Das sieht man auch nicht alle Tage: Nach dem Formel-1-Rennen in Bahrain hat Sebastian Vettel ausgerechnet seinen Erzrivalen und wohl auch in der F1-Saison 2018 schärfsten Gegner im Titelkampf, Mercedes-Weltmeister Lewis Hamilton, verteidigt.

Vettel: Erst ein Schmunzeln, dann Ansprache

Der Brite hatte im Raum vor der Zeremonie auf dem Podium auf den TV-Screens das Video-Material seines Unfalls mit Max Verstappen in Runde zwei des Grand Prix von Bahrain gesehen, der den Red-Bull-Piloten in letzter Konsequenz das Rennen kostete. Hamilton selbst entging einem Schaden an seinem Mercedes.

Dennoch stieß dem Formel-1-Weltmeister die Aktion Verstappens sauer auf. "Dickhead", zu Deutsch wahlweise Dummkopf, Schwachkopf oder Trottel, schimpfte Hamilton. Perfekt eingefangen von den Mikrofonen. Auch Sebastian Vettel bekam die Wortwahl mit, schmunzelte sich einen. Nur amüsiert? Oder schon in dem Wissen, was wenig später passieren würde?

Denn es passierte etwas. Natürlich. Die Presse hatte selbstredend Augen und Ohren offen, die scharfen Worte genau mitbekommen. Vor allem die Niederländer. Gleich die erste Frage in der folgenden Pressekonferenz kam dann auch von einem niederländischen Journalisten - und richtete sich zu eben jenem Thema an Lewis Hamilton. Dann wurde es interessant, Vettel intervenierte.

"Darf ich die Frage beantworten?", bat der Deutsche. Er durfte. Was folgte, war ein absurder Moment, eine regelrechte Ansprache des Ferrari-Piloten, eine flammende Rede über Emotionen im Sport, Schlagzeilen und Stories, die eigentlich gar keine sind.

Sebastian Vettel: Das sind beschissene Fragen

Motorsport-Magazin.com liefert das Vettel-Pamphlet im Wortlaut:

"Ich denke, es ist nicht fair. Ich weiß nicht, was Lewis getan hat. Wir waren alle schon einmal in der Situation. Wir kämpfen gegen jemanden, manchmal Rad an Rad. Es geht eng zu und da ist viel Adrenalin im Spiel.

Glaubt ihr etwa, dass, wenn ein Fußballspieler ein Mikrofon vor dem Mund hätte, das alles, was er sagt, etwas Schönes ist und eine nette Botschaft wenn ihn gerade der andere Typ gestoßen hat? Und manchmal foult er ihn dann oder eben nicht.

Ich denke, es ist nicht richtig, uns nach dem Rennen dann solche beschissenen Fragen zu stellen, um dann aus Nichts eine Story zu machen. Wir fahren hier nur Rennen, wir sind voll mit Adrenalin und manchmal sagen wir halt diese Dinge.

Was ich meine: Wenn ich dir ins Gesicht schlage, dann wirst du nicht sagen 'Oh, Sebastian, das war aber nicht so nett.' Es ist eine menschliche Reaktion. Manchmal denke ich, dass alles etwas aufgeblasen wird und künstlich ist wenn wir diese Frage bekommen, nur um eine Story aus Nichts zu machen. Es ist nicht persönlich, ich nehme das nicht persönlich."

Over and out, Sebastian Trapattoni Vettel hatte fertig. Hatte er sich das alles schon zurechtgelegt? Der auffällige Schmunzler oben vor dem Podium macht es Glauben. Oder war es ganz spontan als dann wirklich die Frage kam?

Sebastian Vettel und die Emotionen - eine lange Geschichte

Wie auch immer: Dass solche Aussagen ausgerechnet von Vettel kommen, mag überraschen. Wer verteidigt schon den eigenen Gegner? Das zeugt von Größe. Aber auch einem eigenen Anliegen. Immerhin sah sich Vettel selbst bereits mehrfach in einer ähnlichen Lage. Besonnenheit im Rennauto ließ sich dem Deutschen noch nie zuschreiben. Auch Vettel zeigt Emotionen, lässt seiner Gemütslage auch im Auto schon freien Lauf. Beschimpfungen Charlie Whitings und sein Rammstoß von Baku gegen Lewis Hamilton sind die besten Beispiele.

Diese Vorfälle gingen über die Grenze, Vettel hatte sich in beiden Fällen öffentlich bei den Beteiligten und der FIA entschuldigt, entschuldigen müssen. Jetzt geht es Vettel einfach um das Grundsätzliche. Emotionen dürfen sein, sind menschlich und damit nicht der Rede wert. Vor allem wenn derart viel Adrenalin im Spiel ist.

Selbst Horner entspannt, Hamilton ledert auch ohne Adrenalin

Kurios: Selbst Christian Horner, als Red-Bull-Teamchef bekannt dafür, sich immer ganz klar und uneingeschränkt formatfüllend vor seine Fahrer zu stellen, nahm die Dummkopf-Angelegenheit völlig locker. "Der Kampf war hart. Max ist ein aggressiver Rennfahrer, Lewis ist ein aggressiver Rennfahrer. Die Leute schalten das TV ein, um zu sehen wie ihr Kampf ausgeht", so der ganz entspannte Kommentar des Briten.

Der andere Brite - Lewis Hamilton - hingegen machte im weiteren Verlauf des Abends jedoch deutlich, dass zumindest in diesem Fall nicht nur Adrenalin verantwortlich zeichnete. Auch nach der Pressekonferenz ätzte der Champion noch weiter gegen Verstappen, bezeichnete ihn als wenig erwachsen. Fernando Alonso und er, Lewis Hamilton, hätten für Red Bull beim Bahrain GP einen besseren Job gemacht.

Formel 1 2018: So gelang Vettels zweiter Streich (05:49 Min.)