Gleich hinter Mercedes und Red Bull tobte in der Formel-1-Saison 2021 lange Zeit ein weiterer enger Kampf zweier Größen. In einer Neuauflage des großen Duells gleich mehrerer Epochen der Königsklasse kämpften Ferrari und McLaren um den dritten Platz in der Konstrukteurswertung. Zunächst deutete vieles auf einen Triumph Wokings über Maranello, doch zuletzt riss Ferrari das Ruder gewaltig herum.

Verantwortlich dafür zeichnete weniger eine Stärke der Roten, sondern ein Durchhänger der Orangenen: Nur vier Punkte ergatterte McLaren bei dem jüngst abgeschlossenen Tripleheader in Mexiko, Brasilien und Katar insgesamt. Vor den beiden letzten F1-Rennen des Jahres in Saudi-Arabien und Abu Dhabi liegt die Truppe um Teamchef Andreas Seidl mit 39,5 Punkten nun nahezu aussichtslos weit zurück. Von einem Duell kann kaum noch die Rede sein. Nur fünf Zähler mehr muss Ferrari dieses Wochenende in Jeddah erzielen, um das Rennen um Gesamtrang drei schon vorzeitig für sich zu entscheiden.

McLaren: Müssen Tatsachen ins Auge blicken

Aufgeben wird McLaren nicht - nicht, bis es rechnerisch wirklich unmöglich ist. Realistisch bleibt der Traditionsstall aus Woking dennoch, wie schon nach dem völlig enttäuschenden Brasilien-GP. Bereits nach dem Rennen in Sao Paulo hatten sich die Aussichten massiv eingetrübt. Während Ferrari gleich 19 Zähler angeschrieben hatte, reiste McLaren nur mit einem Punkt von Lando Norris ab. Der Brite war durch einen frühen Reifenschaden ausgerechnet nach Berührung mit Ferraris Carlos Sainz weit zurückgefallen, Daniel Ricciardo durch einen Riss im Chassis sogar ausgeschieden.

31,5 Punkte lag McLaren zurück. Deshalb müsse man den Tatsachen ins Auge blicken, so Seidl bereits in Brasilien. "Wenn für Ferrari jetzt alles gut läuft, wird es schwierig", sagte der Bayer. "Aber solange es theoretisch möglich ist, versuchen wir dranzubleiben. Wir haben dieses und auch letztes Jahr ja ein paar Mal gesehen, was an einem Rennwochenende passieren kann."

Unfälle, Reifenschäden, Chassis-Riss & Spritsparen ruinieren McLaren

Sehr viel wichtiger als der Kampf um P3 mit Ferrari sei allerdings schlicht ein Comeback der vorherigen Form McLarens. "Wir müssen wieder die Ergebnisse und die Punkte holen, die für uns auf dem Tisch liegen", forderte Seidl. "Das ist uns die letzten Rennwochenenden nicht gelungen." Doch in Katar ging es zunächst genauso weiter. Ricciardo kassierte sogar die dritte Nullnummer in Folge. Den Startunfall in Mexiko und den Chassis-Riss in Brasilien ergänzte eine exorbitante Notwendigkeit zum Spritsparen. Norris brachte hingegen der nächste Reifenschaden um gute Chancen auf ein Top-5-Ergebnis.

Damit waren McLaren noch mehr Felle davongeschwommen. Die Resthoffnung lebte, aber realistisch glaubt nun niemand mehr an eine Wende. Doch die sei auch gar nicht so entscheidend, so Seidl schon in Brasilien. Sein eigentliches Saisonziel habe McLaren ohnehin schon erreicht. "Gerade konzentrieren sich alle so sehr auf diesem Kampf um P3 oder P4, aber wir haben einen realistischen Blick darauf, wo wir als Team stehen. Das wichtigste ist dieses Jahr, dass wir als Team wieder ganz klar den nächsten großen Schritt nach vorne geschafft haben", sagte Seidl.

McLaren: Performance-Fortschritt wichtiger als P3

Das macht McLaren an drei Punkten fest, die WM-Position ist keiner davon. "Die Performance des Autos, die durchschnittliche Punkteausbeute [derzeit 12,9 pro Rennen, 2020 11,9] und das Rundenzeit-Defizit zu Red Bull und Mercedes, das gegenüber letztem Jahr wieder etwas kleiner geworden ist", sagte Seidl. Das geschafft zu haben, sei wichtig. Das bestätige, dass die Arbeitsweise des Teams der Schlüssel sein könne, wieder an die Spitze zu gelangen. "Und wir haben einen Plan, dieses [restliche] Defizit zu eliminieren", versicherte Seidl. Forsch an die Öffentlichkeit geht man damit nicht. McLaren wisse genau, nun schlicht Zeit zu brauchen und weiter auf die geschaffene Organisation aufzubauen.

Mit einem Comeback Ferraris nach dem fast beispiellosen Absturz 2020 habe man ohnehin rechnen müssen, so Seidl. "Es ist keine Überraschung, dass ein Team wie Ferrari stark zurückkommt", sagte der McLaren-Leader. "Mit der Erfahrung, den Leuten und den Fahrern, die sie haben, kann das keine Überraschung sein. Und deshalb ist für mich das Wichtigste, dass wir einen großen Schritt nach vorne gemacht haben. Das bestätigt, dass es in die richtige Richtung geht."

McLaren will Momentum zurück: Erfolgserlebnis vor dem Winter

Was McLaren in Katar noch versäumte, will das Team nun in Saudi-Arabien und Abu Dhabi nachholen. Einen Turnaround nach nun sogar drei schmerzhaften Wochenenden hinlegen, so Seidl - ganz unabhängig von der Konstrukteurs-WM, aber für Rückenwind in der Winterpause. "Es ist wichtig, dass wir wieder ein positives Momentum zurückgewinnen und die Punkte holen, die wir mit unserem Paket holen können", sagte Seidl.

Das habe man in der vorherigen Saison in der Regel besser optimiert. "Wir hatten auch ein paar Wochenenden, die unseren Stärken in die Karten gespielt haben, wie Österreich oder Monza. Da haben wir es aber auch verdient, diese Punkte zu holen", erinnerte Seidl. "Aber wir haben es auch geschafft, viele Punkte zu holen, weil wir als Team operativ so stark waren."

Einen großen Umschwung in Sachen genereller Pace zugunsten Ferraris will der Bayer dagegen nicht gesehen haben. "Die Performance war so ziemlich da, wo wir sie auch erwartet hatten", sagte Seidl. Das berichtete noch vor dem Katar-GP auch die Konkurrenz. Sainz mahnte, die jüngste klar positive Entwicklung bei Ferrari sei auch auf Kleinigkeiten wie marginal bessere Qualifyings zurückzuführen gewesen. Bei nur geringen Performance-Deltas fällt es in den Rennen dann schwer, zu kontern. Genauso gut könne es genau andersherum stehen ...