Wer war der absolut schnellste Fahrer der Formel-1-Saison 2020? Es war eine Saison, die viele spannende Qualifyings bieten konnte - und viele spannende Qualifying-Duelle zwischen den Teamkollegen.

Motorsport-Magazin.com macht sich also auf die Suche nach den besten und schlechtesten Qualifying-Performern des Jahres. In der Analyse: Sebastian Vettels Absturz gegen Charles Leclerc, die Probleme von Alex Albon, das Potential von George Russell und warum Daniel Ricciardo und Lewis Hamilton Messlatten für den Rest der Welt sind.

Die Durchschnitts-Zeiten, die wir hier vergleichen, sind zum einen jeweils der Wert der letzten gemeinsamen Session an einem Samstag. Wenn also ein Fahrer in Q2 hängen bleibt und der Teamkollege in Q3 aufsteigt, wird der Abstand von Q2 herangezogen. Außerdem wird der Saison-Schnitt berechnet. Der setzt sich bei jedem Rennen aus allen bis dahin stattgefundenen Qualifying-Segmenten zusammen, die beide Fahrer bestritten haben.

Als Einleitung leistet zuerst aber einmal der Unterschied bei der durchschnittlichen Qualifying-Platzierung gute Dienste. Schon hier zeigen sich Auffälligkeiten ab - vor allem aber, wie desaströs Samstage im Regelfall für drei Fahrer verliefen: Sebastian Vettel, Alex Albon und Nicholas Latifi.

Albon kostete diese Vorstellung wohl die Karriere. Auf eine Runde war es ihm unmöglich, viel näher als drei Zehntel an Max Verstappen heranzukommen. Verstappen selbst ist sicher ein guter Qualifier, aber Albon konnte den Red Bull über eine Runde nie am Limit bewegen. Fehler waren für ihn am Samstag in alles entscheidenden Segmenten an der Tagesordnung, was ihn immer wieder ins Mittelfeld zurückwarf. Damit hatte er sich sein Rennen schon vorab ruiniert.

Verstappen hingegen erlebte meist ruhige Samstage, ohne Benchmark. Sein durchschnittliches Qualifying-Ergebnis war der 3. Platz - für die erste Reihe war der Red Bull zu langsam, aber immerhin konnte Verstappen gelegentlich unter Beweis stellen, dass seine Samstags-Form sich der absoluten Spitze nähert. Besonders beim Finale in Abu Dhabi, seiner einzigen Pole.

Nur ein Fahrer war im Team-Vergleich besser als Verstappen - George Russell. Der Williams-Pilot war aber an Samstagen keineswegs fehlerfrei. Dass er so weit vor Nicholas Latifi liegt, hängt auch mit Latifis miserabler Samstags-Form zusammen. Der Kanadier war in seiner ersten Saison auf verlorenem Posten, bekam das Fahrzeug-Setup für eine Push-Runde nie hin und kämpfte konsequent mit der Balance.

Am meisten sagt ausgerechnet der Emilia Romagna GP aus - wo Latifi mit nur 0,088 Sekunden sein vermeintlich bestes Qualifying-Ergebnis einfuhr. In Wahrheit war Russell hier auf seiner letzten Runde von der Strecke und ins Gras gerutscht. Trotzdem war Russells Runde besser.

Wie gut Russells Samstags-Performance war, ist also wie bei Verstappen schwer einzuschätzen. Allerdings bekam es Russell einmal mit einem echten Gegner zu tun: In Sakhir, als er für ein Rennen bei Mercedes für Lewis Hamilton einsprang. Hier verpasste Russell die Pole nur um Hundertstel, und war dran an Valtteri Bottas. Dran an jemandem, der in den meisten anderen Rennen dran war am Pacesetter des Samstages. Für Russell durchaus eine Empfehlung, das aus dem Stand zu schaffen.

Niemand in der Formel 1 kann aber aktuell so konstant Pole-Runden abliefern wie Lewis Hamilton. Sicher, das Auto hilft, aber Hamilton hat die Fähigkeit, auf der alles entscheidenden letzten Runde das Auto perfekt ans Limit zu bringen und das letzte Zehntel herauszuholen. Damit trieb er Valtteri Bottas zur Verzweiflung. Der Finne hat an seiner Samstags-Form hart gearbeitet und ist schnell - aber das letzte Zehntel ist schwer zu finden.

Noch jemand, der es versteht, das letzte Zehntel abzurufen, ist Daniel Ricciardo. Sein neuer Teamkollege Esteban Ocon musste ordentlich einstecken. Er war schnell, aber fast an jedem Wochenende eben dieses eine Zehntel langsamer. Wenn er einmal versuchte, auf Ricciardos Level zu kommen, endete das wie in Mugello oft mit Fehlern und Ausritten.

Bei Renault fällt das unschön auf, weil das Team zu den Grenzgängern des engen Mittelfelds zählt. Ein Zehntel kann über Q3 entscheiden, und hier fällt Ocon ungut auf. Ricciardo hingegen unterstreicht, warum er es verdient, in einem Atemzug mit Hamilton und Verstappen genannt zu werden. Wenn es drauf ankommt, kann er 100 Prozent abrufen und das Potenzial des Autos maximieren.

Die Q3-Einzüge verdeutlichen auch, wie gut eigentlich McLarens Doppelspitze von Carlos Sainz und Lando Norris ist. Neben Ricciardo sind sie die einzigen Fahrer des Mittelfeldes, die 14 mal ins letzte Segment kamen - obwohl das Auto keineswegs klar besser als ein Renault oder ein Racing Point war. Das unterstreicht, was das Team um Andreas Seidl nie müde wird zu betonen: Team und Fahrer sind höchst konstant und zuverlässig.

Sainz gegen Norris endete nach dem Finale tatsächlich nominell in einem Patt. Dass sie gut sind, haben sie eindeutig bewiesen. Wie gut, wird erst 2021 entschieden: Norris muss sich an Ricciardo messen. Und Sainz wechselt zu Ferrari, wo sich Charles Leclerc in dieser Saison zum samstäglichen Alleinherrscher aufgeschwungen hat.

Sebastian Vettels letztes Ferrari-Jahr endete unrühmlich, er kam bei der Auto-Balance nie auf einen grünen Zweig. Leclerc hingegen adoptierte, wohl wissend um die Defizite des SF1000, einen Ansatz der vollen Attacke - und anders als viele andere Fahrer schaffte er es, das Auto trotzdem fast nie zu überfahren und mehrere Ausrufezeichen zu setzen. Seine Bewerbung für die höchste Stufe.

Vettel hingegen konnte nicht schneller, und wusste nie warum. Er wusste nur: Wenn er mehr versuchte, überfuhr er das Auto sofort und begann Fehler zu machen. Warum das Leclerc nicht passierte, konnte er nie sagen. Seine einzigen Ausrufezeichen setzte er in den Regen-Qualifyings der Steiermark und der Türkei setzen. Daraus könnte man lesen, dass er es schon noch kann.

Regen-Qualifyings könnten aber auch irreführend sein. Sergio Perez gewann das Duell gegen Lance Stroll auf trockener Strecke deutlich, und hat den viertbesten Startplatz-Schnitt hinter Hamilton, Bottas und Verstappen. Was zur absoluten Spitze fehlt: Regen-Können. Zwei desaströse Auftritte im Nassen. Stroll allerdings begann ab der Saisonmitte besorgniserregend weit zurückzufallen.

Umgekehrt sah es übrigens bei AlphaTauri aus. Pierre Gasly schien zu Saisonbeginn unschlagbar. War das Auto gut, kämpfte er an der Spitze des Mittelfeldes. War das Auto an einem Wochenende nicht gut, konnte er es, ohne zu übertreiben, noch auf einen guten Platz hieven. Kvyat schaffte es ewig nicht, überhaupt den Setup-Sweetspot zu finden. Bis zum finalen Triple Header. Plötzlich hatte er ihn und war auf Gaslys Level, während der Probleme hatte. Warum? Das können beide Fahrer nicht beantworten. Für Kvyat war es zu spät. Die Entscheidung, ihn gegen Yuki Tsunoda zu tauschen, war da wohl schon gefallen.

Haas verdient sich schließlich noch eine Erwähnung. Hat Kevin Magnussen doch Romain Grosjean als einen der besten Qualifier der Formel 1 bezeichnet. Stimmt das? Zum Teil. Grosjeans größtes Problem ist, dass er es im Qualifying übertreibt und das Auto überfährt. Der unberechenbare Haas VF-20 bestrafte das hart. Funktionierte es, war Grosjean der Held. Öfter aber baute er Fehler ein, und landete im Nirgendwo.

Das ergibt zum Schluss schließlich die durchschnittliche Startaufstellung eines Rennens in dieser Saison: HAM-BOT-VER, Perez verdrängt Albon aus der zweiten Reihe, Ricciardo schlägt die McLaren, Leclerc weit vor Vettel, Russell knapp in Q2.

ReiheFahrerFahrer
1Hamilton (Pole)Bottas
2VerstappenPerez
3AlbonRicciardo
4NorrisSainz
5LeclercStroll
6OconGasly
7KvyatVettel
8RussellRäikkönen
9MagnussenGiovinazzi
10GrosjeanLatifi