Am kommenden Wochenende beginnt in Bahrain die vielleicht längste Formel-1-Saison der Geschichte. 23 Rennen sollen Sebastian Vettel & Co 2021 trotz Corona-Pandemie bestreiten. Das wäre Rekord. Um Rekorde geht es in dieser Saison auch wieder für Lewis Hamilton und Mercedes. Doch vor dem Saisonstart zeichnen sich bei den Weltmeistern Probleme ab, die ihre erneute Mission WM-Titel womöglich erstmals ernsthaft gefährden könnten.
Die eigenen Schwächen und die Gefahr von Red Bull mit Max Verstappen und Sergio Perez beleuchtet Motorsport-Magazin.com in den ersten Brennpunkten des Jahres. Auch unter den heißesten Fragen vor dem ersten Formel-1-Rennen der Saison 2021: Was geht für Sebastian Vettel trotz der Probleme zum Einstand bei Aston Martin? Was kann sein Ex-Team Ferrari? Und: An welche Neuheiten müssen wir uns am Wochenende erst einmal gewöhnen?
Bahrain-Brennpunkt 1: Was ist 2021 alles neu?
Autos homologiert, Reglement weitgehend stabil. Dennoch erwarten uns in der Formel 1 2021 geradezu unzählbare Neuerungen. Besonders bedeutend: Erstmals greift eine Budgetobergrenze. Mehr als 148 Millionen US-Dollar (bei 23 Rennen) darf kein Team ausgeben. Und das trotz Doppelentwicklung - inklusive Windkanal-Malus für sportliche Erfolge - für die große Revolution 2022 und diese Saison. Denn auch für 2021 musste noch Einiges getan werden. Die Aerodynamik wurde an mehreren Stellen beschnitten, noch dazu mussten die Ingenieure die Autos an eine neue Konstruktion der Pirelli-Reifen anpassen.
Damit längst nicht genug. Das Wochenendformat sieht 2021 etwas anders aus. Am Freitag wird nur noch zweimal 60 Minuten statt zweimal 90 trainiert, am Sonntag starten die Rennen wieder zur vollen Stunde statt um xx:10 Uhr. Im weiteren Saisonverlauf sollen testweise zudem sogenannte Sprint-Qualifyings (kurze Rennen an Samstagen) ausgetragen werden. Hier bedarf es noch Abstimmung.
Zwei neue Rennen begrüßen wir 2021 mit den Grands Prix in den Niederlanden und in Saudi-Arabien genauso, wie drei neue Fahrer. Yuki Tsunoda bei AlphaTauri sowie Mick Schumacher und Nikita Mazepin bei Haas geben ihre Debüts. Noch dazu kehrt ein gewisser Fernando Alonso zurück - zu Renault, das jetzt eigentlich Alpine heißt und blau statt gelb gefärbt ist. Auch Racing Point gibt es nicht mehr. Stattdessen müssen wir uns an Aston Martin in British Racing Green und mit Sebastian Vettel gewöhnen. Bei Ferrari ersetzt hat ihn Carlos Sainz. Dessen McLaren-Cockpit hat wiederum Daniel Ricciardo übernommen. Nicht zuletzt neu: Sergio Perez endlich in einem Top-Team angekommen, bei Red Bull.
Einzig bei Williams, Mercedes und Alfa Romeo sind die Fahrerpaarungen noch dieselben wie im Vorjahr - selbst die Formel-1-Führung selbst hat rochiert. Stefano Domenicali heißt der neue Big Boss und Erbe Chase Careys. Zumindest in Deutschland zudem sehr relevant: RTL überträgt nur noch vier Rennen im Free-TV, alles gibt es einzig und allein gegen Geld bei Sky. In Österreich teilen sich ab dieser Saison im losen Wechsel ServusTV und ORF die Rennen.
Bahrain-Brennpunkt 2: Hat Mercedes bei den Tests geblufft?
Keine Bestzeiten, nicht einmal Rundenkönige und alles andere als kugelsicher: Mercedes präsentierte sich bei den Testfahrten zur Formel-1-Saison 2021 in so schlechter Frühform wie in der gesamten Hybridära nicht. Ein früher Getriebeschaden war da die passende Hiobsbotschaft. Lewis Hamilton und Valtteri Bottas klagten zudem über ein nervöses Heck des W12. Fahrer und Team führen das auch auf die Regeländerungen (s.o.) zurück. Haben diese Mercedes härter getroffen als die meisten anderen?
Doch ist das nur eine weitere Ausprägung des sogenannten Sandbaggings oder Toto-Tiefstapelns? Understatement eben. Das vermutet die Konkurrenz. Mercedes habe die Motoren längst nicht voll aufgedreht und sei auch mit schwererem Auto unterwegs gewesen, heißt es etwa von Red Bull. Das will der Weltmeister auch gar nicht bestreiten. Die Probleme gebe es allerdings dennoch. Toto Wolff verglich bereits mit der 2017er ‚Diva’.
Bahrain-Brennpunkt 3: Ist Red Bull in Bahrain Favorit?
Die Testfahrten waren das genaue Gegenteil des Vorjahres. Alle Probleme, die damals Red Bull plagten, plagten nun Mercedes. Red Bull dagegen fuhr plötzlich wie auf Schienen - schnell, zu verlässig und vor allem gutmütig und fahrbar. Der RB16B gilt deshalb für einige Experten sogar als Favorit - zumindest zu Saisonbeginn, bis Mercedes etwaige Probleme ausgeräumt haben mag.
Red Bull schiebt die Favoritenrolle dennoch weiter fleißig von Milton Keynes nach Brackley oder Salzburg nach Stuttgart - wie man denn nun will. Allerdings sind sich die Bullen einem ganz anderen, neuen Ass im Team durchaus bewusst. Sergio Perez überzeugte beim Test aus dem Stand. Auch dessen läutet Toto Wolff bei Mercedes seine Lieblingsglocke. Die Alarmglocke.
Bahrain-Brennpunkt 4: Muss sich Vettel Sorgen machen?
Ähnlich schwach liefen die Testfahrten 2021 für Mercedes’ liebsten Kunden Aston Martin, insbesondere Neuzugang Sebastian Vettel kam beim Test nicht in Fahrt. Ob Software, Turbo oder Getriebe - die Liste der Defekte, die dem Deutschen die Eingewöhnung erschwerten, war lang. Vettel gelangen gerade einmal gut 100 Runden, nur Williams-Reservist Roy Nissany fuhr - bei weniger Zeit - weniger. Auch auf Pace kam Vettel noch nicht.
Wir das erste Rennen in Bahrain also eher zum erweiterten Wintertest? Das steht zu befürchten. Immerhin muss sich Vettel an gleich dreierlei gewöhnen: Nicht nur das Team ist neu, sondern auch das Auto-Konzept und - nicht zuletzt - die Power Unit. Erstmals überhaupt in der Formel 1 fährt Vettel mit Mercedes-Antrieb. 100 Runden, so Vettel selbst, hätte er gerne mehr gehabt. Zittern würde er vor seinem ersten Rennen im AMR21 nun dennoch nicht. Er sei ja kein Rookie mehr.
Bahrain-Brennpunkt 5: Ist Ferrari wieder ein Top-Team?
Noch weniger Rookie als Vettel ist Ferrari. Länger gedient als das ehemalige Team des Deutschen hat in der Formel 1 bekanntlich kein anderer Rennstall. 2020 stürzte Ferrari allerdings ins Bodenlose. Nach Betrugsvorwürfen um die Power Unit des Vorjahres und einer Einigung mit der FIA - Inhalt bis heute unbekannt - fehlte es im Vorjahr plötzlich an Leistung. Auch die aerodynamische Effizienz des SF1000 stimmte nicht. Das Resultat: Nur WM-Rang sechs, geradeso vor AlphaTauri.
Hat sich Ferrari 2021 gebessert? Die Testfahrten deuteten daraufhin. So vorsichtig man die Eindrücke und Daten bei Tests auch betrachten muss, zumindest etwas näher dran in Sachen Topspeed schienen die Roten. Das spiegelten auch die Aussagen der Fahrer, inklusive der nun wieder etwas optimistischeren Kundenteams. Nicht nur die Power soll besser sein, auch das Auto. Immerhin hat kaum ein Team seinen Boliden so umfangreich umgebaut wie Ferrari.
Aber: Illusionen, sich sofort wieder zurück in den Kreis der Top-Teams katapultieren zu können, gibt sich bei Ferrari kaum jemand hin. Einen Teil des Rückstands, so Charles Leclerc, habe man wohl aufgeholt. Aber längst nicht so viel, um gleich wieder Mercedes und Red Bull herausfordern zu können. Wird Ferrari zumindest wieder dritte Kraft, wäre das bereits ein erfolgt.
diese Formel 1 Nachricht