Bei noch sechs verbliebenen Rennen in der Saison 2022 scheint eine Niederlage Ferraris in beiden Weltmeisterschaften unausweichlich. Zu groß ist der Abstand auf Red Bull und Max Verstappen. Eine ernüchternde Bilanz, hatte die Saison noch mit größten Hoffnungen auf den ersten WM-Titel seit vielen Jahren begonnen.

Dabei stellte sich Ferrari in viele Situationen selbst ein Bein. Sei es vor allem auf strategischer, aber auch auf fahrerischer Ebene. Gründe, weshalb viele etwa das Aus von Ferrari-Teamchef Mattia Binotto forderten.

Ex-Ferrari-Präsident schützt Binotto, fordert aber Neuausrichtung

Keine Personalie stand in der Saison mehr unter Beschuss als Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. Schließlich fehlen in der Saison noch 6 verbliebenen Rennen in der Teamwertung ganze 139 Punkte auf Konkurrent Red Bull. Nach einem fulminanten Saisonbeginn muss sich die Scuderia sogar mehr auf das hinter ihnen lauernde Mercedes konzentrieren.

"Sollte der Teamchef gewechselt werden? Wer bin ich, das zu beantworten", erklärte Ex-Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo in einem Interview mit der französischen 'L'Équipe' vor dem Italien GP in Monza. Der Italiener leitete da Team zwischen 1991 und 2014.

Wenngleich sich Di Montezemolo um die aktuelle Situation Ferraris bewusst ist, stärkte er Binotto stattdessen sogar den Rücken: "Ferrari hat ein sehr konkurrenzfähiges Auto gebaut. Eine Person allein gewinnt keine WM-Titel. Die Formel 1 ist ein Teamsport."

Für den Italiener macht sein Landsmann sogar einiges richtig, zumal er sein Team immer zu schützen versucht. "Er fängt für seine Leute jede Kugel ab", so Di Montezemolo, der dennoch leichte Zweifel durchblicken lässt. "Du musst Fehler verstehen und sie dann wieder aufräumen. Binotto ist ein exzellenter Technischer Direktor, die Rennabteilung von Ferrari zu führen ist etwas ganz anderes." Vor seiner Zeit als Teamchef agiert Binotto nämlich als Technikchef bei der Scuderia und hatte eine Zeit lang sogar beide Positionen inne.

Ferrari hat mit einem WM-Kampf nicht mehr viel zu tun, Foto: LAT Images
Ferrari hat mit einem WM-Kampf nicht mehr viel zu tun, Foto: LAT Images

Auch für den 75-Jährigen di Montezemolo ist eine Veränderung im Team absolut notwendig. Sich dabei alleine daran zu orientieren, wie es die Konkurrenz aus dem Hause Mercedes oder Red Bull macht, sei aber keine Lösung. "Wir müssen uns neu erfinden, eine neue eine Dynamik kreieren."

Ferrari sollte sich außerhalb der Formel 1 umsehen

Alles andere als eine leichte Aufgabe, erklärte Luca di Montezemolo gleichzeitig. "Ferrari ist wie die italienische Flagge ein nationales Monument. Bevor ich Jean Todt 1993 nach Maranello holte, habe ich über die Entscheidung lange nachgedacht. In den Medien gab es einen riesen Zirkus."

Und so etwas rät Luca di Montezemolo nun auch Ferrari. "Wenn ich nach einem neuen Boss suchen würde, würde ich außerhalb der Formel 1 Ausschau halten." Schließlich war Jean Todt in der Rallye tätig, bevor er bei Ferrari die Position des Teamchefs übernahm.

Doch was müsset ein Teamchef bei dem italienischen Traditionsrennstall können? "Du brauchst Leidenschaft und Hingabe. Du musst Tag und Nacht präsent sein. Du musst in einem Ansatz, dein Team zu unterstützen, sehr politisch sein. Du musst stark sein und dein Team zusammenhalten", betonte der Italiener.