Die Formel 1 blickt gespannt auf den nächsten Schlagabtausch zwischen Mercedes und Red Bull. Vor dem zweiten Wochenende der Saison in Imola ist nur eines klar: Die Autos von Weltmeister Lewis Hamilton und Herausforderer Max Verstappen sind die klaren Favoriten auf den Sieg. Der WM-Kampf ist an mehreren Fronten im vollen Gange. Neben Technik und Strategie wird vor allem entscheidend sein, wer nach Bahrain seine Hausaufgaben am besten gemacht hat.

"Das ist der Kampf der Titanen. Verstappen hat jetzt ein Auto, das eigentlich ein bisschen schneller als der Mercedes ist, aber er hat trotzdem verloren. Hamilton ist Extraklasse gefahren. Das sind die Zweikämpfe, die in der Geschichte der Formel 1 den Unterschied gemacht haben. Senna gegen Prost war nur deshalb Senna gegen Prost, weil sie auf Augenhöhe, in dem Fall sogar im gleichen Auto, gegeneinander fahren konnten", blickt Formel-1-Experte Christian Danner im Interview mit Motorsport-Magazin.com voller Vorfreude auf Imola.

Der starke Saisonauftakt von Red Bull versetzte Experten und Fans trotz der schlussendlichen Niederlage der Österreicher in Euphorie. Nach Jahren der Mercedes-Dominanz scheint es endlich wieder einen Herausforderer für die Seriensieger zu geben. "Red Bull hat einen Saisonstart hingelegt, den man so von ihnen gewohnt war, denn die sind am Anfang normalerweise deutlich hinterhergefahren", so Danner.

Red Bull setzt auf Zuverlässigkeit und Updates

In Bahrain war vor allem die Qualifying-Performance des RB16B eine Ansage. Verstappen fuhr mit vier Zehntelsekunden Vorsprung auf Hamilton zur Pole Position. Am Sonntag hingegen lief es für die Favoriten nicht nach Plan. Die Zuverlässigkeit bereitete beiden Piloten Probleme. Sergio Perez rettete seine Teilnahme am Rennen mit einer geistesgegenwärtigen Reaktion, als sich sein Auto auf dem Weg in die Startaufstellung einfach abmeldete.

Der Mexikaner fuhr die Systeme wieder hoch und nahm das Rennen aus der Boxengasse auf, um als Fünfter noch wichtige WM-Punkte zu retten. Verstappen erlebte ebenfalls keinen reibungslosen Sonntag. Sowohl er als auch Perez litten unter Problemen mit dem Differential, die zu einem Traktionsverlust und Einbußen in der Rundenzeit führten.

"Wir müssen dieses Auto in den Griff bekommen und es muss fahren, ohne uns Probleme zu bereiten", so Red Bulls Chefingenieur Paul Monaghan mit Blick auf die Kinderkrankheiten. Die Optimierungen im Bereich der Zuverlässigkeit sind nicht alles, was Red Bull für Imola geplant hat.

"Wir haben schon einige Entwicklungen für Imola bereit und in der Pipeline, sowie auch für die darauffolgenden Rennen. Wir werden bis Imola so viel Performance wie möglich ans Auto bringen", sagt Monaghan. Ungeachtet der Pläne für das bevorstehende Event, sieht Danner den Red Bull klar als das stärkere Paket: "Eindeutig. Das Auto war schneller, aber ein bisschen schneller zu sein langt noch nicht, da muss schon wirklich alles passen."

Was ist mit Sebastian Vettel los? Danner spricht Klartext! (33:06 Min.)

Mercedes muss technische Defizite mit perfekter Leistung kompensieren

Mercedes kämpft auf der anderen Seite gegen die Nachwehen der neuen Aerodynamik-Regeln, durch die das Konzept des F1 W12 ins Hintertreffen geraten zu sein scheint. Der Verlust von Downforce an der Hinterachse spielt Red Bull mit dem traditionell steilen Anstellwinkel des Autos in die Karten. Die Titelverteidiger lassen sich angesichts dessen aber nicht zu einer Panikreaktion hinreißen.

"Wir haben ein Auto, das die Weltmeisterschaft gewinnen kann, wenn wir ein paar gute Entscheidungen damit treffen, gut arbeiten und über das Jahr hinweg sauber operieren", so Andrew Shovlin, seines Zeichens Mercedes' leitender Ingenieur an der Rennstrecke. "Am Anstellwinkel können wir nichts ändern. Wir können das Heck des Autos nicht einfach 30 mm anheben, denn dann könnten wir die Saison abhaken. Wir würden dabei zu viel verlieren und das aufzuholen, ist nicht praktikabel."

In Bahrain spielte Mercedes trotz technischer Nachteile seine Stärken richtig aus, um Red Bull schlussendlich doch zu bezwingen. "Wir müssen smarter sein und unser Wochenende auch angesichts der Tatsache, dass wir im Moment nicht das schnellste Auto haben, über die Bühne bringen", sagt Hamilton. "Aber das ist für mich in Ordnung. Ich habe kein Problem damit, extra etwas draufzulegen um den Unterschied zu machen."

Nächste Strategieschlacht in Imola?

Neben Hamiltons fahrerischer Leistung machte beim Saisonauftakt auch die Arbeit des Kommandostandes den Unterschied - und das ohne das gewisse Extra. "Es war ein klassischer Undercut und sonst nichts. Sie haben gehofft, dass es klappt", so Danner. "Es ging um Track Position vor Performance-Berechnung. Theoretisch hätte Verstappen den Hamilton locker überholen können müssen, aber es hat nicht geklappt, weil Track Position eben doch wichtiger ist."

Imola verspricht umso mehr ein Kampf der Strategen zu werden, denn auf dem klassischen Layout des Autodromo Enzo e Dino Ferrari fällt Track Position deutlich mehr ins Gewicht. Angesichts dessen könnten auch die Teamkollegen der Favoriten eine wichtigere Rolle im Kampf um den Sieg spielen. Perez wurde durch eine schlecht Startposition und den Defekt vor dem Start daran gehindert, an der Spitze einzugreifen. Bei Valtteri Bottas sorgte ein verpatzter Boxenstopp für den Abriss.

"Es wird richtig spannend, wenn Perez und Bottas auch in diese Strategiespielchen involviert werden. Wenn sie dabei sind, wird das Ganze nicht mehr so vorhersehbar", prognostiziert Danner. In dieser Hinsicht wird es vor allem auf Perez ankommen, der anders als Bottas nicht auf seine langjährige Erfahrung im Team bauen kann.

Perez und Verstappen lernen auf eigene Weise

"Da gibt es ein paar spezifische Dinge in Bezug darauf, wie ich das Auto fahre. Ich muss meinen Fahrstil an das Auto anpassen. Das dauert ein bisschen, weil es sehr anders als das ist, was ich vorher kannte", so der Red-Bull-Neuzugang. Das erste Wochenende hinter dem Steuer des RB16B absolviert zu haben, gibt ihm ein gutes Gefühl für Imola.

"Es war gut, das Auto besser zu verstehen. Wir entwickeln ein Gefühl füreinander, das stimmt mich zuversichtlich. Im Moment findet alles noch zusammen und wenn es so weit ist, werden wir ziemlich stark sein", erklärt er. Etwas, das bei Teamleader Verstappen auch mit Blick auf den WM-Kampf für Danner längst außer Frage steht.

"Ich glaube schon, dass er WM-fähig ist. Dazu hat er die Klasse", so der 36-fache Grand-Prix-Teilnehmer. Dass er in Bahrain an Hamilton scheiterte, sieht er als Teil der beim Niederländer weiter steigenden Formkurve. "Eines muss man Max Verstappen schon lassen, neben seinem ganzen Talent und der unglaublichen Fahrzeugbeherrschung: er lernt sehr gut dazu und die Lektion die er da in Bahrain gelernt hat, vergisst er so schnell nicht, denn das war eigentlich sein Rennen."