80 Punkte Rückstand hat Ferrari-Pilot Charles Leclerc mittlerweile auf Titelverteidiger Max Verstappen aufgerissen. In der Konstrukteurswertung liegt die Scuderia sogar 99 Punkte hinter den Roten Bullen zurück. Gibt es angesichts dieser Rückstände überhaupt noch Hoffnung für Maranello? Wir haben uns die Formel-1-Historie angesehen und es gibt sehr wohl von beeindruckenden Aufholjagden zu berichten. Wie oft waren diese vom Titelgewinn gekrönt und welche Umstände halfen den Jägern?
2012: Sebastian Vettel schnappt sich Fernando Alonso
Nach dem dominanten WM-Sieg 2011 tat sich Sebastian Vettel im Folgejahr zunächst schwer, seinen Titel zu verteidigen. In den ersten 13 Rennen gelang dem Heppenheimer im Red Bull nur ein Sieg. Nach dem Deutschland Grand Prix betrug sein Rückstand auf Fernando Alonso im Ferrari 44 Punkte. Auch Teamkollege Mark Webber lag noch 10 Punkte vor dem Deutschen und hatte bereits zwei Siege einfahren können. Nach der Europa-Saison setzte Vettel zum Gegenschlag an. Von Singapur bis Indien gewann der Red-Bull-Pilot vier Rennen in Folge und zog so noch an Alonso vorbei. In einem dramatischen Finale in Brasilien rettete Vettel einen Vorsprung von drei Punkten gegenüber seinem spanischen Konkurrenten ins Ziel.
Bei Vettels Aufholjagd half ihm vor allem die bessere Pace seines RB8 gegenüber dem Ferrari Alonsos. Nach der Sommerpause gelang es Adrian Newey das Auto besser an Vettels Fahrstil anzupassen und der Fahrer dankte es mit einer Siegesserie. Von der Unzuverlässigkeit seines Gegners hingegen profitierte Vettel nicht im Geringsten. Im Gegenteil: Während Fernando Alonso das ganze Jahr über keinen technischen Defekt erlitt, verlor Vettel einen sicher geglaubten Sieg in Valencia aufgrund einer defekten Lichtmaschine.
2007: Kimi Räikkönen nutzt Lewis Hamiltons Misere
Die Saison 2007 sah zunächst nach einem Zweikampf der beiden McLaren-Piloten Fernando Alonso und Rookie Lewis Hamilton aus. Obwohl die Ferraris von Kimi Räikkönen und Felipe Massa den Speed für Siege hatten, punkteten die beiden Chrompfeile zunächst deutlich konstanter. Nach dem USA Grand Prix betrug Räikkönens Rückstand auf Hamilton bereits 26 Punkte, wohlgemerkt nach dem alten Punktsystem mit 10 Punkten pro Sieg. Zu diesem Zeitpunkt lag der Finne auch noch hinter seinem brasilianischen Teamkollegen und damit nur auf Platz 4 in der Weltmeisterschaft.
In der zweiten Saisonhälfte setzte Räikkönen jedoch zur Aufholjagd an. Mit 7 Podestplätzen in den letzten 7 Rennen, darunter 3 Siege, gelang dem Ferrari-Piloten doch noch der WM-Titel. Dank seiner 110 Punkte hatte er jeweils einen mehr auf dem Konto als die beiden McLaren-Piloten. Dennoch ging der Titelkampf von 2007 vor allem als einer in die Geschichte ein, den Lewis Hamilton verlor. Nach seinem Sieg in Japan hatte der Brite zwei Rennen vor Schluss 17 Punkte Vorsprung auf Räikkönen. Doch in China rutschte er auf abgefahrenen Reifen in der Boxeneinfahrt ins Kiesbett und in Brasilien wurde er nach technischen Problemen nur Siebter. Der sicher geglaubte WM-Titel ging nach Maranello.
2006: Michael Schumacher zieht mit Alonso gleich und verliert am Ende doch
Die erste Saisonhälfte des Jahres 2006 wurde von Titelverteidiger Fernando Alonso dominiert. Der Renault-Pilot wurde in den ersten neun Rennen immer Erster oder Zweiter. Sein Rivale Michael Schumacher hatte trotz guter Ergebnisse nach dem Kanada-Grand-Prix einen Rückstand von 25 Punkten auf den Spanier. Dann folgte die Aufholjagd des Rekordchampions. Schumacher gewann in der zweiten Saisonhälfte fünf Rennen, während Alonso nurmehr einen Sieg in Japan holen konnte.
Genau bei diesem Sieg Alonsos war zuvor Schumachers Ferrari-Motor und damit auch sein WM-Traum geplatzt. Bei seinem 91. und letzten Formel-1-Sieg in China ein Rennen zuvor hatte der Ferrari-Pilot Punktegleichstand mit Alonso hergestellt. Als Grund für Schumachers Aufholjagd gilt das Verbot des sogenannten Massedämpfers von Renault. Das Bauteil stabilisierte die Front des R26 und damit auch die Aerodynamik. Die FIA wertete das System als bewegliches Aerobauteil und verbannte es ab dem Deutschland Grand Prix aus den Autos. Von da an war der Ferrari zumeist das schnellere Auto.
2000: Mika Häkkinen nutzt Schumachers Pannenserie und sorgt für Spannung
Michael Schumacher legte in der Saison 2000 einen Traumstart hin. Der Ferrari-Pilot gewann die ersten drei Rennen allesamt. Sein Rivale Mika Häkkinen im McLaren-Mercedes hingegen fiel zweimal aus und wurde in San Marino Zweiter. Damit lief er nach nur drei Rennen einem Rückstand von 24 Punkten hinterher. Dem Titelverteidiger gelang es zunächst nicht, daran etwas zu ändern. Auch nach dem achten Saisonrennen in Kanada betrug der Abstand 24 Punkte.
Dann verhalf Häkkinen jedoch eine unglaubliche Pannenserie Schumachers zur Chance auf den WM-Titel. Drei Rennen in Folge sah der Kerpener nicht die Zielflagge. In Frankreich stoppte ihn ein Motorschaden. In Österreich und Deutschland wurde er bereits am Start in Kollisionen verwickelt. Häkkinen wusste dies zu nutzen und gewann auch die beiden folgenden Rennen, u.a. mit einem legendären Überholmanöver in Spa. Nach dem Rennen in Belgien führte der Finne die Meisterschaft mit sechs Zählern an. Doch Michael Schumacher schlug eindrucksvoll zurück. Die letzten vier Grand Prix gewann er allesamt und erlöste so Ferrari mit dem ersten Fahrertitel seit Jody Scheckter im Jahre 1979.
1994: Damon Hill kommt dank Benettons Kontroversen auf einen Punkt heran
Eigentlich sollte Ayrton Senna 1994 für Williams den Titel einfahren, doch die brasilianische Formel-1-Legende verstarb am tragischen dritten Rennwochenende in Imola. Dadurch war es plötzlich Damon Hills Aufgabe, die Kohlen für Williams aus dem Feuer zu holen. Die Mission Titelgewinn schien für den Sohn von Graham Hill zunächst jedoch unmöglich, denn Michael Schumacher und Benetton dominierten die erste Phase der Weltmeisterschaft 1994 nach Belieben. Nach sieben Rennen standen bei Schumacher sechs Siege zu Buche. Nur in Spanien konnte Hill gewinnen, nachdem Schumachers Getriebe im fünften Gang stecken blieb. Nach dem Frankreich Grand Prix war der Benetton-Pilot satte 37 Punkte voraus.
Schumacher und Benetton machten in den nächsten Rennen jedoch mit zahlreichen Kontroversen die Türe für eine Aufholjagd Hills weit auf. In Silverstone und Spa wurde Schumacher disqualifiziert. Für die Rennen in Monza und Estoril erhielt der Deutsche dann sogar eine Rennsperre. Alle vier Rennen konnte Hill gewinnen. Letztlich ging Schumacher mit nur noch einem mickrigen Pünktchen Vorsprung in das WM-Finale in Adelaide. Dort kam es zu einer, nicht gerade unumstrittenen, Kollision zwischen den Rivalen. Da beide Piloten nicht weiterfahren konnten, wurde Schumacher erstmals Weltmeister. Williams hingegen fing Benetton noch ab und konnte sich den Konstrukteurstitel sichern.
Fazit: Kann Ferrari den Spieß noch umdrehen?
Abgesehen von Vettels Triumph 2012 haben alle Aufholjagden eine entscheidende Komponente aufzuweisen: Probleme beim jeweiligen Gegner. Egal ob sie hausgemacht waren, wie im Falle von McLaren 2007 und Benetton 1994, einfach durch Pech zustande kamen, wie bei Schumacher 2000, oder die Regelhüter dem führenden Renault-Team 2006 einen Strich durch die Rechnung machten: Immer konnten die Jäger erst nach dem Einsetzen der Probleme der Führenden entscheidend Punkte gutmachen. Nur Vettel drehte 2012 den Spieß einfach durch überlegene Pace um. Ferrari zeigte sich in der bisherigen Saison 2022 im Qualifying stärker als Red Bull, doch für das Rennen galt dies selten. Kann Leclerc es seinem ehemaligen Teamkollegen Vettel dennoch gleichtun und noch um die WM kämpfen? Sagt uns eure Meinung in den Kommentaren.
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