Es klang alles so logisch: Wenn in der Formel 1 nur noch ein Motormodus für Qualifikation und Rennen erlaubt ist, verliert Mercedes seinen exorbitanten Vorsprung am Samstag. Schließlich drehen die Silberpfeile seit Jahren den Motor nur im Q3 richtig auf und fahren dann der gesamten Konkurrenz um die Ohren.

Formel 1, Gegner zittern: Mercedes jetzt noch stärker?: (09:38 Min.)

Die sagenumwobene Technische Direktive zum Verbot des sognannten 'Party-Modes' trat mit dem Wochenende in Monza erstmals in Kraft. Das Ergebnis: Lewis Hamilton auf Platz eins, Valtteri Bottas auf Rang zwei. Die nicht-silberne, respektive nicht-schwarze Konkurrenz? Mindestens acht Zehntelsekunden zurück.

"Ich bin mir nicht sicher, wie glücklich Red Bull nun mit der Änderung am Motor ist", spottete Bottas nach dem Qualifying zum Italien GP 2020. Max Verstappen startet am Sonntag nur von Platz fünf, Alexander Albon sogar nur von Rang neun.

Dabei hatte sich Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko viel versprochen von den neuen Regeln. Auf manchen Strecken wollte er dadurch Mercedes aus eigener Kraft am Samstag unter Druck setzen. Man habe auch Druck ausgeübt, damit die Regeln geändert wurden, so der Doktor.

Offiziell soll die Technische Direktive bei der Überwachung der Einhaltung des Technischen Reglements helfen. Die FIA gab selbst zu, an gewissen Momenten des Rennwochenendes Schwierigkeiten damit zu haben, die komplexen Power Units allumfänglich zu überprüfen.

Mercedes macht sich über Red Bull lustig

In der Realität haben sich von der Regeklarstellung aber viele - vor allem Red Bull - ein Einbremsen von Mercedes erhofft. Deshalb kann sich auch Mercedes Motorsportchef Toto Wolff einen Seitenhieb nicht verkneifen: "Die, die am härtesten gepusht haben, haben heute keine großartige Performance gezeigt."

Mercedes dominiert im Qualifying also weiterhin, ob mit oder ohne Party-Mode. Aber hat das Verbot irgendetwas verändert? "Ich glaube nicht, dass es jemals einen Party-Mode gab", sagte Hamilton nach seiner 94. Pole Position und fügte an: "Das hat jemand erfunden."

Tatsächlich war es nicht Hamilton, der das Wort Party-Mode in Mode brachte. Beim Australien GP 2018 wurde er erstmals damit konfrontiert und fand damals Gefallen daran: "Ich bin immer im Party-Mode. Nein, ich habe noch nie davon gehört - aber es klingt ziemlich cool. Ich kann euch aber versichern, wir haben keinen Party-Mode. Ich nutze von Q2 an den gleichen Modus bis ans Ende von Q3."

Doch die Erfahrung zeigte durchaus, dass die Mercedes-Piloten zwischen den einzelnen Qualifikationssegmenten exorbitant an Pace zulegen konnten. In Monza war der Sprung plötzlich nicht mehr so groß: Zwischen Hamiltons Bestzeiten in Q1 und Q3 lagen lediglich sechs Zehntel. Dabei fuhr der Brite im Q1 noch mit den Medium-Reifen.

Qualifying-Entwicklung Lewis Hamilton

Monza 2020Monza 2019Monza 2018Spa 2020Barcelona 2020
Q1-Zeit1:19,5141:20,2721:20,8101:42,3231:16,872
Q2-Zeit1:19,0921:19,4641:19,7981:42,0141:16,013
Q3-Zeit1:18,8871:19,3461:19,2941:41,2521:15,584
Q2 vs. Q30,2050,1180,5040,7620,429
Q1 vs. Q30,6270,9261,5161,0711,288
BesonderheitMedium Q1Medium Q2

In den vergangenen Jahren verbesserte sich Hamilton von Q1 auf Q3 in Monza zwischen 0,9 und 1,5 Sekunden. Auch in diesem Jahr war der Sprung meist größer. Bei den beiden vergangenen Quali-Sessions in Spa und Barcelona gewann er jeweils mindestens eine Sekunde.

Doch Monza ist keine typische Strecke. Windschatten-Schlachten verzerren das Bild. "Wir müssen noch abwarten, bis es ein klares Bild gibt", meint auch McLaren-Teamchef Andreas Seidl. Der 5,793 Kilometer lange Kurs im Königlichen Park verzerrt das Bild.

Mercedes im Rennen noch überlegener?

Trotzdem hat man bei Mercedes nach dem Qualfying gut lachen. Allen voran Toto Wolff: "Als klar war, dass die Lobby gegen unseren Qualifikationsmodus größer wird - das war weit bevor die Technische Direktive kam - haben wir unsere Entwicklungsarbeit daraufhin ausgerichtet. Wir wollen den Tag nicht vor dem Abend loben, aber wir haben unseren Fokus hin zum Rennen gelegt. Und wir hatten einen wirklich guten Samstag…"

Die Konkurrenz muss nun Angst haben. "Sie [Mercedes' Motorenentwickler] sind mit einem starken Modus gekommen, den wir im ganzen Rennen fahren können. Wir haben ein wenig Qualifying-Performance verloren - aber viel Renn-Performance gewonnen. Das gelang mit viel Entwicklungs- und Prüfstandsarbeit", so Wolff.