Esteban Ocon feierte 2021 in Ungarn einen historischen Sieg. In den Farben von Alpine sorgte er für den ersten rein französischen Triumph in der Formel 1 seit 38 Jahren. Sein Vorreiter war niemand Geringeres als Alain Prost. Der Professor gewann am 14. August 1983 den Großen Preis von Österreich für Renault. Doch anders als bei Ocon war dieser Erfolg nicht der Beginn einer neuen Zeitrechnung für das Werksteam. Es waren viel mehr die letzten Züge einer scheiternden Ehe.

An diesem Sonntag auf dem Österreichring standen die Zeichen aber noch auf Happy End. Von Startplatz fünf aus hatte sich Prost mit in einem taktisch geprägten Rennen mit Geduld und etwas Glück gegen Rene Arnoux und Nelson Piquet durchgesetzt, um seinen neunten Sieg für Renault zu feiern. Mit dem vierten Erfolg der Saison baute er die Führung in der Gesamtwertung gegenüber Brabham-Pilot Piquet auf 14 Punkte aus.

Bei nur noch vier verbleibenden Rennen schien die französische Traumehe ihrem großen Ziel ganz nahe. Der 28-jährige Prost war zu diesem Zeitpunkt längst zum Heilsbringer von Renault geworden, auch wenn das Duo die Weltmeisterschaft schon zwei Mal knapp verpasst hatte. Nach einer schwierigen Debütsaison mit McLaren im Jahr 1980 war das Talent von seinen Landsleuten aufgefangen worden und dort zur Nummer eins herangereift.

Renault als Rettungsschirm für Nachwuchstalent Prost

"Für Frankreich lief es zu dieser Zeit gut, denn wir hatten vier Teams und jede Menge Fahrer. Renault war eine gute Möglichkeit, die Formel 1 in Frankreich größer zu machen", sagte Prost in einem Interview mit Sky Sports F1 über die goldene Zeit der Grande Nation in der Königsklasse.

Dank des Engagements vom Mineralölkonzern Elf traten seit Ende der 1960er Jahre fast jede Saison neue Talente aus Frankreich an. Renault stieg 1977 mit einem Werksteam ein und brachte dabei die Turbotechnologie in die Formel 1. Zu Beginn aufgrund vieler Defekte belächelt, reifte das Konzept schnell zu einem konkurrenzfähigen Paket heran.

Mit Jean-Pierre Jabouille und Rene Arnoux gewannen vor Prost bereits zwei Franzosen mehrere Rennen für Renault. Beim Nationalteam wurden Auto und Motor vollständig in Frankreich konstruiert und hergestellt. Mit Michelin wurde sogar beim Reifenpartner auf Patriotismus gesetzt. Nur der Fahrer mit WM-Potential fehlte - bis 1981 Prost unter Vertrag genommen wurde.

Alain Prost gewann im ersten Jahr mit Renault drei Rennen, Foto: Sutton
Alain Prost gewann im ersten Jahr mit Renault drei Rennen, Foto: Sutton

Prost kämpft mit Renault sofort um die WM

Der Shooting Star war von Anfang an bei der Musik und holte im achten Rennen für Renault den ersten Sieg, stilsicher beim Grand Prix von Frankreich in Dijon. "Natürlich war mein Sieg sehr wichtig, denn ich war ein junger Typ und ich hatte ein gutes Image zu dieser Zeit und war ein potentieller Sieger für die Zukunft", so Prost, der den WM-Titel trotz zwei weiterer Siege schlussendlich um sieben WM-Punkte knapp verpasste.

"Es schien so, als ob alles super lief, vor allem mit einem großen Werk wie Renault im Rücken. Es sieht so aus, als ob du ganz einfach bis nach oben durchstarten kannst. Aber so einfach ist es nicht", so er. Dennoch fehlten im darauffolgenden Jahr zehn Punkte auf die Weltmeisterschaft. Beide Male war es die Zuverlässigkeit, die einen Strich durch die Rechnung machte. Über beide Saisons hinweg beendete Prost 17 von 31 nicht.

So verheißungsvoll die Entwicklung und die Erfolge des Teams anmuteten, so schwierig war die Situation hinter dem Vorhang. Zunächst keimte zwischen Prost und Platzhirsch Arnoux eine ungewollte Rivalität auf. Der Altmeister wollte sich nicht in den Dienst des schnelleren Youngsters stellen und bockte.

Rivalität mit Arnoux vergiftet Atmosphäre

"Es ist die typische Situation: Er war drei oder vier Jahre vor mir da und dann kam der junge Typ. Du hast immer diesen Generationenkonflikt. Ich war vielleicht etwas schneller, zwar nicht immer, aber konstant. Doch er fühlte sich nicht gut dabei. Es war nie ein Problem, aber es bestand immer eine Spannung", erklärt Prost.

Zwar blieb eine Kollision der Streithähne aus, doch die Atmosphäre im Team litt unter dem Konkurrenzdenken. "Wir hatten nie Probleme auf der Strecke, denn wir blieben immer professionell. Aber neben der Strecke war es schwierig, zusammenzuarbeiten. Das habe ich in meiner Karriere mit unterschiedlichen Teamkollegen gelernt. Wenn ihr nicht die gleiche Denkweise, Arbeitsweise und Professionalität habt, wird die Kluft immer größer", so Prost.

Beim Grand Prix von Frankreich 1982 in Le Castellet kam es schlussendlich zu einer Situation, die für Prost später unangenehme Folgen haben sollte. Aufgrund seiner besseren Position in der Gesamtwertung sprach Renault eine Teamorder aus. Arnoux wurde für das Rennen mehr Ladedruck gegeben, um die WM-Rivalen Nelson Piquet und Riccardo Patrese in ihren Brabham-BMW zu jagen.

Das Ziel der Aktion war, die Konkurrenten derart unter Druck zu setzen, dass diese ihr Material überfordern und ausfallen. Sollte Prost nach erfolgreicher Durchführung hinter Arnoux liegen, muss dieser ihn vorbeilassen. Doch als der Fall eintrat, entschied sich der Altmeister gegen den Platztausch. Arnoux gewann entgegen der Anweisung des Teams vor Prost.

Rene Arnoux war vor Alain Prosts Ankunft die Nummer eins im Hause Renault, Foto: Sutton
Rene Arnoux war vor Alain Prosts Ankunft die Nummer eins im Hause Renault, Foto: Sutton

Frankreich hasst Prost: Brennende Autos und Flucht

"Das Problem begann nach dem Rennen, als ich sah, dass ich als der Badboy gesehen wurde. Ganz Frankreich war für Rene. Dabei hatte ich gar nichts gesagt oder gefordert. Es wurde von den Renault-Leuten entschieden", so Prost, der daraufhin in der Heimat aufs Übelste angefeindet wurde.

"Ich entschied mich damals, aus Frankreich wegzuziehen. Denn innerhalb von ein paar Monaten wurden mir zwei Autos vor der Haustür abgefackelt und an jedem Rennwochenende bekam ich seltsame Nachrichten, in denen mir Unfälle vorhergesagt wurden", sagt er. Bei den Brandstiftern handelte es sich nicht nur um Arnoux-Fans, sondern auch Angestellte des Renault-Konzerns. "Es ging nur um Sport, und dann kam so etwas Unfassbares dabei heraus."

Prost zog daraufhin in die Schweiz und die vergiftete Beziehung zum Teamkollegen erledigte sich, als Renault diesen für 1983 durch den US-Amerikaner Eddie Cheever ersetzte. Mit der Mission WM-Titel sah es nach dem Sieg in Österreich gut aus, doch die letzten Saisonrennen wurden für Prost zum Debakel.

Rosenkrieg nach WM-Flop auf den letzten Metern

Zwei Turbodefekte in Monza und Kyalami sowie ein Aufhängungsschaden in Zandvoort sorgten für drei Ausfälle in vier Rennen. Ein zweiter Platz in Brands Hatch reichte nicht, um sich vor Brabham zu halten. In der Endabrechnung musste sich Prost um zwei Punkte Piquet geschlagen geben.

Beim Finale in Südafrika kritisierte Prost das Team öffentlich, als er das Auto als nicht konkurrenzfähig bezeichnete und sagte, dass er nicht für die Niederlage verantwortlich ist. Renault wiederum schob ihm den Schwarzen Peter für den Verlust des WM-Titels zu und feuerte ihn nur zwei Tage nach dem Saisonabschluss. Innerhalb weniger Tage unterzeichnete Prost bei McLaren.

Vier Siegen reichten Alain Prost und Renault 1983 nicht für den WM-Titel, Foto: LAT Images
Vier Siegen reichten Alain Prost und Renault 1983 nicht für den WM-Titel, Foto: LAT Images

Prost bevorzugt Briten: Franzosen zu kompliziert

"Es ist für mich immer viel schwieriger gewesen, mit Franzosen zu arbeiten. Ich bin von meiner Mentalität her eher pragmatisch veranlagt, wie die Briten", erklärt Prost, der mit drei WM-Titeln für McLaren und einem für Williams zu einem der erfolgreichsten Fahrer der Geschichte wurde.

Auch wenn die Leistungen in seinem Lehrjahr bei McLaren 1980 nicht gestimmt hatten, so nahm er von dort einige wichtige Lektionen mit: "Manchmal versuchte ich den Leuten bei Renault Ratschläge zu geben, wie man unkomplizierter vorgehen kann. Es ging um pragmatischere Ansätze."

Bei Renault stieß er damit nicht auf offene Ohren. "Das war wirklich schwierig damals, denn keiner versteht das, wenn du jung bist und nach einem Jahr in der Formel 1 zur großen Maschine Renault, einem Konstrukteur, wechselst", so Prost. "Wenn du gewinnst, bist du ein Gott und wenn nicht, bist du nichts. Das ist nicht einfach. Dann beginnst du den Druck zu spüren, den du als junger Rennfahrer nicht erwartet hast."

Bei McLaren lief Alain Prost an der Seite von Niki Lauda zur Höchstform auf, Foto: Sutton
Bei McLaren lief Alain Prost an der Seite von Niki Lauda zur Höchstform auf, Foto: Sutton

Prost wird bei McLaren glücklich

1984 verpasste er den WM-Titel erneut. In der knappsten Entscheidung der Geschichte unterlag er Niki Lauda um einen halben WM-Punkt. Doch vom in dieser Saison besseren Fahrer geschlagen zu werden, verkraftete er besser als den technischen K.o. mit Renault. "Er hatte eine gute Saison, er war konstanter, er konnte gewinnen. Aber auch, weil wir so eine gute Beziehung hatten und die Stimmung im Team so großartig war. Wir hatten nie auch nur das geringste Problem", sagt er über den Österreicher.

McLaren blieb er sechs Jahre treu und gewann 1985, 1986 und 1989 die WM: "Es war ein großer Unterschied. Nicht die Größe des Teams aber die Philosophie und die Organisation. Du wusstest, an wen du dich wenden musstest und wer etwas zu sagen hatte. Und mehr als alles andere, wussten sie, wohin sie gehen wollten. Wenn ein Team dem Fahrer so die Richtung weisen kann, ist das fantastisch."