Einen 'Witz' nannte Max Verstappen die Debatte rund um Tracklimits in Österreich. Sein Teamchef Christian Horner fürchtet am kommenden Wochenende in Frankreich sogar noch mehr Probleme. Dabei gab es nach den Regeln des neuen Rennleiters Niels Wittich schon in Österreich 88 Vergehen! Ein Wahnsinn, dieser neue Rennleiter, oder?

Nein, Wahnsinn ist einzig und allein das, was Teams und Fahrer aufführen. Der Red Bull Ring hat ein Tracklimit-Problem? Ja, spätestens seit 2020. Beim Corona-Restart wurden nämlich die Wurst-Kerbs entfernt, damit sich in diesen schweren Zeiten ja niemand das Auto kaputtfuhr.

Über Wurst-Kerbs und deren Sicherheitsbedenken mag man diskutieren können, ihre Wirkung erzielten sie dort aber. Wenn ein Fahrer zu weit neben die Strecke fuhr, bezahlte er das mit einem kaputten Frontflügel.

Wurst-Kerbs sind nicht der Weisheit letzter Schluss, Foto: Motorsport-Magazin.com
Wurst-Kerbs sind nicht der Weisheit letzter Schluss, Foto: Motorsport-Magazin.com

Das Gejammer über extrem teure Reparaturen war jeden Trainingsfreitag am Red Bull Ring zu hören. Sicherlich waren die Wurst-Kerbs keine optimale Lösung. Sicherlich müssen die Strecken wieder so gestaltet werden, dass Fehler natürlich bestraft werden und nicht von Rennleitung und Stewards.

Aber solange die Strecken nicht so sind, geht es nicht anders. Streckenlimits einfach komplett außer Kraft setzen? Nein, das wäre zu gefährlich. Schließlich sind Auslaufzonen und Co. so ausgelegt, dass sie bei der homologierten Strecke funktionieren.

Tracklimits: Mal Linie, mal Kerb, mal gar nichts

Also muss man eingreifen. Nur wie? Genau diese Frage stellte sich die Formel 1 die letzten Jahre schon. Dabei forderte sie genau das, was sie jetzt von Rennleiter Niels Wittich bekam. Michael Masi versuchte es mit Kompromissen im Sinne des Sports. Dort, wo man sich einen Vorteil verschaffen konnte, wurden Zeiten gestrichen, wenn man die Linie überfuhr. Oder wenn man Kerb überfuhr? Je nach Strecke und Kurve wurde die Streckenbegrenzung individuell angepasst.

Das führte teilweise zu Verständnisproblemen, teilweise endete es im Chaos. Man erinnere sich an den Saisonstart 2021 in Bahrain, als während des Rennens die Regeln in Kurve vier verändert wurden. Es war quasi der Auftakt einer schwierigen Saison zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton.

Hamilton, Verstappen und Masi, das ist ein anderes Thema. Was die Formel-1-Welt seither aber von allen Seiten immer wieder forderte waren zwei Dinge: Einheitliche Entscheidungen und Regeln, die schwarz und weiß sind.

Und genau das hat die Formel 1 nun bekommen. Rennleiter Niels Wittich fackelt nicht lange herum: Die weiße Linie ist die Streckenbegrenzung und fertig - das war's. Nicht in einer Kurve der Kerb, in einer anderen die Linie und in der nächsten gar keine. Einfach die Linie, wie vom International Sporting Code vorgesehen und fertig.

Es ist eine für den Sport unschöne Lösung, aber eine alternativlose. Nur mit dieser Konsequenz kann verhindert werden, dass sich jemand einen Wettbewerbsvorteil erschleicht. Denn genau den gibt es, wenn man die Linie überfährt. Ingenieure suchen nach jeder Tausendstel. Das individuelle Verschieben eines Piloten der Streckenbegrenzung kann hier einen riesigen Unterschied ausmachen.

FIA bei Überwachung nicht auf Formel-1-Niveau

Ist mit Wittichs Herangehensweise das Problem nun gelöst? Nein. Denn Regeln müssen auch überwacht werden. In Österreich wurden die Tracklimits nur in den letzten beiden Kurve elektronisch überwacht. Der Rest wurde von sogenannten 'Judges of Facts', also Personen an der Strecke gemeldet oder via Streckenkameras überwacht. Personell ist es nicht einmal möglich, die Onboards jedes Autos zu überwachen - was ohnehin nichts bringen würde, weil die Onboard-Kameras schräg angebracht sind. Die Einhaltung der Streckenbegrenzung lässt sich so nicht überwachen.

Bei der Überwachung befindet sich die FIA gelinde gesagt in der Steinzeit. Nur so - und durch langsame Reaktion bei den Stewards - war es möglich, dass Sergio Perez erst nachträglich aus Q3 geflogen ist. Das ist amateurhaft und darf nicht passieren. Die Überwachung muss definitiv besser werden, aber in der Grundsatzdiskussion hat die Formel 1 genau das bekommen, was sie immer wollte: Eine klare Linie, die keinen Spielraum lässt.