Sebastian Vettel ziert als erster Formel-1-Pilot das Cover des britischen Schwulen-Magazins "Attitude". Auf der Titelseite des Hefts ließen sich schon einige bekannte heterosexuelle Unterstützer der LGBTQ+-Community abbilden, darunter Sänger Robbie Williams und Fußballstar David Beckham. Mit der Juli/August-Ausgabe des Magazins zählt nun auch ein vierfacher F1-Weltmeister zu diesem Kreis. Im Interview mit Attitude spricht Vettel über die Schwulenfeindlichkeit im Sport und ist sich sicher, dass die Königsklasse für einen offen homosexuellen Fahrer bereit ist.

Vettel hat seinen Einsatz für LGBTQ+-Themen schon des Öfteren kundgetan. Beim Grand Prix von Ungarn 2021 erschien der Deutsche in voller Regebogenmontur. Ein klares Zeichen gegen ein umstrittenes Gesetz des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, das Lernen über Homosexualität für unter 18-Jährige verbietet.

Sebastian Vettels Regenbogen-Sneaker: Ein Zeichen für Diversität, Foto: LAT Images
Sebastian Vettels Regenbogen-Sneaker: Ein Zeichen für Diversität, Foto: LAT Images

Vettels Aktivismus sorgte für Aufsehen und zahlreiche Medienberichterstattung. Nach dem Wochenende auf dem Hungaroring zeigte sich der Aston-Martin-Pilot überrascht über die Aufregung. "Idealerweise sollte es überhaupt keine Reaktion geben, weil es einfach normal ist", so der Deutsche.

Beim Grand Prix in Saudi-Arabien im Dezember 2021 trug Vettel aus Protest erneut seine Regenbogen-Sneaker, da Homosexualität im arabischen Wüstenstaat illegal ist. Als Coverstar des Attitude-Magazins sorgt der Aston-Martin-Pilot nun erneut für großes Aufsehen. Er erntet dafür Zuspruch sowie Gegenwind von den Medien und Fans der Formel 1.

"Ich bin vollkommen gegen Rassismus, Sexismus, Altersdiskriminierung, Schwulenfeindlichkeit und alle Formen von Vorurteilen. Für diese Werte und Prinzipien werde ich mich immer einsetzten", zeigt sich Vettel überzeugt.

Selten, aber nicht neu: Homosexualität in der Formel 1

Generell gibt es im Profisport wenige Athleten, die sich offen als Mitglied der LGBTQ+-Szene bekennen. "Es gab schon immer LGBTQ-Personen in der Formel 1", weiß jedoch Vettel. Es ist keine Seltenheit, dass Personen ihre Geschlechtsidentität oder Sexualität verheimlichen (müssen). Der Aston-Pilot sieht jedoch einen positiven Trend. "Mit steigender weltweiten Toleranz, wird es immer besser. Jetzt gibt es bereits einige Ingenieure und Mechaniker, die offen bezüglich ihrer Sexualität sein können."

Was Piloten betrifft, gibt es in der Königsklasse jedoch wenig LGBTQ+-Repräsentation. In der Geschichte der Formel 1 gibt es lediglich drei homosexuelle Piloten von insgesamt 771 Fahrern: Nicha Cabral (vier Rennen, 1959-1964), Lella Lombardi (zwölf Rennen, 1974-1976) und Mike Beuttler (28 Rennen, 1971-1973). "Ich bin mir ziemlich sicher, dass es in Wahrheit mehr gegeben hat", meint Vettel. "Wir wissen es nur nicht, weil sie sich nie geoutet haben, was schade ist."

Vettel: F1 bereit für schwulen Fahrer

Laut dem Deutschen seien es Stereotype, die Athleten davon abhalten, offen über ihre Sexualität zu sprechen. Homosexualität würde in Verbindung mit Schwäche und der Leistung der Piloten gebracht werden. Unsinn, denkt Vettel: "Wir sollten verstehen, dass es Diversität ist, die uns voranbringt."

Der vierfache Weltmeister ist daher der Meinung, dass die Zeit reif für einen schwulen F1-Fahrer wäre. "Wahrscheinlich war es in der Vergangenheit anders, aber ich denke, dass ein schwuler Fahrer jetzt in der Formel 1 willkommen wäre", versichert Vettel. Der Deutsche sieht sogar große Vorteile in der Existenz eines homosexuellen F1-Piloten. "Das würde die Reduktion von Vorurteilen vorantreiben und den Sport in eine bessere Richtung pushen."

Vettel verteidigt Rennen in schwulenfeindlichen Ländern

Die Königsklasse hat zwar die Initiative "We Race as One", die für mehr Diversität und Inklusion sorgen soll, gestartet, der Aston-Pilot sieht damit aber noch nicht genug getan: "Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass wir tatsächlich positive Veränderung bewirken und nicht nur reden, sondern auch etwas tun." Sieht sich Vettel etwa mit Schwulenfeindlichkeit in der Formel 1 konfrontiert, habe er heutzutage das nötige Selbstbewusstsein, um dagegen anzukämpfen.

Wie kann der Deutsche also rechtfertigen, dass die F1 in Ländern fährt, in denen es strenge Gesetzte gegen LGBTQ+-Personen gibt? "Kein Land ist perfekt", so Vettel. "Mein Heimatland Deutschland ist nicht perfekt. Großbritannien, das Land meines Rennstalls, ist nicht perfekt. Was LGBTQ+-Rechte betrifft, sind manche Länder natürlich schlimmer als andere. Wir könnten verweigern dort zu fahren, aber was dann?", fragt der Aston-Pilot.

Er zählt darauf, bei den Rennen auf seine Überzeugungen und Prinzipien aufmerksam zu machen, um somit einen positiven Einfluss zu haben. "Wenn wir dort nicht fahren, sind wir machtlos."

Auch Lewis Hamilton und Mercedes zeigen Unterstützung

Vettel ist nicht der einzige Formel-1-Pilot, der sich öffentlich für die Rechte von LGBTQ+-Personen einsetzt. Auch Rekordweltmeister Lewis Hamilton zeigte bereits seine Unterstützung. Beim Rennen in Saudi-Arabien 2021 trug der Mercedes-Fahrer etwa einen Regenbogenhelm. Auch mit zahlreichen T-Shirts und Instagram-Posts setzte sich Hamilton für die Sichtbarkeit und Rechte von Homosexuellen und Trans-Personen ein.

Lewis Hamilton trug in Saudi-Arabien Regenbogenhelm, Foto: LAT Images
Lewis Hamilton trug in Saudi-Arabien Regenbogenhelm, Foto: LAT Images

Für den Pride Month der LGBTQ+-Community, der jährlich weltweit im Juni stattfindet, kündigte Mercedes bereits an, mit einem Mercedes-Stern in Regenbogenfarben zu fahren. Das Design kommt erstmals beim Formel-1-Rennen in Baku zum Einsatz und wird auch in Kanada und Silverstone zu sehen sein.