Christian Danner ist für die deutschen Formel-1-Fans vor allem eines: Seit über 20 Jahren ist er die Expertenstimme der TV-Übertragungen von RTL. Eine Rolle, die ihm nicht ohne Grund zuteil wurde. Dem Leben als Fernsehkommentator gingen über 20 Jahre als Rennfahrer voraus, welche den Bayer von seinen Anfängen im 75 PS starken Renault 5 bis in die Formel 1 zur Zeiten der ersten Turbo-Ära führte - und darüber hinaus.
Am 4. April 2018 feiert das Motorsport-Urgestein seinen 60. Geburtstag. Grund genug für Motorsport-Magazin.com, um Christian Danner zum großen Geburtstags-Interview zu bitten. Im ersten Teil: Danners nicht ganz gewöhnlicher Einstieg in den Motorsport und wie der Abiturient mit dem Ohrring sich den Weg in die Königsklasse bahnte.
Interview geführt von Christian MenathWie sind Sie damals überhaupt zum Motorsport gekommen?
Christian Danner: Ich war fast ein Spät- oder ein Quereinsteiger. Ich war zwar ein wahnsinnig großer Motorsport-Fan, aber ich bin ganz brav in München aufs Gymnasium gegangen. Ich hatte auch keine Eltern, die Go-Karts oder etwas in der Art für sinnvoll gehalten hätten. Deswegen habe ich erst den Führerschein gemacht und bin dann ganz tapfer losgefahren mit meinem Renault. So gesehen habe ich sehr spät erst angefangen und hatte auch null Erfahrung gegenüber den anderen Fahrern. Da habe ich schon ein paar Jahre gebraucht, bis ich das aufgeholt hatte.
Womit haben Sie im Motorsport angefangen, welches war das erste Rennen?
Christian Danner: Ich bin ab 1977 im Renault R5 Pokal gefahren. Das war ein Markenpokal und damals in Deutschland die Meisterschaft überhaupt für junge Leute, die Rennen fahren wollten. Daraus sind viele gute Piloten hervorgegangen. Das war klar, denn die Serie war erschwinglich. Das Auto hat 5.000 D-Mark gekostet und schon konnte man mitfahren. Mein erstes Rennen war in Zolder. Da habe ich mich dann ganz schön gewundert, als ich mich in der Doppelrechts-Kurve überschlagen habe. [lacht] Ich hatte doch noch keine Ahnung, wie man fährt. Aber das habe ich im Lauf der Zeit dort gelernt.
Nach ein paar Jahren bin ich dann 1980 die Procar-Serie von BMW gefahren. Damals sprach mich Manfred Cassani an. Das war ein Jalousienhersteller und ein totaler Motorsport-Enthusiast. Der hatte einen BMW M1, mit dem er in der Procar gefahren ist und dazu ein Formel-2-Team. Er hat dann zu mir gesagt: Christian, aus dir mache ich einen Formel-1-Rennfahrer. Dann habe ich dort, sehr zur Freude meines Vaters, wie man sich vorstellen kann, einen 15-Jahres-Vertrag unterschrieben und gesagt: Jetzt werde ich Autorennfahrer. [lacht]
Alles was das Studium anging und was ich da nebenher auf Druck des Elternhauses entwickelte, habe ich nonchalant unter den Tisch gekehrt. Irgendwann kam es dann zur Konfrontation, die dazu führte, dass mein Vater drei Jahre nicht mehr mit mir gesprochen hat. Aber das war mir wurscht, denn ich konnte ja Rennen fahren. Damit war für mich alles gut.
Ihr Vater war als Unfallforscher sozusagen das genaue Gegenteil eines Rennfahrers, oder?
Christian Danner: Ja, das ist schon richtig. Aber es ist ja nicht so, dass Motorsport nur aus Unfällen besteht. Aber er hat das einfach überhaupt nicht verstanden. Das war für ihn nicht nachzuvollziehen, was das soll. Es war für ihn klar, dass ich studieren sollte. Das ist ja auch logisch, aber ich habe da meinen eigenen Willen durchgesetzt, und das sehr hart gegen den Willen der Eltern. Heutzutage wäre das nicht vorstellbar. Es gibt keinen Rennfahrer, der nicht mit der Hilfe seiner Eltern ans Ziel gekommen ist. Das war damals anders. Aber das ist vielleicht der Grund, weshalb ich heute noch dabei bin. Ich habe es ja gemacht, weil ich es gerne mache.
Sie haben gesagt, der Renault 5 hat damals 5.000 D-Mark gekostet. Das sind natürlich Summen, von denen man heute nur noch träumen kann...
Christian Danner: Ja, und der war rennfertig.
Wie haben Sie das damals finanziert?
Christian Danner: Ich habe schon ein paar Kompromisse machen müssen. Ein paar Sponsoren aus der Nachbarschaft habe ich aufgetrieben und natürlich habe ich meinen Vater überzeugt, dass ich ein Auto brauche. Dem erschien ein Renault 5 auf den ersten Blick ganz passabel. Dass das dann ein Rennauto war, hat ihn dann doch überrascht.
Wann kam der Punkt, als aus dem Spaß ein Beruf wurde?
Christian Danner: Der Schritt zum Profi erfolgte für mich ganz klar am Ende der Saison 1980. Da kam Dieter Stappert, der damalige Rennleiter von BMW-Motorsport zu mir und sagte: Ich möchte dich gerne als BMW-Werksfahrer haben. Du müsstest mit deiner Erfahrung zwar eigentlich Formel 3 fahren, aber die Möglichkeit haben wir im Moment nicht. Wir können dich nur in die Formel 2 stecken.
Da habe ich selbstverständlich geantwortet, dann fahren wir eben Formel 2. Ich wusste natürlich nicht so ganz, worauf ich mich einlasse. Aber ab da war Schluss mit lustig. Meine Teamkollegen waren die damaligen Formel-3-Europa- und Vizemeister, Thierry Boutsen und Corrado Fabi. Da kommst du sehr schnell auf den Boden der Tatsachen und ab diesem Zeitpunkt war ich Profi.
Wie kann man die damalige Formel 2 mit der heutigen vergleichen?
Christian Danner: Die Formel 2 war damals eine eigenständige Meisterschaft, die auch eine Herstellervielfalt hatte. Das ist nicht so wie heute. In fast allen Rennserien wird heutzutage mit einem Einheitschassis gefahren. Ob IndyCar, Indy Lights, Formel 3 oder Formel 2. Alles was irgendwo Formelsport ist, fährt mit einem Einheitschassis. Das war früher ganz anders. Da gab es March, Lola, den Arturo Merzario der seine eigenen Chassis gebaut hat. Das war wie eine kleine Formel 1.
Da gab es Weiterentwicklung, technische Unterschiede, Reifentests. Das war alles wie bei den Großen, nur in klein. Da habe ich natürlich unheimlich viel gelernt. Im Grunde genommen mein gesamtes Rüstzeug, das ich die ganzen Jahre über als Profi gebraucht habe. Man kann sich nicht vorstellen, wie gut die Fahrer da waren. Da muss man nur mal auf die Starterlisten schauen, welche Namen da mitgefahren sind. Das war schon toll.
Sie sind damals mit der Formel 2 auch noch auf der Nordschleife gefahren. War das eine besonders verrückte Erfahrung mit so einem Auto?
Christian Danner. Das kann man so nicht sagen. Ich habe ja mit dem Renault-Tourenwagen angefangen und bin dann ein paar Rennen mit dem BMW M1 gefahren. Das war für damalige Verhältnisse schon ein sehr fortschrittlicher Sportwagen. Dann bin ich Formel 2 gefahren, hatte aber keinerlei Monoposto-Erfahrung - weder Go-Kart, noch Formel Ford oder Formel 3. Ich habe aber Formelautos als die echten Rennautos angesehen. Ich bin natürlich auch Touren- und Sportwagen und alles Mögliche gefahren.
Was mich wirklich immer am meisten interessiert hat waren Formelautos. So ein Formel-2-Auto hatte ja auch damals schon sehr viel Abtrieb. Das war wirklich schnell in der Kurve. Der Motor von BMW hatte nur um die 350 PS. Aber die Autos waren so leicht, die haben nur etwa 400 Kilogramm gewogen. Das Thema Kurvengeschwindigkeit war für mich nie ein Problem, das hat mir immer sehr gefallen. Je schneller desto besser.
Die Nordschleife hat Ihnen also auch im Formelauto keine Angst eingeflößt?
Christian Danner: Für mich war es insofern aufregend, weil ich nur ein Training fahren konnte. 1982 hatte ich einen Unfall - 1983 stand ich dafür auf der Pole. Wenn du im Auto sitzt, ist es so wie jedes andere Rennauto, dass du dort fährst. Da spürt man subjektiv keinen Unterschied. Wenn ich jetzt daran denke, wie ich damals dort gefahren bin... und ich weiß teilweise noch viele Details, zum Beispiel wo ich überall Vollgas gefahren bin. Da wunderst du dich schon. Ein bisschen bescheuert waren wir schon. [lacht]
Aber das gehört auf der Nordschleife immer dazu, wenn man schnell ist und eine richtig gute Rundenzeit fahren will. Man kann dann nicht sagen: Huch, ich erschrecke mich jetzt. Da ist Schluss mit lustig, da musst du ran. Das hat mir gefallen, ich mochte schnelle Strecken und das war eine - und ich wusste auch, wo es lang geht. Ich war ja mit meinem Renault 5 mit 75 PS schon das 24-Stunden-Rennen gefahren. [lacht] Daher kannte ich alles ganz genau.
Auf die Formel 2 folgte 1985 die Formel 3000 Europameisterschaft und für Sie ein richtig großer Erfolg...
Christian Danner: Der Titel dort war letztendlich mein größter Erfolg im Motorsport. Aber man muss natürlich auch sehen, dass ich für einen Titel längst überfällig war. Das Problem war nur, dass gegen Ende der Formel-2-Zeit die Hondas so überlegen waren, dass du nicht einmal mehr in die Nähe von ihnen gekommen bist. Die hatten bis zu 100 PS mehr. Da war es natürlich eine große Erleichterung, als wir 1985 angefangen haben, mit angeglichenen Motoren zu fahren. Ich habe außerdem die ganze Entwicklung für den March 85B gefahren.
Das war ein revolutionäres Auto. Angestellt mit einem flachen Unterboden, das Heck lag höher als die Nase. Das hat Ralph Bellamy 1985 erfunden, der hat damals schon gesagt: Du brauchst viel mehr Abtrieb. So sind wir auf den Geraden zwar ein bisschen langsamer, aber das macht nichts, denn dafür fahren wir viel schneller durch die Kurven. Das kommt einem doch bekannt vor, wenn wir heute mal auf Red Bull schauen. Adrian Newey ist natürlich einer, der das auch früh verstanden hat.
Mit diesem Auto war das Fahren natürlich eine Freude. Aber da mussten auch erst ein paar Sachen in die Wege geleitet werden. Bridgestone-Reifen musste man damals haben und einen etwas anderen Motor gab es auch. Es gab die Standardversion und eine, die etwas weiter entwickelt war. Als das Paket gepasst hat, war ich aus der ersten Startreihe eigentlich nicht mehr wegzubekommen.
Im selben Jahr ging es dann auch mit der Formel 1 los. Wie lief der Aufstieg in die Königsklasse damals ab?
Christian Danner: Ich bin meinen ersten Grand Prix gefahren, bevor ich die Meisterschaft gewonnen hatte. Und nebenbei bemerkt bin ich 1985 in Macau mein erstes Formel-3-Rennen gefahren und zwar nach meinem ersten Formel-1-GP. Das muss man sich mal vorstellen. Ich glaube, das hat außer mir keiner so gemacht. [lacht] Die Situation war aber sehr klar. Der nächste Schritt hieß Formel 1. Ich war dabei aber immer auf mich alleine gestellt. Ich hatte keine Lobby, keinen großen Sponsor oder ein Nachwuchsteam, das mich weitervermittelt hätte.
Ich musste selber schauen, wie ich klarkomme. Damals kam dann durch Martin Reiss, der heute noch als Manager von Romain Grosjean aktiv ist, der Kontakt zu Osella zustande. Ich hatte natürlich meine BMW-Kontakte. Wolfgang-Peter Flohr war zu dieser Zeit unser Motorsportchef und hat mir immer sehr geholfen. Aber in diesem Fall konnte er mir nicht direkt weiterhelfen, denn die ganzen BMW-Teams in der Formel 1 waren alle dicht. Da kam ich nicht rein. Er hat immer versucht etwas zu machen, aber dann hat er irgendwann gesagt: Ok, ich zahle dir etwas mehr für die Tourenwagenrennen, dann kannst du wenigstens bei Osella fahren.
Dann bin ich mit meinem ersten Gehaltsscheck, unterschrieben von Wolfgang-Peter Flohr und BMW, nach Piemont zu Osella gefahren und habe ihnen den Scheck vorgelegt: Hier, mehr habe ich nicht. Den kannst du haben, aber dann will ich fahren. Er hat den Scheck genommen und ich bin gefahren. Es war für mich damals die einzige Möglichkeit. Es war natürlich schrecklich, denn das Auto war ja wirklich nichts Besonderes. Aber so kam ich in die Formel 1.
Zakspeed, für die ich 1985 meinen ersten Grand Prix gefahren bin, hatte damals und auch für 1985 Jonathan Palmer unter Vertrag. Das Team hatte nur ein Auto und Erich Zakowski wollte Palmer behalten, weil er die ganze Entwicklung des Autos gefahren ist, was unter dem Gesichtspunkt auch verständlich ist. Später war das Pech von Marc Surer mein Glück. Als er seinen schweren Rallye-Unfall hatte, hat Flohr sofort Jackie Oliver [Gründer und Teamchef von Arrows] angerufen und ihm gesagt: Du brauchst jetzt einen Fahrer und ich sage dir auch, wie der heiß. Der heißt Christian Danner. So kam ich dann 1986 nach ein paar Rennen von Osella zu Arrows.
Abgesehen von meinem späten Einstieg in den Motorsport war ich damals auch nicht der typische Formel-1-Fahrer. Da haben viele Leute gesagt: Lange Haare, Ohrring, Abitur, der soll mal an die Universität gehen und nicht Rennen fahren. Diese Einstellung war ja einer meiner großen Nachteile damals: Man muss ungebildet und wild sein, dann geht das. Aber der kann es doch nicht. Gegenwind hatte ich immer, aber davon habe ich mich nicht beeindrucken lassen.
Thema wild: Wie war denn Christian Danner damals so als Mensch? Mit Lewis Hamiltons Lebensstil haben Sie ja auf den ersten Blick nicht so viel gemeinsam, aber den Ohrring haben Sie in die Formel 1 gebracht und nicht Lewis Hamilton...
Christian Danner: Ja, Moment! In der Hierarchie der Formel-1-Ohrringe bin ich Nummer eins, Christian Klien Nummer zwei und Hamilton erst abgeschlagen die Nummer drei. [lacht] Es gibt so ein paar Wettbewerbe, bei denen ich ganz weit vorne bin. Ich habe es jetzt nicht recherchiert, aber der Hamilton ist auch garantiert nicht der erste Vegetarier in der Formel 1. Das bin, wenn, dann schon ich gewesen. Das sind so lustige Sachen, über die man schmunzeln muss. Manche Leute haben da schon gefragt, was will der denn hier? Ich wusste, was ich da wollte. Ich habe den Sport geliebt.
Es gibt schöne Bilder mit Ihnen und Grid Girls. Haben Sie das Leben als Formel-1-Fahrer damals genossen?
Christian Danner: Ja, natürlich. Ich bin ja nicht doof. Zu den Grid Girls hatte ich auch immer ein sehr harmonisches Verhältnis. Ich bedauere ein wenig, dass es sie jetzt nicht mehr gibt. Aber generell hatte man einfach ein bisschen mehr Zeit. Man ist zum Beispiel regelmäßig gemütlich Abendessen gegangen - mit Freunden, dem Team, Mechanikern. Das war nicht alles getrennt und wir hatten auch nicht die Briefings abends bis um acht Uhr. So viel konnten wir gar nicht besprechen. Was ich wusste, habe ich zu Protokoll gegeben und die Ingenieure haben es dann umgesetzt. Die Mechaniker haben das Auto zusammengebaut und dann Feierabend gemacht, um Essen zu gehen. Diese Atmosphäre war sehr angenehm. Eigentlich sehr ähnlich dem, was ich jetzt im GT4-Sport erlebe. Rennteam heißt nicht, dass die das machen und ich das, sondern, dass man es gemeinsam macht. Das ist sehr schön.
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