Herumfliegende Räder, die sich bei einem Unfall vom Rennwagen lösen, stellten lange Zeit ein großes Sicherheitsproblem für Rennfahrer, Streckenposten und Zuschauer der Formel 1 dar. Seit Ende der 90er Jahre werden die Räder durch Halteseile vor einem Abreißen gesichert.

Reifen können gefährliche Geschosse werden

Ein Formel-1-Rad, das sich bei einem Unfall mitsamt Felge und Teilen der Radaufhängung vom Auto löst, wiegt ungefähr 20 kg. Fliegt ein solches Rad nach einem Unfall unkontrolliert über die Strecke, kann es zu einem lebensgefährlichen Projektil werden. So wurden beim Italien GP 2000 in Monza und beim Australien GP 2001 in Melbourne Streckenposten durch herumfliegende Räder getötet. Doch auch für Fahrer, die sich einem Unfall nähern, können abgetrennte Räder gefährlich werden. So wurden Markus Höttinger am Hockenheimring bzw. Henry Surtees in Brands Hatch von Rädern der Konkurrenz am Kopf getroffen und tödlich verletzt.

Zylon Seile erhöhen Sicherheit

Seit 1999 müssen die Räder eines Formel-1-Wagens mit Halteseilen am Auto befestigt werden. Da sich auch in der Folge immer wieder Räder von den Monoposti lösten, wurde die Anzahl der Halteseile erhöht und ihre Stabilität sukzessive gesteigert. Heutzutage werden die Räder von Formel-1-Autos von insgesamt drei Halteseilen gesichert. Die Halteseile bestehen aus Zylonfasern und können jeweils einer Kraft von 70 Kilonewton (ungefähr 7 Tonnen) widerstehen.

Zylonfasern werden synthetisch hergestellt und weisen eine enorme Reißfestigkeit auf. Sie werden deswegen unter anderem in kugelsicheren Westen verwendet. Da die Halteseile durch die Aufhängungen der Autos verlaufen, sind sie von außen nicht zu sehen. Dies liegt vor allem daran, dass die Zylonfasern anfällig für UV-Licht/Feuchtigkeit sind und daher vor diesen Einflüssen geschützt werden müssen. Die drei Halteseile einer Radaufhängung sind jeweils an unterschiedlichen Stellen des Radträgers und des Chassis befestigt. Wenn bei einem Unfall eines der Halteseile reißt, können die übrigen beiden Halteseile die Funktion des gerissenen Seils übernehmen.

Halteseile bieten keine vollständige Sicherheit

Die Halteseile bieten heutzutage eine sehr gute Absicherung gegen unkontrolliert herumfliegende Reifen bei Formel-1-Rennen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Unfall zwischen Nico Rosberg und Narain Karthikeyan beim Abu Dhabi GP 2012. Rosberg fuhr mit dem linken Vorderrad auf das rechte Hinterrad von Karthikeyan auf und überflog in der Folge den HRT des Inders. Rosbergs Radaufhängung brach bereits bei der ersten Berührung mit Karthikeyans Hinterrad, das Rad blieb jedoch während des gesamten Unfallvorgangs am Mercedes-Boliden fixiert.

Doch auch wenn die Halteseile die Sicherheit deutlich erhöht haben, gibt es Situationen, in denen sie die Räder nicht am Auto halten können. Dies gilt z.B. für den Fall, dass sich ein Reifen von einer Felge löst. Auch ein beim Boxenstopp unzureichend befestigtes Rad kann von den Halteseilen nicht gesichert werden. Um solche Vorfälle zu verhindern, sieht das Reglement für ungenügend befestigte Räder empfindliche Strafen vor.

Es kommt jedoch auch immer wieder zu Vorfällen, bei denen die Reißfestigkeit der Halteseile überschritten wird. Dies gilt insbesondere für Unfallmechanismen, bei denen Biege- oder Drehbewegungen auf die Zylonfasern einwirken. So verlor Antonio Giovinazzi bei seinem Rennunfall in Spa 2020 das linke Hinterrad. Auch beim Grosjean Unfall in Bahrain 2021 lösten sich beide Vorderräder vom Chassis. In solchen Fällen können die Zylonseile die Räder zwar nicht am Auto halten, jedoch absorbieren sie eine Menge der Energie, mit der die Räder sonst über die Strecke fliegen würden. Außerdem haben die Fahrer durch die Einführung des Halo inzwischen einen zusätzlichen Schutz, um den Kopfbereich gegen herumfliegende Wrackteile abzusichern.