Zwickmühle und so gut wie Schachmatt. Viel treffender als mit dieser Entlehnung aus den Brettspiel-Klassikern lässt sich die gegenwärtige Situation von Williams in der Formel 1 kaum beschreiben. Zumindest wenn man Robert Kubica und George Russell vor dem dritten Rennwochenende in China, dem 1000. Grand Prix der F1-Geschichte, zuhört.

Nach dem Debakel bei den Testfahrten, Problemen an allen Ecken und Enden beim Saisonstart in Australien, Ersatzteilkrise und einem noch größeren Rückstand im Qualifying zum Bahrain GP (fast vier Sekunden auf Pole!) ist die Hoffnung in Grove zwar noch nicht vollends geschwunden, doch die Zuversicht immer verhaltener geworden.

In Shanghai beziehen Russell und Kubica Stellung zur misslichen Lage und reden Klartext, wie schwierig es für Williams werden wird, sich in der laufenden Saison 2019 überhaupt noch befreien zu können.

Formel 1 2019: Brennpunkte vor dem China GP: (07:08 Min.)

"Viel besser?", wundert sich etwa Kubica, hörbar zerknirscht, als er nach seinem teamintern gegenüber Melbourne besseren Qualifying in Bahrain gefragt wird. Das Teamduell tangiert den Polen nämlich nicht. "Ich weiß wirklich nicht, ob es viel besser war. Ich hatte ein ziemlich ähnliches Gefühl, es war nichts Herausragendes zwischen Australien und Bahrain. Abgesehen davon, dass ich selbst es geschafft habe, in Bahrain die Runde besser zusammenzubekommen."

Russell: Williams-Form in Bahrain armselig

Russell unterdessen wird noch deutlicher. "Wie wir uns in Bahrain qualifiziert haben, war schon sehr, sehr armselig, wenn es damit vergleicht, wo wir nach dem Eindruck der Trainings hätten landen sollen", poltert der Rookie. "Aber wir verstehen jetzt zumindest, warum das passiert ist. Wir müssen jetzt einfach schnell unserer Probleme Herr werden."

Doch einfach ist genau das eben gerade nicht. Bereits in Australien hatte Russell davon gesprochen, Williams habe ein fundamentales Problem mit dem FW42 durchaus erkannt. "Aber ein Problem zu verstehen und es zu beheben, sind zwei ganz andere Dinge", stellt der Brite nun klar. Die Lösung kann also noch dauern. "Aber wir arbeiten Vollgas, um unsere Probleme zu lösen", versichert er. "Wir müssen geduldig bleiben."

Hat Williams sein Potential sogar schon fast ausgeschöpft?

Alleine mit Optimierung des bestehenden Pakets sei es nicht getan. Trotz der bei allem Ärger in den vergangenen Wochen immer wieder gelobten Basis. Die Plattform des FW42 soll zumindest kein völlig es Rätsel aufgeben wie jene seines Vorgängers. Williams will 2019 direkt aufbauen, an der Performance feilen können, nicht erst unzählige extreme Krankheiten ausräumen müssen.

Dennoch reiche das nicht. "Selbst wenn wir unser Paket komplett optimieren, wird das unser Ergebnis nicht verändern. Ich denke, wir sind nicht eine Million Meilen vom Potential des Autos entfernt", winkt Russell auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com in Shanghai ab. Angesichts des riesigen Rückstands ein umso bitterer Befund. "Das größte Problem ist, dass wir auf Updates und Entwicklungen warten müssen."

Bahrain-Test für Williams Schuss in den Ofen

Zumal selbst die gegenwärtigen Teile erst einmal reichen müssen. Wie dünn die Ersatzteildecke auch in China noch ist, vermag Teamkollege Robert Kubica zwar nicht zu sagen, doch sieht der Pole noch einen ganz anderen Punkt. Für den F1-Rückkehrer gibt es nämlich durchaus noch grundlegendere Dinge, die mit dem Williams so gar nicht stimmen. Man erinnere sich nur an Kubicas Klagen über ein im Vergleich zu Russell völlig anderes Auto.

Bei den Testfahrten im Anschluss an Bahrain gab es nun die Gelegenheit, dieses Phänomen auszuräumen. Doch die Bedingungen, insbesondere der Regen, durchkreuzten alle Pläne. "Ich konnte nur ein paar Runden fahren, was gar nichts gebracht hat", klagt Kubica. Damit nicht genug. Für Kubica war der Ansatz Williams' - Russell testete sein Chassis - ohnehin nicht ideal, konnte nur verfälschte Befunde liefern. "Denn er ist mein Chassis mit seinen Teilen gefahren. Deshalb weiß ich nicht genau ...", rätselt Kubica.

Williams-Zwickmühle: Problemlösung vs. Performance-Tuning

Russell selbst trifft ebenfalls keine klare Aussage zum mysteriösen Phänomen um das Kubica-Chassis. "Ich bin nur 25 Runden gefahren und nur fünf davon waren schnelle Runden. Daraus kann man keine echten Schlüsse ziehen", winkt der Mercedes-Junior ab. Die Folge: Mindestens auf der Seite von Kubica wird weiter das Problemlösen das Tagesgeschäft dominieren.

Keine ideale Ausgangslage, will man eigentlich an der Performance feilen, um irgendwie den Anschluss an das Mittelfeld herstellen. "Wir hatten einen sauberen Start der Saison angepeilt - ohne Probleme. Das ist leider nicht passiert. Ein sauberer Start wäre sehr wichtig gewesen, um uns auf die Performance zu konzentrieren statt auf Problemlösung", hadert Kubica. "Denn wenn du einmal hinten bist, und an deine Probleme denken musst statt an der Performance des Autos zu arbeiten, dann verlierst du nur noch weiter Boden auf die anderen Teams."

Russell: Williams müsste zwei- bis dreimal schneller entwickeln

Eine klassische Zwickmühle also, die auch Kollege Russell sorgt. Für den Youngster besonders frustrierend - auch stellvertretend für sein Team. "Es ist so schwer, weil du von außen oft nicht siehst, dass wir uns schon verbessern. Man sieht ja nur die Relation zu allen anderen", erklärt Russell. "Wenn wir uns also nicht zwei- oder dreimal so schnell verbessern, werden wir immer in derselben Lage sein und die Leute werden weiter denken, dass wir nicht vorankommen. Aber wir haben schon Fortschritte erzielt!"

Zwei bis dreimal schneller sei allerdings unrealistisch. Das Wort unmöglich vermeidet Russell ganz bewusst, will nicht demotivieren. "Es ist in der Realität ... nun ... extrem schwer", ringt der Brite um andere Worte. Und um Durchhalteparolen: "Wir bleiben positiv." Dennoch wird offensichtlich, dass die Hoffnung kaum noch keimt. "Wir müssen auch realistisch sein. Realistisch gesehen können wir nicht wirklich nach viel mehr streben, als das, was wir gerade haben. Denn jeder in der Formel 1 entwickelt ja. Wir brauchen da fast schon eine gewisse Magie, um da herauszukommen."

Rettung durch Patrick Head?

Doch an Hexerei glaubt Russell nicht: "Jeder hat einen Zeitplan. Du kannst nicht plötzlich innerhalb einer Woche einen Frontflügel herzaubern, der eigentlich acht Wochen braucht ..." Daran ändere auch ein Patrick Head von heute auf morgen nichts. Die Erlösung kann selbst die neben Frank Williams selbst größte Legende der Teamgeschichte nicht aus dem Stand liefern.

"Er sollte uns aber einen Boost geben", glaubt Russell. "Es ist einfach toll, in diesen schwierigen Zeiten so eine Figur wir Patrick zurück bei Williams zu sehen. Aber noch sammelt er nur Informationen, um sich ein Bild zu machen." Ein Formel-1-Auto sei eben wie ein Puzzle. "Da muss alles zusammenpassen, damit du ein Meisterwerk kreieren kannst. Das fehlt uns gerade. Und da kann er vielleicht erreichen, dass es einfach alles etwas flüssiger läuft."

Doch das werde dauern, meint Kubica. "Das ist keine Frage von einer Woche oder Wochen, sondern von Monaten", sagt der Pole. Aber er wird guten Input geben können, allerdings auch nicht alles selbst machen. Es ist immer Teamarbeit. Aber er kann derjenige sein, der alle antreibt und alles kontrolliert."