Der Kalender für die Formel-1-Saison 2023 ist endlich fix, nachdem bis zum 17. Januar nicht feststand, ob es ein Ersatzrennen für den abgesagten China-GP geben wird. Trotz der ersatzlosen Streichung des Grand Prix, ist eine Rekord-Saison von 23 Rennen geplant.

Insgesamt acht von diesen 23 Grands Prix werden auf Stadtkursen ausgefahren, also mehr als ein Drittel. Nachdem der F1-Tross bereits im Vorjahr sieben Mal auf temporären oder semi-temporären Strecken Station machte, kommt in der Formel-1-Saison 2023 noch der Große Preis von Las Vegas dazu.

Formel 1: Woher kommt der Stadtboom?

Die Formel 1 erhöht damit den ohnehin gültigen Höchstwert aus dem Vorjahr. Auch prozentuell gesehen ist es ein Rekordwert in der Geschichte der Königsklasse. Der Gedanke hinter einer Expansion des Formel-1-Kalenders auf Stadtstrecken anstelle von klassischen Rundkursen ist einfach: Die Königsklasse verkürzt damit die Anfahrtszeiten von potenziellen Zuschauern zu den Rennen und profitiert von der städtischen Logistik.

Dazu kommt noch ein erhöhter Marketingwert. Für die Königsklasse und die Rennpromoter wäre es billiger, in den USA eine der zahlreich vorhandenen Rennstrecken auf F1-Niveau zu heben oder wie zwischen 2000 und 2007 den Infield-Kurs in Indianapolis zu nutzen. Standorte wie Miami oder Las Vegas schaffen aber mehr Aufmerksamkeit als Strecken weit ab vom Schuss, liefern ein aufregenderes Ambiente und erreichen Personengruppen, die über die klassischen F1-Fangemeinde hinausgehen.

Mike Häkkinen: F1-Rennen vom Balkon aus ansehen

Ex-Formel-1-Weltmeister fasste den Reiz von Straßenkursen in der britischen TV-Sendung Top Gear zusammen. "Wir wissen, dass die Städte so viele Attraktionen für die Fans bieten können. Sie haben Restaurants, Einkaufszentren und schöne Hotels. Die Leute können sich das Rennen von ihrem Balkon aus ansehen", so der zweifache McLaren-Champion.

2008 nahm der derzeitige Stadtkurs-Boom in der Königsklasse seinen Anfang. Damals debütierten Valencia und Singapur, nachdem zuvor zwölf Jahre lang kein einziges Rennen auf einem temporären Kursen neu in den Rennkalender kam. Der Marina Bay Stree Circuit ist inzwischen nicht mehr aus einer F1-Saison wegzudenken, Valencia hielt sich nur fünf Jahre. Noch kürzer blieb der Korea International Circuit im Kalender, der eigentlich abschnittweise als Straßenkurs konzipiert war. Die geplant "Stadt" rundherum, wurde aber nie gebaut.

Während Projekte in Vietnam oder New York ohne einen einzigen Grand Prix scheiterten, wurde Baku 2016 ein fixer Bestandteil des Kalenders. Saudi-Arabien, Miami und Las Vegas zogen nach dem Ende der Corona-Pandemie nach. In Zukunft soll auch der Katar-GP vom Losail International Circuit auf Stadtstraßen umziehen, ein Zeitpunkt dafür ist aber noch nicht fix.

Die Formel 1 erobert US-Städte: Wie in den 80er-Jahren

In der Geschichte der Königsklasse ist diese Flut von klassischen Straßenkursen nicht ganz beispiellos. Zwar sind die Formel-1-Saisonen 2023 und 2022 prozentual gesehen jene mit der höchsten Dichte an Stadtrennen, aber Anfang der 80er-Jahre gab es bereits einmal einen ähnlichen Boom an Stadtkursen, der ebenfalls durch eine Expansion in die USA verursacht wurde.

Die Formel-1-Saison 1982 hielt lange den Rekord für die im Verhältnis zum Gesamt-Kalender meisten Rennen auf Straßenkursen. Insgesamt 5 der 16 Grands Prix in diesem Jahr fanden auf temporären Strecken statt. Neben Monaco zählten dazu vier in Nordamerika: Der Circuit Giles Villeneuve in Montreal, die Straßenstrecken in Detroit und Long Beach, sowie der Parkplatz-Kurs rund um das Ceasars-Palace-Casino in Las Vegas.

Mit Ausnahme von 1987, als Kanada aufgrund eines Sponsoren-Disputs eine Pause einlegte, ging zwischen 1981 und 1991 immer ein Viertel der Rennen auf Stadtkursen über die Bühne (4 von 16). Austragungsorte waren in diesem Jahrzehnt neben den oben genannten in verschiedenen zeitlichen Abschnitten auch Adelaide, Phoenix und Dallas.

In den 90er- und 2000er-Jahren schwächte sich der Trend hin zu Straßenkursen ab. Während der Formel-1-Kalender bis 2007 sukzessive erweitert wurde, kam mit Melbourne nur eine einzige semi-temporäre Rennstrecke dazu, die mit Adelaide ebenfalls einen Stadtkurs ersetzte.

In der Frühgeschichte der Formel 1 waren Stadtstrecken übrigens eine absolute Rarität, die abgesehen vom Circuit de Monaco nur vereinzelt im offiziellen Formel-1-Kalender standen. Beispiele dafür sind Montjuic und Pedralbes im Stadtgebiet von Barcelona, sowie der Monsanto Park und der Boavista Circuit in Portugal.

Dennoch fanden in den 50er-Jahren bis zu 50 Prozent aller Formel-1-Rennen pro Saison auf temporären Strecken statt, vor allem auf Landstraßen. Erst langsam wurden diese Kurse durch "echte" Rennstrecken ersetzt. 1972 verschwand mit dem Circuit de Charade diese Art von Grand-Prix-Austragungsstätten aus der Formel 1.

Formel 1: Die Saisonen mit den meisten Stadtrennen

SaisonStraßenkurse*Anzahl GPsAnteil
1202382334,78%
2202272231,82%
3198251631,25%
4200851827,78%
5198341526,67%
5198141526,67%
7201151926,32%
7201051926,32%

* = Rennen auf temporären oder semi-temporären Strecken innerhalb einer Stadt