"Vorher war es eine Lücke von einer Sekunde, jetzt sind sie innerhalb einer halben Sekunde oder sogar weniger." Deutlicher als Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton hatte es bei den diesjährigen Wintertestfahrten der F1 kaum jemand formuliert. Worum geht es? Um den Rückstand der Mittelfeldteams auf die Top-3 der Königsklasse - Mercedes, Ferrari und Red Bull Racing.

Ein erster Faktencheck von Motorsport-Magazin.com nach dem Test legte bereits nahe: So ganz daneben scheint Hamilton mit dieser Einschätzung nicht zu liegen. Scheint, weil es sich eben nur um Testfahrten gehandelt hatte. Nur an einem echten Rennwochenende lässt sich die Performance wirklich final beurteilen.

Erst im Qualifying beendet auch das letzte Team die Tiefstapelei, nutzt die aggressivsten Motoreinstellungen, die weichsten Reifen und die geringstmögliche Benzinladung. Parallel gehen jetzt auch die Fahrer ans absolute Limit, halten sich nicht länger zurück - Performance statt Zurückhaltung, um ja keines der raren Teile zu beschädigen.

Formel 1 2019: Wo ist der Speed von Ferrari abgeblieben? (11:14 Min.)

Mit dem nun beendeten Australien GP lässt sich somit nun ein erster, sehr viel besserer Vergleich ziehen. Ein erster, weil noch immer ein Faktor fehlt: 2018 wurde das Rennen Down Under durch ein (virtuelles) Safety Car beeinflusst, 2019 nicht. Die Rückstände am Sonntag sind also nur bedingt vergleichbar. Jene des Qualifyings hingegen optimal. Also: Wie viel näher sind die Mittelfeldteams gegenüber dem Vorjahr tatsächlich an die drei Großen herangerückt?

Nur Williams im Qualifying langsamer als 2018

Dafür haben wir die Zeit des besten Fahrers jedes Teams aus dem Qualifying in Melbourne 2019 mit der besten Zeit des Teams 2018 an selber Stelle verglichen. So finden wir heraus, wer sich von Australien 2018 zu Australien 2019 am meisten verbessert hat. Allein das ist schon ein spannender Befund. Immerhin hieß es, die Formel 1 werden durch die neuen Aero-Regeln langsamer. Bereits beim Test zeichnete sich jedoch das Gegenteil ab. Die Qualifikation im Albert Park bestätigt nun diesen Eindruck: Bis auf alle Williams (+0,13 Sek.) sind alle Teams schneller geworden.

2018 vs. 2019: Beste Australien-Qualifying Zeiten der Teams

Team 2018 2019 Differenz (Sek.)
Williams 1.24,230 1.24,360 0,13
Red Bull 1.21,879 1.21,320 -0,559
Ferrari 1.21,828 1.21,190 -0,638
Mercedes 1.21,184 1.20,486 -0,698
Renault 1.23,532 1.22,540 -0,992
Haas 1.23,187 1.21,826 -1,361
McLaren 1.23,692 1.22,304 -1,388
Racing Point 1.24,005 1.22,532 -1,473
Toro Rosso 1.24,532 1.22,774 -1,758
Alfa Romeo 1.24,556 1.22,314 -2,242

Bei der Truppe aus Grove handelt sich nicht nur in dieser Hinsicht um den einzigen Ausreißer. Williams ist zudem das einzige Team, dass in dieser Disziplin schlechter abschnitt als Red Bull, Ferrari und Mercedes (vgl. Diagramm). Heißt: Alle anderen Rennställe haben sich gegenüber 2018 mehr verbessert als die drei Top-Teams. Anders ausgedrückt: Das Mittelfeld ist tatsächlich näher an die Granden herangerückt.

Ferrari, Red Bull, Mercedes im Schnitt 0,6 Sek. schneller als 2018

In gleich einigen Fällen geschah das sogar ganz massiv: Während sich Red Bull, Ferrari und Mercedes im Mittel um 0,632 Sekunden verbesserten waren es bei Alfa Romeo unfassbare 2,24 Sekunden, die Kimi Räikkönen im Qualifying in Melbourne 2019 schneller war als Marcus Ericsson, 2018 noch im Sauber genannten Boliden. Kein anderes Team hat im Vergleich zum Vorjahr einen derart großen Sprung geschafft. Allerdings hatte sich Alfa-Sauber bereits während der vergangenen Saison 2018 massiv verbessert.

Dennoch sprechen die Qualifying-Daten allgemein eine sehr deutliche Sprache. Mit Haas, McLaren, Racing Point und Toro Rosso haben sich neben Alfa noch vier weitere Teams um mehr als eine Sekunde gesteigert. Renault fehlten dazu lediglich acht Tausendstelsekunden. Ohne Hülkenbergs elektrisches Problem am R.S.19 hätte es auch für Enstone noch besser aussehen können.

Mittelfeld steigert sich um 1,5 Sekunden

Im Mittel legte das Mittelfeld somit um 1,536 Sekunden zu - Williams herausgerechnet, das hat mit Mittelfeld nichts zu tun. Im Schnitt holte die Meute also fast exakt neun Zehntel auf das Top-Trio auf. Also sogar noch deutlich mehr als Hamilton vermutet hatte. Ein erstaunlicher Befund, zieht man heran, dass gerade neue Regeln den ressourcenstärkeren Top-Teams eigentlich einen Vorteil hätten zuschustern müssen. Dass es sich um eine Vereinfachung statt Komplizierung der Aero-Regeln handelte, könnte hier für das überraschende Gegenteil gesorgt haben.