Der Streit um die Reifen in der Formel 1 2019 ist zunächst einmal beendet. Bei einem Meeting aller Teams am Freitag noch vor den Trainings zum Österreich GP votierten nicht ausreichend Rennställe für eine Änderung der Spezifikation noch in der laufenden Saison.

70 Prozent, also sieben Teams, wären dafür erforderlich gewesen. Vorangetrieben worden war das Bestreben vor allem von Ferrari und Red Bull. Die beiden Top-Teams sehen in den 2019 generell dünneren Laufflächen gegenüber 2018 einen Vorteil für Mercedes. Das erklärt in ihren Augen die gewaltige Dominanz der Silberpfeile zu Saisonbeginn. Deshalb wollten sie eine Rückkehr.

Ferrari: Action-Rennen wie Spielberg gehen nur ohne Dominator

Doch die ist nun eben vom Tisch. Eine Entscheidung, der Mattia Binotto ganz besonders nachtrauert. Umso mehr nachdem am Sonntag auch das Rennen in Spielberg gefahren war. "Natürlich war es ein guter Kampf. Gewöhnlich hast du diese guten Kämpfe wenn du kein Auto hast, das überperformt", kommentiert der Ferrari-Teamchef das Siegduell zwischen seinem Team und Red Bull.

Mercedes - hier mit dem überperformenden Auto gemeint - wusste seine eigentlich Performance wegen massiven Kühlungsproblemen nicht zu zeigen. So kam es dieses Mal nicht zur silbernen Solofahrt an der Spitze. "In dieser Hinsicht war dieses Wochenende großartig", meint Binotto mit Blick auf das Gesamtbild der Formel 1.

Binotto: Formel 1 hat mit Reifenentscheidung Chance verpasst

Doch an eine Wiederholung glaubt der Ferrari-Rennleiter offenbar nicht allzu bald. Binotto geht davon aus, dass Mercedes schon in Silverstone wieder die Nummer eins sein wird, in Österreich wirklich einzig und allein unter dem Teufelskreis aus dünner Höhenluft und hohen Temperaturen zu leiden hatte.

In dieser ungeliebten Erwartung kommt Binotto am Sonntag noch einmal auf den Freitag zurück - und den abgeblitzten Reifen-Vorstoß. "Ich denke, dass wir dieses Wochenende mit der Reifenentscheidung eine große Gelegenheit liegen gelassen haben", hadert Binotto. "Ich denke als F1 insgesamt hätten wir etwas tun sollen."

Ferrari-Teamchef: Ich schäme mich noch immer

Der gebürtige Schweizer findet noch klarere Worte: "Manchmal reden wir, aber handeln nicht. Ich schäme mich noch immer richtig, dass wir die Spezifikation der Reifen für den Rest der Saison nicht geändert haben. Das wäre eine klasse Gelegenheit gewesen, das Feld irgendwie enger zusammenzubringen."

Von dem einen Rennen ohne starke Mercedes lässt sich auch die siegreiche Konkurrenz nicht blenden. "Ich denke, dass die Probleme noch da sind", sagt Christian Horner. "Was wir hier haben, ist ziemlich einzigartig. Da musst du schon eine Reihe Rennen ansehen", erklärt der Red-Bull-Teamchef. "Die Abstimmung gab es jetzt aber dazu und es ist klar, woran wir sind."

Mercedes nutzt Spielberg-Schlappe für Reifen-Retourkutsche

Und die Mercedes-Seite? Findet einen ganz anderen Dreh. "Fantastisches Racing! Ich will wirklich sagen: bravo, Pirelli! Sie haben standgehalten und ein Produkt geliefert, mit dem wir bis ganz zum Ende pushen konnten", sagt Teamchef Toto Wolff. "Es hat ein bisschen Humor, dass gerade die, die sich am meisten beschwert haben, den Reifen heute den ganzen Weg bis zum Ende bekommen haben."

Zumindest für diese Retourkutsche zu Vorwürfen, Pirelli und Mercedes steckten unter einer Decke, kam das ziemlich ungewöhnliche Kräfteverhältnis in Österreich wie gerufen.

Pirelli-Idee: Durch zusätzlichen Prototyp doch noch andere Reifen?

Pirelli selbst wirft indes eine neue Möglichkeit in den Raum: Eine Anlehnung an einen etwa von Romain Grosjean unterbreiteten Vorschlag, doch einfach ein paar Sätze eines Prototypen dickerer Lauffläche zur Verfügung zu stellen und die Teams am Rennwochenende wählen zu lassen, welchen sie nutzen wollen.

Ganz so leicht ist das jedoch nicht. Prototypen dürfen zwar bereits gegenwärtig verwendet werden, allerdings nur im Freien Training. "Es gab aber auch Gespräche, das Reglement leicht anzupassen, ob vielleicht andere Reifen auch während des Wochenendes benutzt werden können. Nicht nur im Freien Training", sagt Pirellis F1-Leiter Maria Isola.

"Das ist eine völlig neue Idee, die bewertet und diskutiert werden muss. Die FIA sollte da eine Formulierung vorschlagen", sagt Isola. Das könnte etwa durch frühere Tests der Reifen für die kommende Saison funktionieren, also noch vor dem Reifentest nach dem Saisonfinale in Abu Dhabi. Heißt: Am Rennwochenende.

Generell hält Pirelli ohnehin schon diverse Entwicklungstests dafür ab, erst gerade am Dienstag und Mittwoch mit Alfa Romeo in Spielberg nach dem F1-Wochenende. "Das Kernziel dabei ist, ein größeres Arbeitsfenster für die nächstjährigen Reifen zu bekommen", schildert Isola. Genau dieses berühmte Fenster ist es, dass so vielen Teams gegenwärtig noch immer so große Fragezeichen auf die Stirn tackert.

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