Engere Duelle, leichteres Hinterherfahren, besseres Racing und mehr Überholmanöver. All das sollten die neuen Regeln für die Formel-1-Saison 2019 liefern. Zu diesem Zweck verlangte das Reglement von den Teams durchaus umfassende Änderungen des aerodynamischen Konzepts, allem voran deutlich vereinfachte und breitere Frontflügel galt es zu konzipieren (alle Details haargenau im verlinkten Artikel aufgeschlüsselt).

Getriggert worden waren die Änderungen vor genau einem Jahr. Ein 2018 in Sachen Racing völlig unspektakulärer Saisonstart in Melbourne - nur fünf Überholmanöver zählten die Statistiker trotz erstmals drei DRS-Zonen im Albert Park - bereitete den Formel-1-Bossen Kopfschmerzen und führte zügig zu einer kurzfristigen Reaktion schon für 2019.

Fazit nach erstem Formel-1-Rennen: Überholen leichter?

Dabei galt der Australien GP in Melbourne noch nie als Überholmekka, noch dazu folgten im weiteren Saisonverlauf noch weitaus spektakulärere Grands Prix. Dennoch: Die neuen Regeln zur Reduktion der bösen Dirty Air kamen - und sollen 2019 jetzt selbst auf Strecken wie dem Albert Park Circuit oder dem hinsichtlich Überholproblemen ähnlich zu charakterisierenden Circuit de Barcelona-Catalunya mehr Action durch leichtere Angriffsmöglichkeiten liefern.

Formel 1: Gibt es 2019 mehr Überholmanöver? (06:43 Min.)

Auf dem spanischen Kurs gingen im Februar bereits die Testfahrten über die Bühne. Doch eine Einschätzung, ob die regulatorischen Maßnahmen von erfolgreich waren, ließ sich beim Test noch den wenigsten Fahrern entlocken. Ein paar leise zweifelnde Töne und ein auf der anderen Seite sehr optimistischer Kevin Magnussen - das war alles.

Australien GP auch 2019 kein Überholfeuerwerk

Jetzt allerdings ist das erste echte Rennwochenende gefahren, also auch das Rennen, in dem die Änderungen ihren Effekt erst wirklich beweisen müssen. Ein erster echter Realitätscheck ist also möglich - auch wenn wieder der sehr spezielle Albert Park gewesen ist.

Zunächst der Blick auf die Zahlen: Ein Überholkracher war der Australien GP auch 2019 nicht. Zwar haben sich die Überholmanöver gegenüber Vorjahr verdoppelt, aber auf sehr geringem Niveau. 10 statt 5 Überholvorgänge zählten die Statistiker derselben Methode abseits der ersten Rennrunde. Einem anderen Modell zufolge - dem Mercedes-Dienst Pure Pit Wall - gingen die Überholvorgänge sogar um einen zurück, von 15 auf 14. Allerdings klassiert PPW 2019 davon 7 als DRS-Manöver, 2018 waren es nur 3.

Formel-1-Fahrer loben verbesserten DRS-Effekt

Der verbesserte DRS-Effekt - auch ein Ziel der Regeländerungen durch den sich jetzt zwei Zentimeter weiter öffnenden Flap - scheint also selbst in Melbourne im Ansatz realisiert. Diesen Eindruck bestätigten auch die Fahrer. "Wenn ich etwas sagen kann, dann, dass es in die richtige Richtung geht, besonders mit dem DRS", so Rennsieger Valtteri Bottas. Mit Hinterherfahren hatte der dominante Sieger ansonsten immerhin auch nicht viel zu tun.

Das neue Gesicht der Formel 1: Breiter, dafür weniger komplex, Foto: FOM
Das neue Gesicht der Formel 1: Breiter, dafür weniger komplex, Foto: FOM

Ganz anders Max Verstappen. "Das einzig Positive, das wir verbessert haben, ist der DRS-Effekt. Sobald er sich öffnet, ist er viel stärker als im vergangenen Jahr", lobt der Niederländer diesen Teil der Änderung. Doch schwingt in dieser Einschätzung die Kritik an allem anderen bereits deutlich mit. "Beim Hinterherfahren gibt es noch immer viele Verwirbelungen", betont Verstappen noch einmal.

Hinterherfahren: Hamilton sieht keinen Unterschied zu 2018

Hilft 2019 als der Heckflügel dank effektiverem DRS mehr als der zuvor viel mehr im Fokus gestandene Frontflügel? Es scheint so. Zumindest in Australien Von wirklich überragenden Verbesserungen gegenüber 2018 wusste in Melbourne tatsächlich kein Fahrer zu berichten. Es gebe überhaupt keinen Unterschied, meinte Weltmeister Lewis Hamilton sogar über das Hinterherfahren.

So extrem sahen es jedoch die wenigsten. Zumindest gute Ansätze beobachteten einige Fahrer. "Es scheint, dass es jetzt leichter ist, dem Auto vor dir näher zu kommen", sagte Kimi Räikkönen. "Aber das Überholen ist noch immer sehr schwer." Haas-Pilot Romain Grosjean bestätigt: "Die neuen Regeln sind großartig dafür, einem anderen Auto zu folgen. Wir können viel einfacher hinterherfahren als in der Vergangenheit. Aber das Überholen ist noch immer kompliziert."

Räikkönen & Grosjean: Dichtes Folgen jetzt leichter

Das hängt für den Franzosen jedoch eher mit einem anderen Faktor als der Aerodynamik zusammen. "Die Reifen sind noch immer so wie vergangenes Jahr. Du pushst, du rutschst und verlierst Grip", bemängelt Grosjean. Racing Points Lance Stroll spiegelt diese Einschätzung. "Es sieht so aus, als könnte das Racing jetzt potentiell enger sein, ich denke, dass die Aerodynamik auch hinter anderen Autos jetzt besser funktioniert", sagt der Kanadier. "Es war mehr eine Sache, die zu einem gewissen Rennzeitpunkt zu managen und dann weiterzupushen wenn ich die Autos vor uns attackieren wollte. Das hat es eher schwierig gemacht."

Formel 1 Regeln 2019: Alle Neuerungen erklärt (13:42 Min.)

Abseits dieser kleinen Reifen-Episode halten wir also fest: Hinterherfahren ist besser geworden, Überholen jedoch nicht. "Ich hatte keine Chance vorbeizukommen, es ist noch immer sehr schwierig", bestätigt auch Verstappen mit Blick auf seine Hamilton-Jagd gegen Ende des Australien GP, die den Niederländer immer nur bis ins Getriebe des Briten führte, jedoch nie vorbei. Dennoch gibt es Grund zur Hoffnung, dass auch das Überholen 2019 deutlich leichter fallen sollte, nicht nur das Hinterherfahren.

Überholen weiter extrem schwer - aber Sonderfall Albert Park

Und dieser Grund heißt Albert Park. Streckenbedingt liefert der Kurs schlicht kaum exzellente Überholmöglichkeiten. Nicht einmal die Start/Ziel-Gerade zählt zu den längsten im Rennkalender, noch dazu wird an deren Ende zwar deutlich verzögert, allerdings geht es in alles andere als eine Haarnadel. Zum klassischen Ausbremsen lädt Down Under praktisch keine Kurve wirklich ein. In Zahlen ausgedrückt: 1,8 Sekunden musste der Pace-Unterschied betragen, um überholen zu können, rechnete Mercedes vor.

Genau darauf verwiesen die Fahrer quer durchs Feld. "Es ist sehr schwer", so Lando Norris. Sergio Perez legt noch einen drauf. "Extrem schwierig", sagt der Mexikaner. "Wir wissen ja alle, dass das Überholen im Albert Park sehr schwierig ist", bestätigt Daniil Kvyat. Der Russe hielt sogar Pierre Gasly im eigentlich viel schnelleren Schwesterauto von Red Bull hinter sich. "Das war irgendwie befriedigend, ein viel schnelleres Auto fast das ganze Rennen hinter mir zu halten."

Besonders einprägsam formulierte es Kevin Magnussen, schon vor dem Wochenende mit hellseherischen Fähigkeiten gesegnet: "Selbst mit Karts könntest du hier nicht überholen!" Für eine wirklich abschließende Bewertung der neuen Aero-Regeln taugt der Albert Park also nur bedingt, ist nicht repräsentativ für das Gros der Formel-1-Strecken im Rennkalender.

Doch die Anzeichen stimmen optimistisch, meint auch Ross Brawn, Managing Director der Formel 1. "Es ist ermutigend, besonders auch abseits von eigentlichen Überholmanövern gab es einige spannende Kämpfe", sagt der Brite. "Einige Fahrer haben gesagt, dass sich das Auto beim Hinterherfahren jetzt neutraler anfühlt als in vorherigen Jahren. Aber warten wir noch wenigstens drei Strecken ab, bevor wir Schlüsse ziehen. Gerade Australien ist ja nicht der akkurateste Test gewesen."