Wie war es, nach so langer Zeit wieder ein Rennen an der Strecke zu kommentieren?
Christian Danner: Herrlich! Ich bin ja mit der Formel E schon die ganzen Jahre immer wieder an der Rennstrecke gewesen. So gesehen, war es zumindest kein Kulturschock. Wieder in Imola für RTL ein Formel-1-Rennen zu kommentieren, ist schon toll gewesen, weil die Formel 1 im Moment einen Boom erlebt und man spürt hier auch den Enthusiasmus, der im Fahrerlager und bei den Fans herrscht. So etwas zu sehen und mitzuerleben, macht Spaß. Ich bleibe immer gerne bei dem Renngeschehen und mir gefällt es einfach, wenn Verstappen und Perez das souverän nach Hause fahren. Mir gefällt es, wenn Valtteri Bottas da zum Schluss gegen George Russel kämpft, auch wenn er dann nicht mehr vorbeigekommen ist. Ich habe dann auch irgendwie - ich will nicht sagen Mitleid -, aber bei Leclerc kommt, wenn es schon schiefläuft, auch noch Pech dazu. Das sind alles Sachen, die zum Motorsport gehören, und da bin ich daheim.

Sprechen wir über Leclerc. Wollte er da einfach zu viel?
Christian Danner: Ja, er wollte einfach zu viel, ist zu hart über den Kerb geräubert und dann abgeflogen. Es ist halt so: Ein Spitzenfahrer wie er muss auch erst einmal damit klarkommen, dass er in einer Situation ist, in der er die WM anführt. Da muss man manchmal auch mit einem dritten Platz ganz zufrieden sein - auch wenn man es eigentlich nicht wahrhaben will, weil man schließlich zeigen möchte, dass man den Perez noch holen kann. Ich traue ihm aber zu, dass er sehr schnell dazulernt.

Ist das die fehlende Erfahrung im WM-Kampf?
Christian Danner: Das ist genau das, was ich meine. Er war noch nie in einer Situation, dass er ein Auto hat, das zumindest siegfähig ist - Höhen und Tiefen immer inkludiert. Aber vor allem war er noch nie in einer Situation, dass er um die WM fährt, und da musst du dich auch erst einmal daran gewöhnen. Ich habe mit Niki Lauda immer über solche Sachen gesprochen und der hat auch gesagt, dass er, als er zum ersten Mal da vorne war, gedacht hat: 'Wahnsinn, ich kann hier die WM gewinnen.' Das ist ein ganz anderes Feeling, da muss man sich anders darauf einstellen. Und ich glaube, das war die Lektion für Charles Leclerc in Imola.

Christian Danner war in Imola nicht nur in der Kommentatorenkabine im Einsatz, sondern auch als Experte im Vor- und Nachlauf, Foto: Motorsport-Magazin.com
Christian Danner war in Imola nicht nur in der Kommentatorenkabine im Einsatz, sondern auch als Experte im Vor- und Nachlauf, Foto: Motorsport-Magazin.com

Hat ihn auch die Ferrari-Strategie in den Fehler getrieben? Hätte man nicht einfach in der vorletzten Runde für die schnellste Rennrunde stoppen sollen?
Christian Danner: Nein, das glaube ich nicht. Die haben sich das schon richtig ausgerechnet. Die wollten eben den Perez holen. Aber ich glaube, dass der genug Reserven hatte. Er hat den Abstand nach vorne beibehalten, um sicherzustellen, dass er Leclerc [für Verstappen] unter Kontrolle behält. Die beiden sind ja nicht wegen der schönen Bilder Arm in Arm aufs Siegerpodest gestiegen: Das ist ein Team, von dem Helmut Marko schon immer geträumt hat, und das auch Toto Wolff in Form von Hamilton und Bottas in der Vergangenheit hatte. Du brauchst eine top Nummer zwei, die das macht, was das Team gerne hätte.

Hamilton ist ein gutes Stichwort. Während Russell Vierter wurde, hat Hamilton keinen einzigen Punkt geholt. Lag der große Unterschied nur an der Startphase?
Christian Danner: Ja, das war wahrscheinlich der Ursprung des Übels. Er hätte auch mal Vierter oder Fünfter werden können, ja. Aber ich weiß nicht, ob Lewis in seiner Karriere jemals im Mittelfeld festgesteckt ist. Ganz gleich, ob Kartsport, Formel 3, Formel 1, das ist ihm im Leben noch nie passiert. Geschweige denn, dass er von dem Mann, mit dem er um die WM gekämpft hat, überrundet wird. Er war nach dem Rennen sehr einsilbig und hat versucht, es mit Galgenhumor runterzuspielen, aber Lewis ist nicht ganz gefeit gegen solche emotionalen Einflüsse.

Hat er schon ein Performance-Problem?
Christian Danner: Ich glaube nicht, dass es ein Performanceproblem ist, nein.

Wenn wir schon über alternde Legenden sprechen: Sebastian Vettel hat sich in Imola rehabilitiert…
Christian Danner: Die Wiederauferstehung! [lacht] Wie der bayerische Märchenkönig Ludwig II., der immer über sich gesagt hat, er sei ein Rätsel für sich selbst und alle anderen, ist Seb ja auch ein bisschen ein Geheimnis für sich selbst und andere. Das war wirklich eine klasse Leistung von ihm. So daneben wie er in Melbourne war, so super ist er hier gefahren.

Mick Schumacher hat ganz schön mit seinem neuen Teamkollegen zu kämpfen, Foto: LAT Images
Mick Schumacher hat ganz schön mit seinem neuen Teamkollegen zu kämpfen, Foto: LAT Images

Müssen wir uns dafür langsam Sorgen um Mick Schumacher machen?
Christian Danner: Es gab ja zwei Vorfälle. Der erste war, als er sich beim Beschleunigen wegdrehte und dem Alonso ins Auto gefahren ist. Das ist entschuldbar. Es war sehr glatt, da kann so etwas passieren. Der Dreher in der Schikane, der war schon wieder etwas überflüssig. An sich ist er zwar auch entschuldbar, aber trotzdem überflüssig. Sein eigentliches Problem, das er selbst ganz genau kennt, ist nicht so sehr, dass es diese zwei Vorfälle gab, sondern, dass er, wenn er freie Fahrt hatte, trotzdem nicht an die Zeiten von Magnussen herangekommen ist. Und das ist das, woran er arbeiten muss.

Er muss verstehen, was der Kerl anders macht, damit er auch so schnell fahren kann. Das bedeutet nicht, dass Magnussen einfach schneller fährt und später bremst, sondern es kann durchaus sein, dass er die Reifen anders anwärmt, dass er ein bisschen ein anderes Setup hat. Das müssen sie sich untereinander ausmachen. Da muss Günther Steiner helfen. Hat Magnussen vielleicht ein etwas anderes Setup, eine andere Herangehensweise? Wie bremst er? Wie lange bremst er? Wie bekommt er die Reifen doch wieder auf Temperatur? Das sind die Fragen, die aus einem komplizierten Rennen wie diesem resultieren.

Zu viele Ferrari-Fehler! Wie kam es zum Imola-Desaster? (15:54 Min.)