Mercedes machte die Trainings für das Formel-1-Rennen in Bahrain an diesem Wochenende wieder zu einer einseitigen Angelegenheit. Zwei klare Bestzeiten für Weltmeister Lewis Hamilton ließen an der Favoritenrolle in der Wüste keine Zweifel aufkommen. Auf den Longruns hingegen sind die Champions nach dem Freitag eine absolute Wundertüte. Während die Konkurrenz fleißig die Hausaufgaben machte, hielt sich Mercedes mit Zukunftsmusik auf. Red Bull könnte mit Pirellis Reifenwahl das große Los gezogen haben.

Die schnellste Runde von Hamilton etwa eine Viertelstunde vor dem Ende des 2. Freien Trainings war viel mehr die Pflicht als eine Kür. Der Brite umrundete den 5,412 km langen Bahrain International Circuit auf dem Soft-Reifen in 1:28.971 Minuten und verwies Max Verstappen damit auf die zweite Position. Der Niederländer verlor dreieinhalb Zehntelsekunden. Im Gegensatz zum Leader war er bei seiner persönlichen Bestzeit allerdings auf dem Medium-Compound unterwegs.

Valtteri Bottas war auf dem Soft-Reifen minimal langsamer als Verstappen. Hinter den Top-3 folgte erneut ein dichtgedrängtes Mittelfeld, angeführt von Sergio Perez im Racing Point. Der Mexikaner büßte viereinhalb Zehntel auf die Bestzeit ein und war damit nur knapp schneller als Renault-Pilot Daniel Ricciardo. Mit Lando Norris gelang auch einem McLaren der Sprung in die Top-10.

Die Scuderia fuhr gleich mit zwei Autos unter die ersten Zehn - allerdings nicht die aus Maranello, sondern die aus Faenza. Sebastian Vettel war auf dem weichen Reifen sieben Zehntelsekunden langsamer als Perez. Ferrari schaltete sich in den letzten Rennen mit starken Ergebnissen in den Kampf um Rang drei der Konstrukteure ein, doch in Bahrain scheinen die Italiener zurück auf dem Boden der Tatsachen zu sein.

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Mercedes büßt für übereifrigen Reifentest

Auf den Longruns deckt sich dieses Bild bei Ferrari, jedoch nicht an der Spitze. Anstelle von Mercedes ist Red Bull sowohl auf Soft als auch auf Medium vorne. Letzteres sogar außer Konkurrenz, da Mercedes im zweiten Training schlichtweg keine Longruns auf der mittleren Reifenmischung fuhr.

Hamilton und Bottas waren zu Beginn des FP2 mit etwas ganz anderem beschäftigt. Pirelli bat zum Test des 2021er C3-Prototypen, auf dem jeder Fahrer verpflichtend sechs gezeitete Runden fahren musste. Bis auf Mercedes beschränkten sich die Teams mehr oder weniger auf diese Vorgabe. Die Weltmeister verbrachten fast die Hälfte der 90-minütigen Sitzung auf dem Entwicklungsträger und spulten 37 Runden ab.

Der Arbeitseifer wurde ihnen zum Verhängnis, als Red-Bull-Pilot Alexander Albon und ein Hund rund 20 Minuten Trainingszeit kosteten. Erst crashte der Thailänder und sorgte für eine rote Flagge, bei der nicht nur sein Auto geborgen sondern auch die Streckenbegrenzung repariert werden musste. Wenige Minuten nach Wiederaufnahme der Session stürmte ein Vierbeiner die Rennstrecke, was zu einer erneuten Unterbrechung führte.

Das Longrun-Programm wurde somit auf die letzten 25 Minuten des Trainings reduziert. Mercedes kam unter diesen Umständen auf keinen grünen Zweig. Zufriedenheit mit den Tests des 2021er Reifens gingen auf Kosten der Vorbereitung des bevorstehenden Rennwochenendes. "Wir sind ein bisschen hinten dran, was das Rennen am Sonntag angeht", gesteht Mercedes-Chefingenieur Andrew Shovlin aber.

Mercedes im Longrun deutlich hinter Red Bull

Hamilton und Bottas absolvierten lediglich Longruns auf dem Soft-Reifen und lagen dabei deutlich hinter Pace-Setter Verstappen zurück. Der Champion büßte im Mittelwert zwei Zehntelsekunden ein, sein Teamkollege nahezu eine Sekunde. "Teils, weil wir nicht so lange wie sonst mit dem Anpassen der Auto-Balance beschäftigt waren, aber auch, weil wir kein so extensives Longrun-Programm wie sonst gefahren sind", erklärt Shovlin den Rückstand.

Mercedes rechnet mit einem Sprung am Samstag, allerdings auch mit der starken Pace von Red Bull. "Ich denke, Red Bull wird vorne dabei sein, die haben gut ausgesehen", so Bottas. Vor dem Wochenende war Verstappen noch verhalten, doch nach dem erfolgreichen Test neuer Teile im FP1 sowie der Performance im zweiten Training wittert der 23-Jährige eine Chance.

"Wir müssen uns einfach darauf konzentrieren, eine noch bessere Balance zu bekommen und uns auf das Rennen fokussieren. Denn die Reifen sind hier ziemlich knifflig, die bauen Runde für Runde stark ab", so Verstappen. Bei den Europarennen im kühlen Herbst hatte er mit dem RB16 in den vergangenen Wochen keine Möglichkeit, Mercedes gefährlich zu werden. In der Hitze von Silverstone war er im Sommer hingegen erfolgreich.

Pirellis Reifenwahl ein Geschenk für Red Bull?

Tatsächlich gibt es zwischen dem Rennen in Großbritannien und dem am Sonntag in Bahrain stattfindenden schon jetzt eine Gemeinsamkeit. Da in Silverstone ein Double-Header gefahren wurde, hatte Pirelli für das zweite Event weichere Reifenmischungen gewählt. In Bahrain werden an diesem Wochenende mit C2, C3, und C4 eine Stufe weichere Compounds als letztes Jahr gefahren.

"Wir wissen, welch eine Herausforderung Bahrain ist was das Überhitzen der Hinterreifen angeht. Letztes Jahr haben die meisten Teams den C1 nicht genutzt, sondern hauptsächlich C2 und C3. Dadurch wurden hauptsächlich Zweistopp-Strategien gefahren. Wir haben uns entschieden eine Stufe weicher zu gehen, um den Teams eine Extra-Challenge zu geben", so Pirelli-Sportchef Mario Isola.

Nachdem Albon seinen Red Bull noch vor dem Start des Longrun-Programms zerlegte, musste Verstappen neben dem Soft auch den Medium unter die Lupe nehmen. Auch auf der mittleren Reifenmischung war er der schnellste Mann auf der Strecke. Mit einem Durchschnitt von 1:35.606 Minuten war er kaum langsamer als auf dem vermeintlich schnelleren Reifen. Das Delta zwischen den drei Compounds soll laut Pirelli jeweils sechs Zehntelsekunden betragen. Bei Verstappen waren es nur acht Tausendstelsekunden.

"Die Streckenverhältnisse waren heute etwas seltsam", so der Einwand von Isola gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Es war ziemlich rutschig und wir haben zwischen der ersten und der zweiten Session nicht die übliche Verbesserung gesehen. Ich bin mir nicht zu 100 Prozent sicher, wie repräsentativ die Performance der Reifenmischungen im FP2 ist."

Ferrari hofft auf Turnaround

Ferrari dürfte sich wünschen, dass der Italiener Recht behält. Leclerc war auf dem Soft-Compound über anderthalb Sekunden langsamer als Verstappen. Vettel büßte auf Medium ebenfalls rund eine halbe Sekunde ein. "Durch die Kurven ist es einfach sehr knifflig und das macht es ziemlich schwierig, das Auto zu managen, sodass ich einige Fehler gemacht habe", klagt Leclerc.

2019 holte der Monegasse in Bahrain seine erste Pole Position. Bei der Rückkehr bleibt ihm nur die Hoffnung darauf, im Kampf um die Top-10 am Samstag noch den Turnaround zu schaffen um so den Anschluss an Racing Point & Co. herzustellen: "Die Zeiten sind aber eng beisammen, sodass alles, was wir finden, im Ergebnis einen großen Unterschied ausmachen kann."

Formel 1, Bahrain-Training: Longruns auf Soft-Reifen

Fahrer Ø RundenzeitRückstand in Sek.Reifenalter in Runden
Max Verstappen1:35.59811
Lewis Hamilton1:35.803+ 0.20510
Pierre Gasly1:35.966+ 0.36912
Kimi Räikkönen1:36.016+ 0.41812
Valtteri Bottas1:36.095+ 0.49712
Carlos Sainz1:36.575+ 0.97713
Daniel Ricciardo1:36.768+ 1.17015
Lando Norris1:36.815+ 1.21712
Charles Leclerc1:37.270+ 1.67318

Formel 1, Bahrain-Training: Longruns auf Medium-Reifen

Fahrer Ø RundenzeitRückstand in Sek.Reifenalter in Runden
Max Verstappen1:35.60615
Pierre Gasly1:35.660+ 0.05516
Sergio Perez1:35.855+ 0.24919
Esteban Ocon1:36.100+ 0.49518
Lance Stroll1:36.165+ 0.55917
Carlos Sainz1:36.285+ 0.67912
Daniil Kvyat1:36.798+ 1.19320
Sebastian Vettel1:37.010+ 1.40517
Nicholas Latifi1:37.471+ 1.86611
Kevin Magnussen1:37.592+ 1.96814
Romain Grosjean1:38.074+ 2.46815

Formel 1, Bahrain-Training: Longruns auf Hard-Reifen

Fahrer Ø RundenzeitRückstand in Sek.Reifenalter in Runden
Antonio Giovinazzi1:37.20917
George Russell1:37.841+ 0.632 11