Diese Aussage hatte es in sich. „Ohne die Unterstützung von Mercedes wäre ich nicht in der Position, in der ich heute bin. Als Konsequenz daraus sind Lewis und Valtteri wie Teamkollegen für mich“, sagte George Russell am Donnerstag vor dem Großen Preis von Portugal in Portimao. Heißt im Klartext: Der Williams-Pilot - und Mercedes-Schützling - passt nach dem Unfall mit Valtteri Bottas in Imola nun also seine Herangehensweise an, sollte er sich auf der Strecke jemals wieder in der unwahrscheinlichen Lage befinden, im Williams gegen einen Mercedes kämpfen zu können.

Der Hintergrund der Aussage ist offensichtlich. Noch in Imola kritisierte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff Russell, er habe in der betreffenden Szene das globale Bild vergessen. Immerhin sei es ein Mercedes, den er da zu überholen versucht habe. Da müsse man das Risiko anders bewerten, so die Quintessenz. Später unterhielten sich Wolff und Russell noch ausführlich unter vier Augen.

Toto Wolff: Keine Regeln, aber auch keine Verwirrung

Für Russell ein ganz besonders wichtiges Gespräch. Er muss die Wogen dringend glätten - immerhin schielt er nicht nur auf ein Cockpit bei Mercedes ab der Saison 2022, sondern hat dieses längst ganz klar im Blick. Russell zufolge sei das Gespräch gut gelaufen. Konstruktiv und unterstützend sei Wolff gewesen. Unter dem Strich habe sich ihre Beziehung nun sogar verbessert als verschlechtert.

Auch, weil Russell nach seiner Entschuldigung sogar so einsichtig war, dass er sich Verhaltensregeln auferlegen ließ? Nein, negierte er bereits selbst am Donnerstag vor Portimao. Das bestätigte am Freitag auch Wolff. „Es gibt keine Regeln für keinen der Fahrer“, betonte der Wiener. „Es ging nur um Feedback.“ Einerseits eine erfreuliche Botschaft für alle Freunde aufrechten Racings. Anderseits: Verwirrt dieser Status einen jungen und hungrigen Piloten wie Russell nun nicht nur? Ab sofort darf er zwar angreifen, weiß allerdings, dass ihn Ärger erwarten wird, sollte es erneut krachen. „Es gibt keine Verwirrung, auf keiner Seite“, widersprach Wolff.

Wolff zeigt Verständnis: Erwarte Attacke von Russell

Näher ins Detail gehen wollte Wolff nicht. Er wolle die Gespräche vertraulich halten. So sah es schon Russell. Grundlegend gehe es nun ganz einfach um eine korrekte Risikoabwägung. „Fahrer müssen eine Lücke nutzen“, betonte Wolff. „Manchmal geht es darum zu bewerten, ob es ein Risiko gibt oder nicht. Ich denke, dass ein junger Fahrer immer die Gelegenheit ergreifen wird. Nichts anderes wird erwartet.“

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Damit bleibe nur eine Frage: „Gibt es genug Reaktionszeit, um zu bewerten, wer im anderen Auto ist? Ich denke nicht.“ Damit nahm Wolff einen großen Teil seiner ursprünglichen Kritik an Russell zurück. Dieser Aussage zufolge, hätte Russell in einer Rennsituation bei 300 km/h nicht an Dinge wie seine Mercedes-Verbindung denken müssen oder können. Zu 100 Prozent sei sowieso nie jemand schuld, ergänzte Wolff.

Absprachen zwischen Formel-1-Teams?

Von Absprachen zwischen Motorenkunde Williams und Mercedes wollte Wolff nichts wissen. Immerhin - so eine pikante Nachfrage in der Pressekonferenz am Freitag - hätte man Bottas ja auch anweisen können, Russell einfach durchzulassen, wenn der Finne und der Brite doch Teamkollegen seien, wie Russell selbst dargelegt hatte. „Ich weiß wirklich nicht, was ich auf so eine Frage antworten soll“, entgegnete Wolff.

Gerade in diesen Zeiten interessant daran: Ein großes Thema in der Formel 1 sind aktuell generell die Beziehungen von Motorenherstellern und ihren Motorenkunden. Kürzlich forderte McLaren-CEO Zak Brown bei Regelabstimmungen künftig geheime Wahlen - um sicherzustellen, dass jedes der zehn Teams auch im eigenen Interesse votiere und nicht auf Wunsch eines großen Partnerteams.

Red Bull & AlphaTauri: Fahren frei & hart gegeneinander

Absprachen unmittelbar auf der Strecke sind allerdings noch einmal etwas anderes. Ein Thema, zu dem ganz besonders Christian Horner etwas beisteuern kann. Mit Red Bull und AlphaTauri gibt es immerhin zwei Teams, die sogar zum selben Mutterkonzern gehören. Doch selbst dort - so Horner - gäbe es keine Anweisungen.

„Es gibt keine Instruktionen, effektiv als ein Team zu arbeiten“, betonte der Teamchef von Red Bull Racing. „Es gibt nur die Bitte, die anderen Mitglieder zu respektieren, damit hat es sich. Sie dürfen frei und hart gegeneinander fahren, wie wir es schon einige Male gesehen haben.“ Kam es in der Vergangenheit so, war die Verwunderung dennoch mindestens einmal groß. „Sie fahren so hart gegen mich“, klagte beim Eifel GP 2020 ein gewisser Alexander Albon am Red-Bull-Boxenfunk über Gegenwehr der AlphaTauri-Piloten …