Otmar Szafnauer ist es gewohnt, Krisen-Pressekonferenzen zu geben. Der Teamchef des Formel-1-Rennstalls Racing Point weiß aus Zeiten, in denen das Team noch Force India hieß, nur zu gut, wie es ist, am Pranger zu stehen. Als sich Szafnauer am Donnerstagmorgen in Portugal in eine Zoomkonferenz mit Journalisten einwählte, musste er sich an längst vergangene Tage erinnert gefühlt haben.

Lance Stroll hatte am Vortag via Instagram erklärt, dass er am Sonntag des Eifel GP auf dem Nürburgring positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Der Kanadier musste seine Teilnahme am Rennwochenende kurzfristig absagen, weil er starke Magenbeschwerden verspürte.

Allerdings ließ sich Stroll nicht direkt vor Ort auf das Virus testen, sondern erst, als er bereits wieder in seiner Wahlheimat in der Schweiz angekommen war. Besonders prekär ist der Fall, weil auch Vater Lawrence Stroll am Sonntagabend positiv getestet wurde. Dabei gab es schon während des Rennwochenendes vermehrt Gerüchte, Lawrence Stroll wäre an Corona erkrankt.

Racing Point: Mehr als 15.000 Coronatests

Teamchef Szafnauer wies in der Pressekonferenz alle Anschuldigungen zurück. "Wir testen mehr als jedes andere Business. Ein externer Berater, der auch in anderen Geschäftsfeldern unterwegs ist, hat uns gesagt, dass wir zehnmal mehr testen als alle anderen", so der US-Amerikaner rumänischer Abstammung. Mehr als 15.000 Tests habe das Team bereits hinter sich.

Warum aber ordnete der Rennstall nicht sofort einen neuen Test vor Ort an, als es Stroll schlecht ging? "Er hatte diese Symptome schon seit Russland. Und dazwischen wurde er schon mehrfach getestet", verteidigt Szafnauer.

Strolls schweizer Leibarzt ordnete keinen weiteren Test an. "Und ich kann verstehen, wie man zu diesem Schluss kommt", so der Teamchef. Der Test vor dem Rennwochenende, der von der FIA vorgeschrieben ist und ein negatives Ergebnis lieferte, sei aber nicht vom Leibarzt durchgeführt worden, sondern vom offiziellen Testlabor Eurofins.

Wie das gesamte Team habe auch Stroll den Test in Silverstone durchführen lassen. "Weil er Dienstag oder Mittwoch für gewöhnlich eine Simulator-Session macht, ist er eh da", erklärt Szafnauer.

FIA verschärft Coronatest-Richtlinien

Die FIA hat als Reaktion auf den Fall die Richtlinien noch einmal verschärft. Alle Mitarbeiter, die das Fahrerlager betreten, müssen nun auch vor Ort vorab getestet werden, bevor sie an die Arbeit dürfen. Bislang reichte der Pre-Event-Test aus, solange innerhalb von 96 Stunden ein weiterer Test erfolgte.

Risiko für das restliche Team habe zu keiner Zeit bestanden, glaubt Szafnauer: "Lance hat sich selbst isoliert und hatte keinen Kontakt zu den Teammitgliedern. Alle wurden bei ihrer Rückkehr - wie immer - erneut getestet und wiesen ein negatives Ergebnis auf. Drei Teammitglieder, die eng mit Lance arbeiten, haben sich zudem nach bestehenden örtlichen Gesetzen selbst isoliert."

Lawrence Stroll: Unabhängig von Lance Stroll positiv getestet

Auch Vater und Rennstallbesitzer Lawrence Stroll soll regelmäßig auf das Virus getestet worden sein, obwohl der Milliardär bei den Rennen in Russland und Deutschland nicht vor Ort war. Stroll, der auch 25 Prozent an Aston Martin hält, war am Wochenende beim Autohersteller und wurde angeblich am Donnerstag negativ getestet. "Er wurde dann am Sonntagabend ebenfalls getestet und hatte auch ein positives Ergebnis, obwohl sie nicht zusammen waren", so Szafnauer.

Der Teamchef verbittet sich deshalb Anschuldigungen, man wäre mit der Situation nicht richtig umgegangen: "Hätten wir den Test am Sonntag - der nicht vorgeschrieben ist - nicht gemacht, wüssten wir gar nicht, dass Lance Corona hatte." Lehren will Szafnauer aus dem Fall nicht ziehen: "Wir machen ohnehin schon viel. Die neue Regel der FIA, dass vor Ort noch einmal getestet werden muss, ist aber gut."

Obwohl Lance Stroll inzwischen wieder negativ auf das Virus getestet wurde, hat Racing Point Vorsichtsmaßnahmen getroffen: Nico Hülkenberg, der Stroll am Nürburgring und Sergio Perez in Silverstone ersetzt hatte, wurde nach Portugal geflogen. "Aber auch andere Teams wollen inzwischen einen Ersatzfahrer da haben", stellt Szafnauer klar.

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