Der China GP verkommt an diesem Wochenende zum Großen Preis der Abschiede: Takuma Sato verlässt British American Racing. Rubens Barrichello verlässt Ferrari. BMW trennt sich von Williams. Pierre Dupasquier geht in Rente. Das Qualifying fand zum letzten Mal in dieser Form statt. British American Racing erhält einen neuen Namen. Und die Ära der Zehnzylinder-Motoren in der Königsklasse findet ihr Ende.
Das ist aber noch nicht alles: Gleich drei Namen traditioneller Rennställe verschwinden an diesem Oktober-Wochenende des Jahres 2005 aus der Formel 1. Sauber, Jordan und Minardi verabschieden sich in eine von neuen Namen, Gesichtern und hoffentlich auch Erfolgen geprägte Zukunft.
Farewell: Sauber - Abschied von den Eidgenossen
Nach 13 Jahren Formel 1 tritt mit Sauber ein Weltmeister-Team von der F1-Bühne ab. Die Hinwiler durften zwar nie einen GP-Sieg oder gar einen F1-Titelgewinn feiern. Aber in der Sportwagen-WM gingen die Marken- und Fahrertitel der Jahre 1989 und 1990 an die Truppe von Peter Sauber. Zu den Piloten zählten damals auch die späteren F1-Piloten Karl Wendlinger, Heinz-Harald Frentzen sowie ein gewisser Michael Schumacher.
In der Königsklasse erarbeitete sich das Team auch ohne Werksunterstützung ein seriöses Image, welches letztlich nach 13 Saisons zur Grundlage des Deals mit dem neuen Eigentümer BMW wurde. Nicht ohne stolz dürfen die Schweizer also von sich behaupten, dass sie zuerst Mercedes nach 30 Jahren Abwesenheit zur Sportwagenrückkehr überredeten, dann mit ihnen in veränderter Form in die F1 einstiegen und nun nach neun Jahren mit Ferrari-Motoren die F1 mit einem Verkauf an die Bayerischen Motorenwerke wieder verlassen.
Im Laufe der Jahre ist Sauber zum Synonym für den Schweizer Automobilrennsport geworden. In der Zürcher Oberländer Gemeinde Hinwil, wenige Schritte von der Werkstatt entfernt, in der sich Peter Sauber 1970 als selbständiger Unternehmer etablierte, steht heute eine mit allen technischen Finessen ausgerüstete Rennwagen-Fabrik sowie einer der modernsten Windkanäle der F1-Welt.
Vor zwölf Jahren beschäftigte Sauber nur knapp 70 Angestellte, heute befassen sich im mehr als 8.000 Quadratmeter großen Hinwiler Entwicklungszentrum sowie im angrenzenden Windkanal 300 Spezialisten ausschließlich mit der Formel 1. Durch die BMW-Übernahme werden allein in den kommenden Monaten noch einmal 100 neue Mitarbeiter hinzustoßen.
Nach 215 Grand Prix möchte der Vater des Erfolges aber am liebsten heimlich, still und leise und ohne Pauken und Trompeten aus der Königsklasse entschwinden. Die große Show eines Eddie Jordan oder Paul Stoddart war noch nie die Welt des Peter Sauber.
"Natürlich gibt es bei solch einem Anlass viele Emotionen", gab der 62-Jährige zu. "Momentan bin ich noch zu beschäftigt. Aber gegen Ende des Jahres werde ich es sicherlich hin und wieder vermissen."
Seine zukünftige Rolle im BMW-Werksteam wird sich auf die des Anteilseigners, Beraters und Sponsorenbetreuers beschränken. Auf regelmäßige GP-Besuche und ein eigenes Büro verzichtet Sauber.
Seine schlimmste Erinnerung bleibt Karl Wendlingers schwerer Unfall in Monaco. "Da die F1 ein Sport ist, sind die schönsten Erinnerungen natürlich die sechs Podestplätze und der vierte Platz in der Konstrukteurs-WM 2001", benennt Peter Sauber seine Highlights aus 13 Jahren im Haifischbecken Formel 1.
Diesen größten Erfolg in der F1-GEshcichte seines Teams schaffte er mit einem jungen Fahrerduo, welches heute in aller Munde ist: Nick Heidfeld kehrt 2006 nach Hinwil zurück und Kimi Räikkönen ist mittlerweile doppelter Vizeweltmeister geworden. Und das obwohl Sauber seinerzeit hart für die Verpflichtung und die Superlizenz des Finnen kämpfen musste.
2006 mag der Name Sauber aus der Königsklasse verschwinden. Aber er wird mit Sicherheit niemals vergessen werden. Und vielleicht sorgt BMW ja schon im ersten Jahr nach Peter Sauber für den ersten GP-Sieg der Hinwiler und irgendwann einmal für einen Formel 1 Weltmeistertitel.
Farewell: Jordan - Rock on!
Wer erinnert sich nicht noch daran, als Eddie Jordan den Begriff "Boxenluder" salonfähig und unzählige gelb sowie knapp bekleidete junge Dame weltberühmt machte? Wer erinnert sich nicht noch daran, als Eddie Jordans Band V10 im Fahrerlager und auf Events für gelbe Power sorgte? Wer erinnert sich nicht noch daran, als wilde Tierlackierungen von der Schlange über die Hornisse bis hin zum Hai die gelben Fahrzeugschnauzen zierten? Und wer erinnert sich nicht noch daran, als Jordan als 'Best of the Rest' die Nummer 3 hinter McLaren und Ferrari darstellte?
Doch all dies ist vorbei. Der Rock'n'Roll ist tot. Zumindest bei Jordan. Denn während sich - man ist fast schon dazu geneigt zu sagen: Gott sei dank - mit Red Bull Racing ein würdiger Nachfolger für die Fun-Truppe von Crazy Eddie gefunden hat, ist das Ex-Team von Eddie Jordan im Midland-Übergangsjahr zu einem gelben Nichts verkommen.
War der sportliche Verfall bereits in den letzten Jahren unter der Führung des geschäftstüchtigen Iren nicht mehr zu übersehen und ebenso wenig abzuwenden, scheint die Lage beim Team aus Silverstone auch jetzt - nachdem der x-te Übernahmeversuch im Winter endlich geklappt hatte - nicht viel rosiger um die einstige Überraschungsmannschaft der Jahre 1998 und 1999 zu stehen.
So dürfen sich die Mechaniker schon lange nicht mehr über Grand Prix Siege, wie einst mit Damon Hill oder Heinz-Harald Frentzen, freuen, sondern winken sie mit den Worten "Es ist die Hölle" schwer getroffen ab.
Nach genau 250 Formel 1 Grand Prix findet die Teamgeschichte von Jordan GP am 16. Oktober dieses Jahres ihr Ende: Beim Großen Preis von China bestreiten Narain Karthikeyan und Tiago Monteiro den letzten WM-Lauf für die Gelben.
Der Inder und der Portugiese sind dabei die entfernten Nachfahren von Talenten wie Michael Schumacher, Eddie Irvine, Rubens Barrichello, Ralf Schumacher oder Takuma Sato, die vor einigen Jahren ihre F1-Karrieren in der Obhut von Eddie Jordan begannen. Und auch Stars wie Giancarlo Fisichella oder Jarno Trulli reiften nach ihren Debüts für Minardi in Silverstone zu besseren Rennfahrern.
Während der Teamgründer Eddie Jordan schon seit dem vergangenen Winter nicht mehr mit an Bord ist, haben es immerhin sieben Mitarbeiter geschafft dem Rennstall von der Gründung bis zum Namenswechsel die Treue zu halten. "1991 waren 19 Teams in die WM eingeschrieben", erinnert sich einer der Überlebenden, Marketing-Chef Ian Phillips zurück. "Deshalb mussten wir die erste Saisonhälfte eine Vorqualifikation bestreiten."
Innerhalb der ersten sieben Jahre des Jordan Teams verschwanden ganze 16 Rennställe aus der Königsklasse. Diese Überlebensquote sieht Phillips fast schon als den "fünften Sieg" des Teams an. "Eddie Jordans Charakter hat uns durch harte Zeiten gerettet und das Team wird uns immer wegen seines besonderen Flairs in Erinnerung bleiben."
Für Teamgründer Eddie Jordan ist der letzte Rennsonntag seines ehemaligen Rennstalls natürlich "ein sehr trauriger Tag": "Der größte Erfolg war schon immer das Überleben. Wir können auf unsere Leistungen stolz sein und es ist der richtige Moment um das Buch zu schließen."
Farewell: Minardi - Das Überleben gesichert
Seit Jahren betreibt das kleine, aber höchst sympathische Minardi Team einen finanziellen Hochseilakt ohne jedwedes Sicherheitsnetz. Man darf sogar so weit gehen und sagen, dass der von Gian Carlo Minardi gegründete Rennstall seit seinem F1-Einstieg ums nackte Überleben kämpft; und dies ohne jemals richtig die Chance gehabt zu haben Erfolge einzufahren.
Trotzdem erarbeitete sich das finanziell chronisch angeschlagene Team aus dem kleinen Faenza den Ruf einer Talentschmiede und Wundertruppe. Die Talentschmiede lässt sich schnell erklären: Neben unvergessenen Pay Drivern wie Alex Yoong oder Tarso Marques feierten auch spätere Top-Piloten und GP-Sieger wie Fernando Alonso, Mark Webber, Jarno Trulli oder Giancarlo Fisichella ihr F1-Debüt bei Minardi.
Für den Ruf der Wundermannschaft sorgten hingegen die Ergebnisse des Teams, welches trotz des Geldmangels, der fehlenden Testfahrten und der praktisch nicht vorhandenen Weiterentwicklung immer wieder für eine Überraschung gut war. Etwa als Fernando Alonso bei seinem ersten F1-Rennen beide Renault hinter sich ließ oder als Mark Webber bei seinem Debüt in Melbourne sensationell Platz 5 belegte! Für Teamboss Paul Stoddart war dies der "stolzeste Tag" in seinem Leben. "Nicht nur in der F1, in meinem ganzen Leben."
Kein Wunder also, dass die ehemaligen Minardi-Piloten noch immer auf ihr Ex-Team achten. "Ich bin sehr traurig, dass sie verschwinden werden", sagte Fisichella vor dem Abschiedsrennen der Minardi Truppe. "Die Atmosphäre dort ist fantastisch und wir haben sehr viel gelacht. Es ist ein großartiges Team und sie werden immer einen Platz in meinem Herzen haben."
"Minardi war schon immer ein leuchtendes Beispiel", fügte der erste von Minardi hervorgebrachte F1-Weltmeister Fernando Alonso hinzu. "Sie beziehen ihren Kampfgeist nicht aus der Macht des Geldes, sondern aus der Energie der Menschen die dort arbeiten. Sie waren gut für die F1: Heutzutage dreht sich alles nur ums Geschäft, aber bei Minardi geht alles nur um Motorsport."
Aus diesem Grund empfindet Paul Stoddart die beeindruckenden Vorstellungen seines Teams als ein Zeugnis der "Fähigkeiten und unglaublichen Hingabe" der Minardi-Crew: "Minardi bedeutet Leidenschaft. Es geht darum niemals aufzugeben."
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