Wochen der Vorentscheidung in der Formel 1? Trotz zuletzt auf dem Papier eher für Mercedes geeigneten Strecken reist nicht Lewis Hamilton, sondern Max Verstappen als WM-Führender zum letzten Tripleheader der F1-Saison 2021. Zwölf Punkte Vorsprung bringt der Red-Bull-Pilot mit ins Autodromo Hermanos Rodriguez. Dort steigt am kommenden Wochenende mit dem Großen Preis von Mexiko nicht nur der fünfletzte Saisonlauf, sondern für zahlreiche Beobachter auch eine Großchance für den Niederländer, seinen Vorteil noch weiter ausbauen. Doch ist das wirklich so? Die große Vorschau zum 18. Rennen der Formel 1 2021.
Zumindest die allgemeine Einschätzung in großen Teilen des Fahrerlagers deutet in Mexiko ganz klar auf einen Sieg für Red Bull und Verstappen. Das Autodromo Hermanos Rodriguez gilt als eine Strecke, die das Paket der Bullen klar bevorteilt. So klar wie in Mexiko wird auf keiner anderen Strecke des Restprogramms einem der beiden Titelanwärter die Favoritenrolle zugeteilt. Hintergrund ist die jüngste Historie auf der mit Abstand am höchsten gelegenen Formel-1-Strecke im Kalender.
Red Bull in Mexiko selbst in Mercedes' besten Jahren besser
Selbst in Zeiten der Mercedes-Dominanz war es bei rund 2.285 Metern zuletzt Red Bull, das in Mexiko als erste Kraft auffuhr. Zwei Siege in Folge feierte Verstappen 2017 und 2018, ohne die 2019 herausgefahrene, aber wegen eines Gelbvergehens verlorene Pole wären es womöglich sogar drei Siege in Serie gewesen. 2020 fiel das Rennen wegen der Corona-Pandemie aus.
Der Grund für die Red-Bull-Stärke - oder Mercedes-Schwäche - liegt im in Mexiko-City gegenüber dem Meeresspiegel rund 20 Prozent niedrigeren Umgebungsdruck. Die weniger dichte Luft lässt mit rund einem Viertel weniger Sauerstoff nicht nur Mensch, sondern auch Maschine leiden. Sowohl Aerodynamik als auch Kühlung und Power Unit sind betroffen. Aerodynamisch fuhrt der geringere Luftdruck zu weniger Anpressdruck. Deshalb fahren die Teams in Mexiko trotz langer Geraden mit steilem Monaco-Flügelwerk. Der traditionell steiler angestellte Red Bull genießt hier offensichtlich Vorteile gegenüber dem flacheren Mercedes.
Formel 1 Mexiko: Honda dank größerem Turbo weiter im Vorteil?
Für den größeren Unterschied sorgte in den vergangenen Jahren allerdings eher die Power Unit. Je 100 Meter Höhe verlieren Saugmotoren rund ein Prozent Performance. In der Formel 1 lässt sich das in der aktuellen Motorenformel allerdings zum Teil über den Turbolader der Power Unit kompensieren. Dreimal schneller als gewöhnlich kann sich der Turbo in der Höhe drehen. Alles gleicht das allerdings nicht aus. Den Turbo schlicht mit 20 Prozent mehr Kraft zu betreiben, sei nicht möglich, so Mercedes.
Das kann auch Honda im Heck des Red Bull nicht, aber die Japaner können - oder konnten - dank eines größeren Turbos zumindest besser. Noch dazu tendierte der Turbo Mercedes' dazu, in der dünnen Luft heißzulaufen und so nicht seinen gewöhnlichen Boost zu erreichen. Alles nur auf Mexiko auszurichten, sei widersinnig, heißt es aus Brixworth. Immerhin gilt es stets den besten Kompromiss für die gesamte Saison zu finden.
Bottas erwartet besseres Mexiko: Mercedes hat optimiert
Also tatsächlich keine Hoffnung für Hamilton & Co. in Mexiko zurückzuschlagen? Geht es nur um Schadensbegrenzung? Valtteri Bottas widerspricht. "Wir wissen, dass es für gewöhnlich eine kleine Schwäche von uns war - und es fühlt sich an, als wäre in den letzten Jahren mit der Höhenluft ein großer Batzen von der Power Unit gekommen", sagt der Finne. "Aber ich denke, dass wir seitdem jede Menge optimiert haben. Also erwarte ich uns besser als in den Vorjahren."
Dennoch erwartet Bottas eine schwierige Aufgabe. Auf dem Papier sehe es in Mexiko für Red Bull noch immer nach einem starken Ort aus. Doch das galt zuletzt in Austin auch für Mercedes - zumindest vor dem Wochenende, dem am Ende plötzlich doch Verstappen seinen Stempel aufdrückte. Genau deshalb will Mercedes nun auch seine vermeintliche Schwäche nicht überbewerten.
Wolff & Horner trauen "Papierform" nicht: 2021 ist alles möglich
"Red Bull hat sich dort in der jüngeren Vergangenheit gut geschlagen und es war nicht unbedingt unsere stärkste Strecke", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff und fügt ohne sein gewohntes Understatement an: "Aber in diesem Jahr ist alles möglich und Strecken, auf denen man bislang schwächer gewesen ist, zählen plötzlich zu deinen Stärken und umgedreht. Das sorgt für ein bisschen Ungewissheit im Vorfeld eines Rennwochenendes, was zu noch mehr Spannung führt."
Ähnliche Aussagen hört man auch aus dem Red-Bull-Lager. Während Dr. Helmut Marko schon am Abend nach Verstappens Sieg in Austin wegen des erwarteten Turbo-Vorteils recht optimistisch den kommenden Rennen in Mexiko und Brasilien - mit 800 Metern über N.N. ebenfalls recht hoch gelegen - entgegenblickte, traut Teamchef Christian Horner dem viel zitierten Braten noch nicht. Ausnahmsweise stimmt der Brite seinem Gegenspieler Toto Wolff zu. "Du musst die Papierform wegschmeißen", sagt Horner. "Es ist sehr eng zwischen beiden Teams und ich hoffe darauf, dass Mexiko eine gute Strecke für uns war, aber es war auch für sie eine gute Strecke."
Nächste Motorenstrafe für Lewis Hamilton?
Das alles geschieht auch in Mexiko erneut mit Sorgen um Motoren - vor allem bei Lewis Hamilton ist weiterhin alles andere als klar, ob der Brite die Saison ohne eine weitere Motorenstrafe beenden kann. Sollte Red Bull überlegen sein, könnte Mercedes einmal mehr die Gelegenheit nutzen - nichts fürchtet man in diesem engen WM-Kampf mehr als einen Ausfall. Von einem konkreten Plan ist bislang allerdings nichts bekannt.
Pläne machen müssen sowohl Red Bull als auch Mercedes auch teamintern. Längst sind Bottas und Perez in der Rolle der möglichen Königsmacher. Beide müssen Verstappen und Hamilton jeden erdenklichen Punkt zuschustern. Zuletzt in Austin verzichtete Red Bull zumindest darauf, Perez' Podium zu opfern und Hamilton mit einem späten Stopp den Punkt für die schnellste Runde abzujagen. Als zu brutal bezeichnete Horner diese Vorstellung.
Perez-Heimrennen Mexiko: Red Bull vor brutaler Entscheidung?
Ein noch brutaleres Szenario könnte dem Team in Mexiko drohen, sollte - durch welche Umstände auch immer - Perez vor Verstappen auf Siegkurs. Würde Red Bull den Lokalmatador bei seinem Heimrennen dann tatsächlich zurückpfeifen wie Ferrari vor 14 Jahren Felipe Massa in Brasilien? Emotional kaum vorstellbar, aber rational notwendig. Um Ärger zu vermeiden, sollte Red Bull solche Szenarien im Vorfeld klären.
Zumindest als klarer Teamplayer gibt sich Perez vor dem Wochenende. "Ich bin immer auf das Beste für das Team aus", beteuert der Mexikaner. "Max kämpft um die Fahrer-WM und wir alle müssen ihn unterstützen." Allerdings kämpfe man auch um die Konstrukteurs-WM. Auch da zähle jeder Punkt, so Perez. Dank jüngst gestiegener Formkurve leiste Perez zuletzt immer besser seinen Beitrag. In Austin fuhr der Mexikaner im Qualifying sogar auf Augenhöhe mit Verstappen - allzu abwegig ist das Szenario einer Nummer zwei in Rennführung beim Heim-GP also nicht. Ein Geheimnis um seine Ambitionen macht Perez nicht. "Jetzt hoffe ich, am Sonntag zu gewinnen", sagt Perez. "Das wenigste, was mein Land verdient."
Zieht Ferrari an McLaren vorbei?
Auch in der B-Wertung der Formel 1 bleibt es spannend. Im Kampf um WM-Rang drei zwischen Ferrari und McLaren gilt inzwischen fast dasselbe wie an der Spitze. Wirklich vorhersehbar ist dieses Duell nicht mehr. Schnelle Kurven und lange Geraden sollten McLaren zuletzt in Austin eigentlich Vorteile verschaffen, doch dann flog Charles Leclerc im besseren Ferrari Daniel Ricciardo im diesmal schnelleren McLaren stramme 25 Sekunden davon. Lando Norris erwischte ein schwaches Wochenende. Lag es daran? Oder lag es schlicht am ersten Wochenende Ferraris mit neuer MGU-H, aber ohne die resultierenden Motorenstrafen?
Eine gewisse Antwort wird Mexiko liefern. Ferrari zumindest erwartet nach dem schon unerwartet starken Aufgalopp des tänzelnden Pferdes in Austin eine Bestätigung des jüngsten Trends und will seinen Rückstand von 3,5 Punkten am Wochenende in einen Vorteil verwandeln. "Wir waren klar schneller und ich denke, dass es auf dem Papier nicht einmal eine Strecke war, die unserem Auto klar gelegen hat", erinnert Teamchef Mattia Binotto.
Wenig Grip, Monaco-Flügel und auch einige enge Kurven im ersten und letzten Sektor - das soll Ferrari noch besser aussehen lassen und wieder einige Stärken der starken Wochenenden in Monaco und Baku zum Vorschein bringen - plus Vorteil der verbesserten MGU-H, wenngleich auch dieser Teil der Power Unit wegen Sauerstoffmangels der dünnen Luft weniger Leistung generiert.
McLaren ist sich des jüngsten Aufschwungs in Maranello durchaus bewusst, allerdings genauso überzeugt davon, weiter dagegenhalten zu können. "Wir wissen, dass es eine Herausforderung wird, unsere Position in der Kunstrukteurswertung zu halten", sagt Teamchef Andreas Seidl. "Aber es ist eine Herausforderung, für die wir bereit sind. Wir behalten unseren Fokus auf den Variablen, die wir beeinflussen können und halten den Druck auf jene um uns herum aufrecht."
AlphaTauri vs. Alpine, Alonso vs. FIA
Selbes lässt sich auch direkt dahinter über AlphaTauri behaupten. Nur noch zehn Punkte liegt das Team aus Faenza nach dem Ende einer 15 Rennen langen Punktserie von Alpine in Austin hinter den Franzosen zurück. Fernando Alonso kämpft parallel auf einem zweiten Schauplatz. Nach Austin werden neue Diskussionen zum Thema Track Limits und Überholregeln auch in Mexiko wohl kaum zu vermeiden sein ...
Wetterbericht Mexiko-City: Sonne satt
Keine besondere Rolle wird in Mexiko das Wetter spielen. Die Prognosen gehen aktuell das gesamte Wochenende von angenehmen Temperaturen von 20 bis 25 Grad Celsius aus. Der Wind weht lediglich schwach - entscheidend bei den in der dünnen Luft anfälligeren Boliden. Auch eine Regenwahrscheinlichkeit besteht praktisch nicht. Die Zeichen stehen auf ein sonniges Wochenende bei durchweg leichter Bewölkung - beste Bedingungen also auch für eine große Fiesta mit zehntausenden Checo-Fans auf den Rängen der Stadion-Sektion im letzten Streckenabschnitt.
Formel 1 Mexiko: TV-Programm und Zeitplan
Wie in Austin gilt es für alle heimischen Fans in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Zeitverschiebung zu beachten. Sämtliche Session finden zu abendlichen bis nächtlichen Startzeiten statt und werden teilweise auch nicht via Stream übertragen. Sämtliche Details haben wir in unserem gewohnten Zeitplan-Service mit TV-Programm zusammengefasst.
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