Ab der kommenden Formel-1-Saison 2022 sollen Freitagseinsätze für Nachwuchsfahrer im Freien Training verpflichtend werden. Überlegungen dazu gab es bereits länger, im Rahmen des Italien-GP bestätigte nun F1-Sportchef Ross Brawn, die Umsetzung werde im nächsten Jahr tatsächlich erfolgen.

"Freitags wird jedes Team im ersten Training mit einem Rookie fahren müssen. Und wir werden sehr vorsichtig sein, wie wir einen Rookie definieren", sagte Brawn. Erst im Vorjahr hatte es in diesem Punkt Unstimmigkeiten gegeben, weil Fernando Alonso nach zweijähriger F1-Auszeit eine Freigabe zur Teilnahme am Young Driver Test nach Saison erhielt. Regulär gilt als Young Driver einzig und allein, wer in seiner Karriere maximal zwei Formel-1-Rennen gestartet hat. Eine Altersgrenze besteht nicht.

Formel 1: Rookie-Einsätze in Training nie bei Top-Teams

Ob es die 2022 geben wird oder welche Vorgaben stattdessen gelten werden, steht aktuell noch nicht fest. Das wird spätestens bei einem Treffen der F1-Kommission im Oktober geklärt, wenn Formel 1, FIA und Teams die neue Regelung finalisieren wollen. Fest steht dagegen bereits, dass es nicht an jedem Freitag eine Verpflichtung geben wird. "Nächstes Jahr werden sie freitags einen jungen Fahrer einsetzen müssen, jedes Team bei einer bestimmten Anzahl von Gelegenheiten", sagte Brawn.

Diese noch liberale Regelung dürfte vor allem die Top-Teams eingefordert haben. Insbesondere Mercedes, Red Bull und Ferrari verzichteten in der Vergangenheit immer auf freiwillige Freitagseinsätze. Die Stammfahrer sollten keinesfalls um Zeit im Auto gebracht werden. Bei Teams wie Williams oder Alfa Romeo hingegen waren diese Einsätze von Fahrern wie Robert Kubica und Roy Nissany Standard, geschahen teilweise allerdings aus anderen Gründen als jenen, die bei der Verpflichtung ausschlaggebend sind. Für diesen Zweck - Erfahrungen in einer offiziellen Formel-1-Session sammeln - fuhr in diesem Jahr vor allem Callum Ilott.

McLaren sucht nach Fahrern: Kein eigenes Nachwuchsprogramm

Doch auch andere Teams begrüßen die abgespeckte Pflicht. Etwa McLaren. Das Team aus Woking verfügt über kein eigenes Nachwuchsprogramm, muss somit erst Fahrer organisieren. "Es macht Sinn, dass wir es teilweise einführen. Für nächstes Jahr sprechen wir von zwei oder drei Trainings. Das ist ein guter erster Schritt", sagte Teamchef Andreas Seidl. "Aber dann wären wir auch happy, wenn wir die Anzahl der Sessions dann erhöhen. Es ist gut, das verpflichtend zu haben. So ist es sportlich gesehen für alle Teams gleich und fair."

Bis zur Einführung 2022 sieht sich McLaren nun nach möglichen Fahrern um. "Das läuft gerade. Aber wir sind absolut glücklich damit", sagt Seidl. "Wir haben verpflichtende Sessions beim Test nach der Saison oder sogar in Trainingssitzungen während der Saison unterstützt, damit Rookies an offiziellen Sessions teilnehmen können. Mit den begrenzten Testfahrten ist es heutzutage sehr schwer für Rookies, Zeit im Cockpit zu bekommen."

Formel 1 hat alles andere als Nachwuchsprobleme

Aston Martin, ebenfalls ohne Fahrerakademie, sieht es etwas anders. "Natürlich profitieren diejenigen, die Young Driver Programme haben. Da wir keines haben, ziehen wir es vor, sicherzustellen, dass unsere Fahrer die maximale Zeit im Auto haben", sagte Otmar Szafnauer. Dennoch zeigt sich der Teamchef offen: "Wir müssen das Gesamtbild sehen, wie man den Sport mit jüngeren Talenten füttern kann. Es scheint, dass wir mit der Zeit immer weniger Testmöglichkeiten haben, wie sollen sie also die Erfahrung bekommen?"

Ein akutes Problem, Nachwuchsfahrer auch abschließend in die Formel 1 zu bekommen, gibt es zumindest aktuell nicht. "Schau dir nur an, wer zuletzt gekommen ist. Wir haben George gesehen, Charles, Max und noch andere Fahrer", erinnerte Brawn. "Also gibt es die Gelegenheit. Es ist klasse, dabei zu helfen, aber ich denke nicht, dass es uns an jungen Fahrern fehlt, die es in die F1 schaffen."

Mehr Unvorhersehbarkeit durch weniger Training für Stammfahrer?

Besonders gut zeigt das Haas. Das US-Team fährt aktuell mit zwei Rookies als Stammbelegschaft. Deshalb zeigt sich Günther Steiner glücklich, dass die Pflicht 2021 noch nicht greift. "Dieses Jahr wäre es nicht gut für uns", scherzte der Teamchef, froh, Mick Schumacher und Nikita Mazepin, selbst noch Rookies, nicht in Trainings um Zeit im Auto bringen zu müssen. Danach hält Steiner allerdings viel von der Idee: "Wenn du daran denkst, wie wenig Gelegenheiten ein Nicht-F1-Fahrer hat, zu zeigen, was er kann, weil die Testfahrten so limitiert sind, ist es etwas, das wir vielleicht überlegen sollten."

Ein netter Begleiteffekt häufigerer Freitagseinsätze für Nachwuchsfahrer: Die Formel 1 wird potenziell weniger berechenbar, da die Stammkräfte an den Wochenenden zunehmend ins kalte Wasser geworfen werden. Das ist schon 2021 wegen verkürzter Freitagstrainings der Fall. Auch die Testfahrten werden seit Jahren zusammengestrichen, was allen Fahrern, die im Winter das Team gewechselt hatten, das Leben erschwerte. Einzig verpasste Trainings erwiesen sich in der Vergangenheit allerdings nicht immer als zwingender Spannungstrigger.

Rookie-Einsätze vs. Sprintformat

Angepasst werden müssen die Pläne allerdings an das 2021 erstmals getestete Sprint-Format. Dieses will Formel-1-Chef Stefano Domenicali 2022 unbedingt beibehalten und sogar auf rund ein Drittel des Kalenders (bei 23 geplanten Rennen ca. 7-8 Sprints) ausbauen. Auch Ross Brawn warb in Monza nochmals deutlich für das neue Format. Aktuell gibt es an solchen Wochenenden vor dem Qualifying am Freitag nur ein Training. Ändert sich das Format 2022 nicht, erscheint an solchen Wochenenden ein verpflichtender Rookie-Einsatz unwahrscheinlicher.

Das Format steht allerdings noch grundlegend zur Debatte. So kritisierten am Wochenende Fahrer wie Daniel Ricciardo oder sogar FIA-Präsident Jean Todt das zweite Training am Samstagvormittag als sinnlos oder sogar abträglich. Hier können sich die Teams nach Zeittraining und vor Sprint und Rennen einzig auf die Rennpace konzentrieren - eine ideale Vorbereitung also. Ich denke, dass wir da vielleicht zu viel lernen und die Rennen dann etwas vorhersehbar sind", sagte Ricciardo.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff würde das Konzept am liebsten gleich vollständig verwerfen und an dem bekannten Format festhalten. "Nur das Freie Training würde ich kürzen, sodass es in den Ergebnissen mehr Variation gibt", sagte Wolff. "Freitagnachmittag mit einem FP1 anfangen, Samstagmorgen ein FP2 fahren, dann ein konventionelles Qualifying machen, wie wir es kennen und dann einen fantastischen Grad Prix am Sonntag haben."