Bis zum Australien-GP 2023 gab es in der Formel 1 noch nie drei rote Flaggen in einem einzigen Rennen. Doch der GP im Albert Park setzte neue Maßstäbe. Der erste Abbruch erwischte Mercedes-Pilot George Russell auf dem falschen Fuß. Der Rennführende bog zu Beginn der Safety-Car-Phase in die Boxengasse ab und wurde bis auf die siebte Position zurückgereicht. Sein Pech: Wenige Minuten später wurde das Rennen abgebrochen und unter Roter Flagge konnten alle Teams ohne Zeitverlust ihre Pneus wechseln.

Dadurch erfüllten sie die Vorgabe, zwei unterschiedliche Reifensätze in einem Rennen verwendet zu haben und sparten sich einen Stopp. Nicht zum ersten Mal wurde Mercedes dieser Passus zum Verhängnis. Beim Formel-1-GP in Saudi-Arabien 2021 stoppten Hamilton und Bottas in Führung liegend unter Safety Car, nur kurze Zeit später gab es Rot. Max Verstappen profitierte damals davon und übernahm boxenstoppbereinigt die Führung.

Auch was Unterbrechungen im Qualifying angeht, gibt es deutliche Unterschiede zwischen dem Regelwerk der Formel 1 und anderen Rennserien. Falls ein Pilot in der Formel 1 eine Rote Flagge oder eine Gelbphase auslöst, bleibt das ungesühnt und der Verursacher kann möglicherweise sogar Profit daraus schlagen, wie 2022 Sergio Perez beim GP in Monaco oder George Russell in Brasilien bewiesen. Sind diese Regeln unfair? Motorsport-Magazin.com zeigt, wie andere Serien Reifenwechsel unter Roter Flagge handhaben.

Langstrecke: WEC & IMSA

In der Langstrecken-WM wird die Boxengasse bei einer Rot-Unterbrechung geschlossen. Reifenwechsel sind genauso nicht erlaubt wie Fahrerwechsel, Nachtanken oder Reparaturarbeiten. Die einzige Ausnahme gilt, falls der Rennleiter aus Sicherheitsgründen vor dem Restart einen Reifenwechsel erlaubt. Ein Szenario wie in der Formel 1 wäre also in der WEC nicht möglich. Die IMSA handhabt es ähnlich: Arbeiten am Auto sind nur in Ausnahmefällen mit Genehmigung der Rennleitung erlaubt.

Im Qualifying vermeidet man auf der Langstrecke das Perez-Szenario: Falls ein Pilot eine Rote Flagge verursacht, werden einige oder sogar alle seine Rundenzeiten aus der Session gestrichen. Die Stewards können "außergewöhnliche Umstände" geltend machen und diese Regel außer Kraft setzten. Außerdem darf ein Fahrer, der Rot verursacht hat, nicht mehr an der Session teilnehmen. Die IMSA lässt den Stewards etwas weniger freie Hand, (Mit)-Verursachern einer Rotphase können bis zu zwei schnellste Runden aberkannt werden.

Abbruch in der WEC: Die Autos parken, Foto: LAT Images
Abbruch in der WEC: Die Autos parken, Foto: LAT Images

DTM

Reifenwechsel sind in der DTM grundsätzlich während einer Rotphase erlaubt. Allerdings wird dieser Tausch dann nicht als Pflicht-Boxenstopp gewertet. Das bedeutet: Fahrer, die unter Rot ihre Pneus getauscht haben, müssen sowieso nochmal an die Box. Mehr als ein Reifentausch pro Rennen waren in der DTM in der Michelin-Ära sowieso eine Seltenheit. Ab 2023 liefert Pirelli die Reifen an die DTM, vermutlich wird sich die Reifenstrategie aber auch mit den Italienern nicht grundsätzlich ändern.

Im Qualifying ist man auch in der GT3-Serie einen Schritt weiter als die Formel 1. Die schnellste Runde wird automatisch gestrichen, falls ein Fahrer für einen Abbruch verantwortlich ist, beim Verursachen einer weiteren Rotphase durch denselben Piloten verliert der betreffende Fahrer sämtliche Runden und darf am restlichen Qualifying nicht mehr teilnehmen.

Indycar & NASCAR

Im US-Sport agiert man unter Rot wie die WEC. Wie im amerikanischen Motorsport üblich wird in der NASCAR und der Indycar die Boxengasse bereits unter Gelb geschlossen, das gilt natürlich auch für Rotphasen. In der NASCAR ist das Reglement besonders klar: Das Auto überhaupt zu berühren ist nicht zulässig, geschweige denn Arbeiten daran vorzunehmen. Das gilt auch für Autos, die - etwa zur Reparatur oder aufgrund von Defekten - in der Garage stehen.

Die Indycar handhabt es ähnlich: Mit Erlaubnis der Rennleitung dürfen nur in Ausnahmefällen Arbeiten oder Reifenwechsel vorgenommen werden, in diesem Fall muss ein Fahrer beim Restart von ganz hinten starten. Falls man diese Erlaubnis nicht einholt, droht umgehend eine Disqualifikation. Die Indycar bestraft den Verursacher einer Unterbrechung mit der Löschung seiner zwei schnellsten Zeiten und einem Ausschluss aus dem verbleibenden Qualifying.

Formel E

In der Formel E ist Reifenwechsel unter Rot kein so großes Thema, da es in der Elektroserie in der Regel zu keinen geplanten Boxenstopps kommt. Die Regelung der Serie ist dennoch einzigartig. Interessanterweise erlaubt die Formel E Reifenwechsel nur, falls die Strecke offiziell als "Wet Track", also nasse Strecke, deklariert wurde und das obwohl die FE einen Allwetter-Reifen verwendet. Im Qualifying ist die Regelung zwar nicht ganz so strikt wie in der WEC, die Stewards haben aber auch hier die Freiheit, dem Verursacher einer Unterbrechung die Rundenzeit abzuerkennen.

Dieser Unfall sorgte 2019 beim Formel-E-Rennen in Rom für eine rote Flagge., Foto: Youtube/Screenshot
Dieser Unfall sorgte 2019 beim Formel-E-Rennen in Rom für eine rote Flagge., Foto: Youtube/Screenshot

MotoGP

Die Formel 1 und die MotoGP haben nicht nur gemeinsam, dass ein Rennen nach einer Roten Flagge stehend neu gestartet wird. Genauso wie in der Königsklasse der Vierräder ist es auch in der Motorrad-WM erlaubt unter Rot seine Reifen zu tauschen. Die Bikes dürfen außerdem repariert und gar gewechselt werden. Nachtanken ist in der MotoGP ebenfalls unter Rot erlaubt. Auch im Qualifying sind die Regelwerke ähnlich: Beim Verursachen einer Roten oder Gelben Flagge werden keine Runden aberkannt.