über die Reifenperformance zu sammeln.
Der Soft-Reifen fiel selbst auf der kurzen Distanz gnadenlos durch und auch beim Medium-Compound scheint das Durchhaltevermögen begrenzt zu sein. "Der Medium-Reifen hat sich gut gehalten, aber ohne das Safety Car wäre es vielleicht schwierig geworden", so Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin. Von Pirelli wird dementsprechend eine Einstopp-Strategie als erfolgversprechendste Variante vorgeschlagen. Der Medium-Reifen soll im ersten Stint für 13 bis 18 Runden genutzt werden, danach ist bis zur Zielflagge in Runde 51 der harte Reifen vorgesehen. Eine Zweistopp-Strategie soll sich nur im Falle einer Neutralisierung auszahlen.
7. - S wie Safety Car
Mit einer Neutralisierung ist beim Grand Prix von Aserbaidschan mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Der Highspeed-Stadtkurs legte 2016 ein unspektakuläres Debüt im Formel-1-Kalender hin, entschädigte in den darauffolgenden Jahren aber mit denkwürdigen Grands Prix. Seit 2017 musste Bernd Mayländer mit dem Führungsfahrzeug acht Mal ausrücken - zuletzt im Sprint, nachdem Yuki Tsunoda schon in der Startrunde für Kleinholz gesorgt hatte. Statistisch gibt es in Baku etwa anderthalb Safety-Car-Phasen pro Rennen. In den Jahren 2017 und 2021 waren zwei Rennabbrüche mit der roten Flagge notwendig.
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