Der Machtkampf der Ferrari-Piloten Sebastian Vettel und Charles Leclerc ist im Vorfeld des Formel-1-Rennens in Japan immer noch das große Thema im Paddock. Weltmeister Lewis Hamilton sieht Vettel in Problemen und stärkt seinem langjährigen Rivalen in der Angelegenheit abermals den Rücken. Gleichzeitig übt er Kritik an Leclerc und Ferrari.

"Es ist eine interessante Dynamik die wir da haben, denn Seb war die Nummer eins und das ist er jetzt klar nicht mehr. Zumindest dem Momentum nach, das wir von außen sehen", so Hamilton. Er findet, die Scuderia sollte beim Youngster die Zügel etwas straffer halten: "Der Versuch, Charles so hochzujubeln... ist das gut für ein Team? Ich denke nicht."

Bei den Weltmeistern hingegen herrscht seit der Verpflichtung von Valtteri Bottas zur Saison 2017 Harmonie. Etwas, das Hamilton auch in diesem Fall gerne hervorhebt: "Wir beschweren uns nicht, denn wir haben eine gute Philosophie die ziemlich gut funktioniert, und wir haben nicht vor, das allzu bald zu ändern."

Für die bei Ferrari hausgemachte Situation empfindet er Vettel aber noch in einer mental guten Position. "Ich denke, um die Situation im letzten Rennen wurde viel Lärm gemacht, aber ich habe Sebastian nach dem Rennen gesehen und er schien in einer harmonischen Verfassung zu sein. Aber von außen sieht es natürlich nach einem gewissen Zustand aus", so Hamilton.

Vettel vs. Leclerc: Hamilton erinnert an Alonso-Duell 2007

Er nimmt an, dass Leclerc nach seinen Erfolgen bei Ferrari mehr Unterstützung erfährt als der routinierte Teamkollege. "Es ist natürlich nur eine Vermutung, denn ich weiß nicht, was im Team abgeht und was da bei Seb los ist. Aber ich hatte noch kein Team, in dem die andere Seite so stark unterstützt wurde", so Hamilton.

Selbst in seiner Rookiesaison, als er 2007 bei McLaren Mercedes an der Seite von Doppelweltmeister Fernando Alonso an den Start ging, sei es ausgeglichener gewesen: "Natürlich wurde Fernando als Nummer eins verpflichtet, aber zur Mitte der Saison haben sie es geändert. Er war zwar noch die Nummer eins, weil er der besser bezahlte Fahrer war, aber sie haben uns die gleichen Benzinladungen und so weiter gegeben."

Ab diesem Moment litt allerdings auch das Verhältnis zwischen dem Rookie und dem Weltmeister. "Die Dynamik ist gekippt und das ging für das Team natürlich nicht gut aus", so Hamilton mit einem Schmunzeln über den verlorenen WM-Titel 2007 und den darauffolgenden Eklat um Alonsos Trennung von McLaren.

Nummer-eins-Status muss jedes Wochenende verdient werden

Dass Leclerc auch als Rookie Ansprüche hat, kann er hingegen schon nachvollziehen. "Ich verstehe, dass du wenn du hier [in der F1] ankommst, die gleichen Möglichkeiten haben willst", sagt er. "Aber es gibt Fahrer, die immer diesen Nummer-eins-Status wollen, weil es für sie dann einfacher ist."

Etwas, das bei ihm selbst nie der Fall war: "Ich will mir das verdienen und auf der gleichen Basis beginnen. Dann kann jeder im Team den Nummer-eins-Status von Wochenende zu Wochenende aufs Neue haben, statt es über die gesamte Saison zu fixieren. Denn wenn du von vornherein weißt, dass du die Nummer zwei bist, bist du schon vor dem Wochenende geschlagen."

Formel 1 2019: 5 Brennpunkte vor dem Japan GP (10:00 Min.)

Hamilton kritisiert Leclerc für taktischen Fehler in Russland

Was die Auseinandersetzung zwischen Vettel und Leclerc in Russland angeht, muss sich der Youngster laut Hamilton an die eigene Nase fassen: "Charles hat wohl gedacht, dass er ihn [Vettel] den Windschatten haben lässt und sich nicht bewegt oder verteidigt, was er aber hätte tun sollen", sagt er. "Du gibst doch keine Position auf und erwartest dann, dass du sie zurückbekommst. Also, ich würde das nicht."

Darüber hinaus stimmt Hamilton aber auch mit der Meinung einiger Experten überein, dass Vettel mit dem Windschatten so oder so vor Leclerc in Turn 1 eingebogen wäre. "Ich denke, er hätte ihn sowieso überholt, ob er jetzt geblockt hätte oder nicht. Er hätte ihn auf jeder Seite überholt", ist er sicher.

Letztendlich ging Ferraris Plan, mit dieser Taktik in Sotschi beide Autos an die Spitze zu manövrieren, auf. "Ich verstehe diesen Arbeitsansatz. Wir arbeiten am Start auch als Team zusammen, wenn ich auf Pole bin oder Valtteri", so der 34-Jährige. Doch bei den Roten war der Preis dafür die nächste Auseinandersetzung zwischen Vettel und Leclerc.

"Wir haben das auch mal gemacht, er [Bottas] hat innen dicht gemacht, ich habe den Windschatten bekommen. Wir haben die Doppelführung klar gemacht und er hat die Führung behalten", erinnert Hamilton an den Start des Russland GP 2018. "Wir haben in diesem Szenario zusammengearbeitet."