Ferrari ist - zumindest im Tagesergebnis - auch am vierten Tag der Formel-1-Testfahrten 2020 in Barcelona einfach nicht in Fahrt gekommen. Mit Platz zehn für Sebastian Vettel und P13 für Charles Leclerc zum Auftakt der zweiten F1-Testwoche sortierte sich die Scuderia erneut im Nirvana des Mittelfelds ein.

Bereits in der vergangenen ersten Woche hatten die Roten, noch dazu um Reifenmischungen bereinigt, alles andere als gut ausgesehen. Nur P16 & P19 für Leclerc und Vettel. Angeführt von Leclerc erklärte Ferrari das mit einer 2020 völlig neuen Herangehensweise gegenüber der Bestzeiten-Jagd im Vorjahr. Zunächst möchte die Scuderia dieses Jahr den SF1000 perfekt verstehen, die gegenüber dem SF90 aus 2019 flexibleren Setup-Einstellungsmöglichkeiten durchdeklinieren.

Ferrari wird zum Kurvenjäger

Dennoch: Gut sah Ferrari im direkten Vergleich zur Hauptkonkurrenz Mercedes und Red Bull nicht aus. Das gab Teamchef Mattia Binotto selbst zu. Ein Mercedes-Bezwinger werde Ferrari gleich in Melbourne wohl nicht werden, aber im Saisonverlauf. Womöglich. Dieselbe Aussage wiederholte der Italiener nun auch zu Beginn von Woche zwei.

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Wo fehlt es Ferrari und dem 2020 auf sehr viel mehr Abtrieb getrimmten SF1000 aber genau? „Das Auto dieser Saison ist schneller als das des vergangenen Jahres. Wir sind in den Kurven schneller, das war ein Ziel beim Design dieses Autos, denn letztes Jahr waren wir in den Kurven zu langsam“, sagt Binotto am Mittwochnachmittag der zweiten Testwoche auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. „Deshalb haben wir ja so schnell es ging so viel Abtrieb wie möglich auf das Auto gepackt.“

Binotto widerspricht Mercedes-Theorie zum Ferrari-Motor

Genau das muss Ferrari nun allerdings erst einmal im Gesamtkonzept verkraften. „Dafür bezahlen wir jetzt auf den Geraden“, erklärt Binotto das Naheliegende. Mehr Abtrieb heißt mehr Luftwiderstand heißt weniger Zeitgewinn geradeaus.

An niedrigeren Power-Modi selbst gegenüber den eigenen Motorenkunden - das hatte Mercedes mit Blick auf Ferrari analysiert - würden die extrem schwachen Ferrari-Topspeeds der ersten Woche jedenfalls nicht liegen. „Ihnen scheint ziemlich klar zu sein, was wir tun, aber es stimmt nicht“, stichelt Ingenieur Binotto in Richtung der Silber-Ingenieure.

Ferrari-Probleme: Luftwiderstand, Balance, langsame Ecken

Das bestätigt auch Charles Leclerc. "Es ist als Fahrer immer schwierig zu bewerten, ob es der Luftwiderstand oder der Motor ist. Aber da wir in den Kurven schneller sind, ist es wohl eher der Widerstand. Damit haben wir aber auch unser großes Ziel erreicht. Wir sind in den Kurven schneller. Trotzdem müssen wir noch etwas mehr Performance aus dem Auto kitzeln", sagt der Monegasse.

Doch ist auch der Luftwiderstand nicht allein. „Wir müssen uns aber vor allem insgesamt in Sachen Balance und in den langsamen Kurven verbessern“, erklärt Ferrari-Teamchef Binotto. „Das ist jetzt eben die Aufgabe dieser Woche.“ Sebastian Vettel spiegelt die Aussagen seines Vorgesetzten, schießt sich jedoch mehr auf ein Lob für die Pace des neuen Ferrari in den schnelleren Kurven ein.

Sebastian Vettel: Verbesserung ist spürbar

„Wir spüren die Verbesserung“, sagt Vettel. „Wo sie liegt? Natürlich in den Kurven! Auf den Geraden ist es sehr schwierig, zu sagen und gerade bei den Testfahrten bringt es nichts, der Schnellste die Gerade runter zu sein. Die Arbeit liegt da komplett in den Kurven, um ein Gefühl zu bekommen und verschiedene Setup-Items zu testen“, berichtet Vettel.

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„Und hier fühle ich mich in den Highspeed-Kurven, also Turn drei und neun sehr viel wohler [als 2019, Anm. d. Red.]. Auch auf dem Rest der Strecke spürst du, dass mehr Grip vorhanden ist. Wir sind generell schneller als vergangenes Jahr“, ergänzt Vettel und scherzt: „Auch an meinem Nacken spüre ich diese Verbesserung!“

Vettel: Wären gerne schon in stärkerer Position

Und in den langsameren Abschnitten? „Wie Mattia gesagt hat“, meint Vettel. „Auf jeden Fall besser als letztes Jahr. Wir wollten sicherstellen, in den Kurven ein schnelleres Auto zu haben. Und nicht nur schneller sein, sondern auch beim Reifenmanagement besser zu sein. Wir wissen es aber noch nicht ganz“, grübelt Vettel. Das werde sich frühestens in Melbourne, wegen der besonderen Charakteristik des Albert Parks jedoch eher erst zwei, drei Rennen später final zeigen.

Vettel: „Vielleicht wären wir - wie Mattia gesagt hat - jetzt gerne in einer stärkeren Position. Aber noch hat die Saison ja nicht begonnen. Die ist sehr lang - und wir haben ja noch nicht einmal angefangen. Wir haben noch viel zu arbeiten, aber das Auto ist ein Schritt nach vorne - und wir können es verbessern.“

Binotto beruhigt: Defekt in Woche eins gelöst

Hilft alles nichts, bleibt in jeden Fall noch die Hoffnung, dass es läuft wie im Vorjahr. Nur diesmal andersherum. „Die Wintertestfahrten zeigen nicht immer den wahren Performance-Level, das haben wir letztes Jahr gesehen“, erinnert Binotto an Ferraris eigene böse Überraschung in Melbourne.

„Da haben wir aber auch ein paar Fehler mit unserer Herangehensweise gemacht. Besonders auch bei den Zuverlässigkeitstest“, gesteht Binotto. Umso größere Sorgen durch den Defekt am Freitag vergangener Woche? Nein, winkt der Teamchef ab. „Das nur ein kleines Detail am Schmierstoffsystem, das wir aussortiert haben. Derselbe Motor ist jetzt wieder im Auto. Er wurde also nicht einmal beschädigt“, versichert Binotto.

Die Zuverlässigkeitstests sollen sich sogar verbessert, Ferrari sich des Problems schon auf dem Prüfstand bewusst gewesen sein, so der Italiener. „Und jetzt haben wir auch eine Lösung.“