Im hohen Alter von 92 Jahren verstarb der ehemalige Mercedes-Rennfahrer Karl Kling am 18. März dieses Jahres. Nicht nur für DaimlerChrysler-Vorstand Jürgen Hubbert stellte Karl Kling dabei eine der herausragenden Fahrerpersönlichkeiten in der Nachkriegs-Silberpfeil-Ära neben Juan Manuel Fangio und Stirling Moss dar. "Karl Kling war stets ein vorbildlicher Repräsentant unserer Marke, als Rennfahrer wie auch danach als Leiter der Sportabteilung," sagt Motorsportchef Norbert Haug über den verstorbenen Kling. "Sein Kontakt zum aktuellen Renngeschehen und zu uns ist nie abgerissen. Wir alle werden ihn in ehrenden Andenken behalten."

Karl Kling überwacht seinen Wagen., Foto: Sutton
Karl Kling überwacht seinen Wagen., Foto: Sutton

Weltberühmt gemacht hatte ihn einst ein Geier, stattliche 50 Kilogramm schwer und mit der nicht gerade geringen Spannweite von rund zwei Metern. Der hatte bei voller Fahrt die Windschutzscheibe des Mercedes 300 SL durchschlagen, hatte Co-Pilot Hans Klenk dramatisch und bis an die Grenze der Besinnungslosigkeit verletzt und im Cockpit ein Blutbad angerichtet.

Das war 1952, bei der Carrera Panamericana in Mexiko, dem schnellsten Straßenrennen der Welt, bei dem die Fahrer selbst die Dörfer noch mit mehr als 200 km/h durchfuhren. Kling selbst hatte die Kollision nahezu unverwundet überstanden und um Klenk, der später bei Testfahrten mit dem Formel 1-Silberpfeil so schwer stürzen sollte, so dass er sich nie mehr richtig erholen konnte, kümmerte sich der Arzt. Deutsche Werte, wie Fleiß, Disziplin und Ordnung, mit Vernunft angewendet und auf etwas Positives gerichtet, sind etwas wunderbares. Natürlich war unverzüglich eine Ersatzscheibe greifbar, Kling siegte mit neuem Rekordschnitt von über 165 km/h und 35 Minuten Vorsprung auf Teamkollege Hermann Lang. Im Ziel wartete auf Kling nicht nur eine riesige Trophäe, sondern auch ein außergewöhnlich hohes Preisgeld, das damals umgerechnet rund 80.000 D-Mark betrug.

Karl Kling beim Frankreich GP 1954., Foto: Mercedes
Karl Kling beim Frankreich GP 1954., Foto: Mercedes

Sein Name war damit in die Elite der Rennfahrer aufgenommen worden und Deutschlands Sportredakteure erklärten den gebürtigen Giessener zum "Deutschen Sportler Nr. 1". Im Palais Schaumburg zu Bonn am Rhein, dem Bundeskanzleramt, erkannte Dr. Adenauer als einer der ersten die Zeichen der Zeit: "Dieser Sieg öffnet uns die Tür zum Export." Deutschland hatte, nur sieben Jahre nach dem Ende der verbrecherischen Nazi-Diktatur, einen neuen Nationalhelden und das Wirtschaftswunder hatte gerade erst begonnen.

Es war 1952 bei Mercedes-Benz bereits klar, dass man alsbald auf die Grand Prix-Pisten zurückkehren würde und Kling würde auch zu diesem Teil der Geschichte gehören. Mit dem Ruhm, mit der mit ihm verbundenen Popularität, ging er ganz sachlich um. Gerade das machte ihn zu einem Star.

Kling auf der Berliner Avus., Foto: Mercedes
Kling auf der Berliner Avus., Foto: Mercedes

Am Nachmittag des 4. Juli 1954 hatte der deutsche Sport endgültig die Hypotheken seiner schrecklichen Vergangenheit getilgt. In der Schweiz gewann die Fußball-Nationalmannschaft den Weltmeistertitel. Und zuvor siegten die Mercedes-Benz W196 beim Grand Prix von Frankreich auf der Hochgeschwindigkeitspiste von Reims gleich bei ihrem Comeback. Triumphe eines Landes, das noch nicht einmal ein Jahrzehnt zuvor mit Waffengewalt und militärischer Macht zu Frieden und Demokratie gezwungen werden musste.

Fangio und Kling fuhren in Reims die vollverkleidete Stromlinienversion des W196, der eine Lücke im Reglement geschickt ausnutzte. Und der Deutsche etablierte sich bei seinem Grand Prix-Debüt, immerhin schon 43 Jahre alt, sofort inmitten der Weltklasse, denn er wurde nur vom argentinischen Maestro und das auch nur um eine Zehntelsekunde geschlagen. Zehn weitere WM–Läufe (1954/55) folgten noch, allesamt auf Mercedes.

Kling in seinem Silberpfeil., Foto: Mercedes
Kling in seinem Silberpfeil., Foto: Mercedes

1955 wurde die Biografie "Jagd nach dem Sieg – Ein Rennfahrer erzählt" von Günther Molter veröffentlicht. Im Vorwort schrieb Rennleiter Alfred Neubauer: "Klings Erfolge lagen, wie im Leben so im Rennfach, in seinem eisernen Willen, in seinem Ehrgeiz, in seiner sportlichen Sauberkeit und nicht zu vergessen in seinem technischen Können. Zu den technischen Kenntnissen im Kraftwagenbau, zum Talent als Fahrer gesellten sich Konzentrationsfähigkeit und gute Nerven. Eines muss den Rennfahrer jedoch außerdem auszeichnen: er muss Geduld haben."

Wäre der Krieg nicht gewesen, hätte Deutschland nicht bis Mitte der neunziger Jahre auf seinen ersten Weltmeister warten müssen. Da erschien, 40 Jahre nach dem Ende seiner aktiven Zeit, Karl Kling bereits morgens um 6 Uhr im deutschen Fernsehsender ARD und beantwortete, live aus dem Mercedes-Museum in Stuttgart, im Frühstücksfernsehen die Fragen der Zuschauer. Kurz vor Weihnachten 1996 lud RTL Television zu einer großen Motorsport-Show mit dem Titel Schumi, Freunde und Boliden nach Oberhausen. Dort hatte auch Karl Kling seinen letzten großen Auftritt und wurde von Moderator Günther Jauch mit den Worten "Hier kommt der Schumacher der fünfziger Jahre" vorgestellt.