Ferrari rutschte letzte Saison in seine größte Krise seit 40 Jahren. 2021 hat sich der Formel-1-Mythos aus Maranello von der Schmach erholt. Vor den letzten beiden Rennen in Saudi-Arabien und Abu Dhabi hat die Scuderia ihre direkte Konkurrenz distanziert und ist auf dem besten Weg zu Platz drei in der Weltmeisterschaft. Teamchef Mattia Binotto ist stolz auf die Leistung seiner Mannschaft, die allein mit ihrem Arbeitseifer das Blatt zum Guten wendete.

"Die Saison ist natürlich noch nicht vorbei und wir werden uns darauf konzentrieren, in den letzten beiden Rennen unser Bestes zu geben. Aber wenn wir uns anschauen, dass wir letztes Jahr Sechster in der Weltmeisterschaft waren, haben wir ohne jeden Zweifel unser Bestes aus dem gegenwärtigen Reglement gemacht", so Binotto, der 2020 Bekanntschaft mit dem undankbaren Dasein als Ferrari-Teamchef machte.

Der Italiener hatte im Januar 2019 nach zwei gescheiterten WM-Offensiven die Nachfolge Maurizio Arrivabenes angetreten. Die erste Saison verlief mit zwei Siegen von Charles Leclerc und einem durch Sebastian Vettel noch erfolgreich. Doch im Winter geriet Ferrari im Zuge des Motorenskandals medial sowie politisch unter Beschuss und wurde in der darauffolgenden Saison auch sportlich sturmreif geschossen.

2020 wurde zum schwächsten Jahr des Rennstalls seit 1981. Neben den schwachen Vorstellungen auf der Rennstrecke rundeten regelmäßige Querelen mit dem scheidenden Vettel das negative Bild des Teams ab. Nach dem Absturz standen die Zeichen schnell auf einen Neuanfang, und zwar mit einem langen Anlauf. Das neue Reglement 2022 soll Ferrari wieder zu einem Top-Team machen.

Ferrari zeigt Aufschwung ohne Auto zu entwickeln

Auch wenn der Abstand zu Mercedes und Red Bull beträchtlich ist, so stimmt der Eindruck auf dem Papier als Dritter in der Konstrukteurswertung dieses Jahr schon. "Ich freue mich, denn Platz drei ist für unseren Einsatz ein großartiges Resultat", so Binotto, dessen Team sämtliche Prozesse schon lange auf das große Ziel 2022 ausgerichtet hatten.

Für 2021 waren sowohl die Ressourcen als auch die Rahmenbedingungen eingeschränkt. "Der Großteil des Autos war eingefroren und wir hatten in der Entwicklung nur sehr begrenzte Möglichkeiten. Dazu kam die Budgetobergrenze und wir mussten unsere Prioritäten darauf legen, lieber für 2022 zu entwickeln", erklärt Binotto.

Als eines der ersten Teams testete Ferrari das 2022er Auto bereits im Juni im Simulator. Der SF21 musste derweil ohne Performanceverbesserungen zurechtkommen. "Wir haben das aktuelle Auto nie wirklich weiterentwickelt. Zu Saisonbeginn hatten wir ein paar Teile und das war's", sagt der Teamchef.

Das Motorenupdate in der zweiten Hälfte des Kalenders zählt er nicht dazu. "Das war eine Entwicklung für 2022. Alle unsere Anstrengungen waren seit Saisonbeginn auf das Auto für 2022 konzentriert und wir sind was das angeht nie Kompromisse eingegangen. Es kam uns nie in den Sinn, 2022 an irgendeinem Punkt für Vorteile im Jahr 2021 zu vernachlässigen", stellt Binotto klar.

Binotto sieht größten Fortschritt im Rennteam

Doch woher kam dann der Aufschwung, der Ferrari wieder an die Spitze des Verfolgerfeldes brachte? Für den 52-Jährigen ist es der Verdienst seiner Fahrer und der Organisation an der Rennstrecke: "Wenn ich unser Rennteam anschaue, haben wir seit Saisonbeginn große Fortschritte bei der Strategie, dem Management und der Kommunikation mit den Fahrern gemacht."

In Katar fiel das Resultat mit den Plätzen sieben und acht für Carlos Sainz und Charles Leclerc vielleicht nicht berauschend aus, doch an einem schwierigen Wochenende holte Ferrari das Maximum aus seinen Möglichkeiten heraus. Das Team setzte eine Einstopp-Strategie inklusive Doppelboxenstopp der Autos fehlerfrei um.

Ferrari hat Saisonziel auch ohne Platz drei erreicht

Während McLaren in den vergangenen drei Rennen lediglich vier Punkte holte, stockte Ferrari sein Konto um 47 Zähler auf. "Ich denke, das Team hat seit Paul Ricard [Frankreich GP] viele Werkzeuge erlangt und arbeitet methodisch besser", so Binotto. "Wenn wir dieses Jahr Dritter werden, dann aufgrund der Arbeitsweise des Teams seit dem Beginn der Saison und nicht weil das Auto selbst sich verändert hat."

Selbst wenn McLaren den Rückstand von 39,5 Punkten in den verbleibenden Grands Prix noch aufholen sollte, ist diese Erkenntnis für Binotto schon der größte Erfolg im Übergangsjahr 2021. "Das Hauptziel war nie der dritte Platz sondern uns als Team in allen Bereichen zu verbessern", sagt er. "Ich beurteile den Fortschritt des Teams als sehr gut und das ist mit Blick auf 2022 großartig."