In der Formel 1 soll sich 2021 vieles verändern. Doch das Zerren um ein neues Reglement geht aktuell munter weiter. Zuletzt ging es bei diversen Meetings der Teamchefs mit FIA und Liberty Media im Rahmen des Kanada GP hoch her. Eigentlich sollte bis Ende Juni mindestens ein Gerüst stehen, diese Deadline wackelt nun.

Zumindest für eine Partei ist unterdessen ganz klar, was sich ändern muss: die Fahrer selbst. Die F1-Piloten sehen nämlich vor allem einen Punkt für die Zukunft der Formel 1 als besonders entscheidend an: Die Königsklasse soll wieder eine Fahrer-Formel werden, nicht Team-, nicht Motoren-, nicht Aero- und schon gar keine Geld-Formel.

Sainz: Es darf nicht immer derselbe gewinnen

"Wir müssen eine bessere Show liefern", fordert etwa McLaren-Pilot Carlos Sainz. "Die Zuschauer wollen nicht immer dasselbe Ergebnis, die immer gleichen Sieger sehen. Wir müssen mehr Leute auf den Podien sehen, gewinnen sehen. Es ist schwierig, neue Leute anzulocken, wenn immer dasselbe passiert und du im Grunde jedes Rennen weißt, was geschehen wird."

Deshalb soll es mitunter zu einer Budgetobergrenze kommen. "Du musst das Feld durch Kostendeckel einheitlicher bekommen", meint Lance Stroll. "Das macht es spannender. Das siehst du auch in der NFL oder so. Dort ist es besser gedeckelt und gemanagt. Das bringt spannenderen Wettbewerb. Es wäre toll, das auch in der Formel 1 zu sehen. Statt ein oder zwei Sekunden zwischen dem einen Teil des Feldes und dem anderen, wäre eine Zehntel besser."

Perez: Fahrer muss Performance-Faktor Nr. 1 sein

Teamkollege Sergio Perez ergänzt: "Was die F1 tun muss, ist, dass es eine Fahrermeisterschaft statt eine Teammeisterschaft. In den vergangenen Jahren wurde das immer schlechter und gerade ist es nur noch eine Teammeisterschaft, keine Fahrermeisterschaft. Alles ist abhängig von dem Potential deines Autos. Das ist echt schade für den Sport - und für die Fahrer."

Genau hier öffnet sich jedoch das übliche Problem der Formel 1. Wer vorne ist, will den Status Quo auch gerne halten. So groß das Racerherz auch sein mag, wie etwa bei Toto Wolff: "Als Zuschauer kann ich nachvollziehen, dass der Sport eine gewisse Abwechslung braucht. Aber da, wo wir uns befinden, kann das für uns kein Ziel sein."

Perez sieht fundamentales Problem

Lewis Hamilton, im selben Boot, sieht es dennoch etwas anders. "Man muss was tun. Die Fans sind der Grund, warum wir das hier machen. Und die Leute sagen, dass es langweilig ist, wenn eine Weile lang nur Ferrari gewinnt, dann mal Mercedes, McLaren oder Red Bull."

Für Perez sogar ein unhaltbarer Zustand. Selbst fantastische Fahrer hätten gegenwärtig nie die Chance, auf dem Podium zu stehen. "Und das ist ein fundamentales Problem, da muss sich die F1 massiv verändern", fordert der Mexikaner. "Daher freue ich mich auf die Regeln für 2021 und ob sich das ändern, denn jetzt ist es schon zu lang so. Hoffentlich machen die Fahrer in Zukunft wieder einen größeren Unterschied."

Lewis Hamilton: Es muss körperlicher werden!

Gerade wisse man einfach immer mehr oder weniger, wo man ins Ziel komme. "Und das ist etwas, das sich dramatisch ändern muss, um den Sport besser zu machen. Sonst haben wir in Zukunft ein heftiges Problem", fürchtet Perez. Und das gehe eben nur über Ressourcenangleichung. "Denn du trittst da gerade gegen Teams an, die drei oder viermal mehr haben." So gewinne natürlich nicht immer der beste Fahrer. "Aber wir wollen den besten Fahrer siegen sehen, nicht das beste Auto", sagt Perez.

Das unterschreibt auch der Weltmeister. Lewis Hamilton sieht jedoch noch einen anderen Weg zum Ziel. "Die Autos sind nicht schwer genug zu fahren, das sollte körperlicher sein", sagt der Brite auf eine Frage, wie oft er eigentlich auf Doping getestet werde. Genau das sei in der Formel 1 deshalb nämlich so gut wie unnötig, meint Hamilton. "Denn wir ermüden nicht", erklärt er.

Hamilton: Servolenkung weg, manuelles Getriebe her

"2021 sollten sie es loswerden ... nicht mehr so viel Servolenkung zum Beispiel. Du solltest nachher physisch heftig fertig sein. So sollte ein Sport sein, denke ich. "Tennisspieler sind am Ende des Spiels auch fertig, Radfahrer müssen nach der Tour de France tot sein", schildert Hamilton. "So sollte das sein."

Doch in der Formel 1 herrsche eine ganz andere Situation. "Wir sehen, dass ein 18-Jähriger kommt und keine Probleme hat. Das darf nicht der Fall sein. Weil hier niemand betrügt, liegt einfach daran, dass es absolut keine Notwendigkeit gibt. Es reicht, normal zu trainieren und gesund zu leben", meint Hamilton.

Wie er das machen würde? "Wenn ich die Wahl hätte, würde ich einfach zurück zu V12, normal angetriebenen Motoren. Und manuellen Getrieben, sodass es schwerer zu fahren ist. Du solltest nach den Rennen körperlich völlig ausgelaucht sein. Auch die großen Auslaufzonen überall könntest du wieder wegnehmen, die Servolenkung wegnehmen - oder zumindest nur gering belassen. Ich mag es, wenn es schwieriger für mich ist!"

"Ich könnte zwei oder drei Rennen am Stück fahren!"

Aktuell sei die Formel 1 davon meilenweit entfernt. "Ich könnte hier zwei oder drei Rennen am Stück fahren!", betont Hamilton. "So sollte die Formel 1 nicht sein. Es ist ein Männersport. Aber es kommen so viele Youngster und fahren einfach mit, weil sie leicht damit klarkommen."

Doch ist es wirklich derart leicht? "Die Autos hatten sich von 2016 auf 2017 ja verändert, sodass es viel körperlicher wurde, zu fahren", erinnert Pirellis F1-Leiter Mario Isola. "Ich weiß aber nicht, ob es schwierig genug ist oder nicht - für Lewis vielleicht nicht", scherzt der Italiener. "Schaut euch nur die Rundenzeiten an, wir haben die schnellsten Auto denn je", ergänzt Mercedes-Teamchef Toto Wolff.

Teamchefs widersprechen: Fahrer heute einfach extrem fit

Für dessen Pendant bei Toro Rosso befindet sich der Knackpunkt daher gar nicht auf Seiten des Autos. "Der gegenwärtige Level der Fahrerfitness ist der höchste, den ich je in der Formel 1 gesehen habe", erklärt Franz Tost. Trainingspläne, Personal Trainer, Coach, Ernährungsplan – heutzutage seien die Fahrer schlicht einer körperlich exzellenten Verfassung.

"Das kannst du dann natürlich nicht mit Zeiten vergleichen wie vor 20 oder 30 Jahren als Nelson Piquet und Nigel Mansell oder wer auch immer nach dem Rennen kollabiert sind", so Tost. "Sie haben vor dem Rennen geraucht und waren dann nicht fit genug." Ähnlich schätzt das auch Wolff ein. "Es stimmt, dass der Level von Perfektion enorm gestiegen ist", sagt der Mercedes-Rennleiter.

Jean Todt lädt ein: Fahrer an Regeln beteiligen

Die nötigen Mittel kennt er genauso gut wie sein so unterforderter Fahrer Hamilton. "Klar kannst du es künstlich viel härter machen", so Wolff. "Nimm' die Servolenkung weg und du wirst Fahrer wie Bodybuilder haben. Dann werden sie kämpfen, die Rennen zu beenden, weil sie so müde sind. Das ist leicht." Ein Freund davon wäre der Wiener jedoch nicht. "Denn es wäre technologisch ein Schritt zurück."

Haas-Teamchef Günther Steiner springt darauf mit einer sehr viel leichteren, wenngleich nicht ernst gemeinten, Lösung an: "Vielleicht sollten wir einfach den Fahrern die Besuche im Fitnessstudio verbieten, dann wären sie auch müde", scherzt der Tiroler. "Das wäre auch viel billiger. Und wir können ihnen vorschreiben, Fast Food zu essen!"

Aber zurück zu den Fahrern, die am Ende Hauptbetroffenen aller Entscheidung, selbst aber nicht am Regelgebungsprozess beteiligt. Zumindest nicht formal. Für den Donnertag nach dem Kanada GP hat FIA-Präsident die Piloten nun zumindest einmal zu einem Meeting geladen, um deren Meinungen einzuholen und anzuhören.

Für Hamilton ein erfreulicher Schritt. "Leider werden die Regeln von den Leuten mit Macht und Geld gemacht und wir haben generell wenig zu sagen, wenn überhaupt etwas, welche Änderungen vorgenommen werden", so der Brite. "Wir wissen aber, wie sich das Rennfahren anfühlt, kennen also die Herausforderungen und Limits. Deshalb sind wir sehr offen ein Teil davon zu sein und mit unseren Ideen beizutragen. Wir können da für die Zukunft helfen."