Die Formel 1 ist ein schnelllebiges Geschäft. Machte sich bei den Testfahrten in Barcelona noch die halbe Formel-1-Welt über McLaren lustig, steht es um die Gemütslage des Fahrerlagers nach dem Saisonauftakt in Australien anders. McLaren holte wider Erwarten und mit viel Glück tatsächlich die von Alonso angekündigten 'Big Points', während Toro Rosso die Honda-Erfahrung der letzten Jahre zu spüren bekam.

Dabei sah es bei den Wintertests noch ganz anders aus: Toro Rosso überraschte mit dem neuen Honda-Antrieb. Nach Mercedes und Ferrari drehte Toro Rosso in den beiden Wochen am meisten Runden. Probleme gab es kaum, dazu war der Rennstall von Teamchef Franz Tost auch nicht gerade langsam unterwegs.

"So weit hinten ist der Motor nicht, wie das zuvor immer wieder behauptet wurde", sagte Tost im großen Motorsport-Magazin.com-Interview, das in der aktuellen Print-Ausgabe zu lesen ist. Tatsächlich rehabilitierten auch die Topspeed-Werte Hondas Ruf der letzten drei Jahre. Toro Rosso fand sich mit der japanischen Power Unit im Mittelfeld wider, McLaren bildet auch mit Renault-Motoren das Schlusslicht.

McLaren hingegen kam im Winter von der Regen in die Traufe. Überhitzungsprobleme, ein loses Rad, eine gebrochene Auspuffhalterung, ein Ölleck und ein Hydraulikleck - die Liste der Probleme ist lang.

In Melbourne dann das umgekehrte Bild: Die Plätze elf und zwölf sind zwar auch nicht gerade das, was sich McLaren erhofft hatte, dennoch lief es besser als von vielen prophezeit. Dank der Ausfälle der beiden Haas-Piloten und Glück mit dem Timing des Boxenstopps unter VSC-Bedingungen landete Alonso am Ende sogar auf Rang fünf.

Position20172018Differenz
McLaren15,511,5-4
Toro Rosso8,5189,5

Bei Toro Rosso genau andersrum: Pierre Gasly startet nach einem kleinen Fehler vom letzten Platz, auch Teamkollege Brendon Hartley verpasste als 16. den Einzug in das zweite Qualifikationssegment. Im Rennen schied Gasly schließlich wegen eines Problems an der MGU-H aus, Hartley musste sich als einziger Pilot überrunden lassen, hatte sein Rennen nach einem Bremsplatten in Kurve eins schon weggeworfen.

Toro Rosso: Australien nach Testfahrten Enttäuschung

Teamchef Franz Tost macht kein Geheimnis aus seiner Enttäuschung: "Nach unserem erfolgreichen Test in Barcelona hatten wir eine viel besseres Ergebnis in Melbourne erwartet." Ist die ganze Honda-Euphorie in Faenza nach nur einem Rennen wieder verflogen?

Nein, die Stimmung zwischen Toro Rosso und Honda passt noch immer. Aber wie sieht es bei den harten Fakten aus? Zahlt Toro Rosso nun doch den Preis für den Motorwechsel? Und zahlen sich auf der anderen Seite die Millionen aus, die McLaren zusammen mit den Honda-Motoren hergab?

Man kann die Daten tatsächlich auf unterschiedliche Weise interpretieren. Beim Topspeed ist McLaren noch immer Schlusslicht. Fernando Alonso und Stoffel Vandoorne werden an der Messstelle 123 Meter vor Kurve eins tatsächlich auf den Rängen 19 und 20 geführt im Qualifying. Ein wenig rehabilitiert das Honda.

McLaren verspricht: Updates machen Auto effizient

McLaren baut offenbar zwar ein Auto, das viel Abtrieb erzeugt, dabei aber auch viel Luftwiderstand generiert. Aerodynamische Effizienz ist ganz offensichtlich nicht die Stärke der Aerodynamiker in Woking. McLaren Rennleiter Eric Boullier versichert Motorsport-Magazin.com aber: "Wenn die Updates kommen, wird auch die aerodynamische Effizienz besser."

Die Topspeeds sanken 2018 im Vergleich mit 2017 bei McLaren und Toro Rosso. Die Windrichtung hat hier einen großen Einfluss. McLaren verlor 6,6 Stundenkilometer, Toro Rosso 8,5 Stundenkilometer. Angesichts der von McLaren jahrelang propagierten Werte ein akzeptabler Wert mit den Honda-Motoren.

An der Messstelle am Ende von Sektor eins verloren McLaren und Toro Rosso in etwa gleich viel. Dann wird es aber spannend: Am Ende von Sektor zwei verlor Toro Rosso satte 6 Stundenkilometer, während McLaren auf einem Niveau mit 2017 blieb. Das gleiche Spiel auf der Ziellinie: Toro Rosso büßte hier satte 10 km/h ein, während McLaren sogar leicht gewinnen konnte. Um den Faktor Zufall etwas einzuschränken, rechnen wir übrigens mit den Durchschnittswerten beider Fahrzeuge eines Teams.

Geschwindigkeitswerte Australien GP Qualifying

Topspeed20172018Differenz
McLaren315,5308,9-6,6
Toro Rosso322,15313,6-8,55
Sektor 1
McLaren281276,8-4,2
Toro Rosso281,45276,5-4,95
Sektor 2
McLaren290,05289,65-0,4
Toro Rosso293,65287,55-6,1
Ziellinie
McLaren300,05300,9+0,85
Toro Rosso309,4299,75-9,65

Alle Angaben sind Durchschnittswerte beider Piloten in km/h

Diese Werte legen zwei Vermutungen nahe. Zum einen, dass der Honda-Power-Unit offenbar gegen Ende der Rund die Puste ausgeht. Zu Beginn einer Qualifikationsrunde sind die Batterien vollgeladen. 4 Megajoule dürfen sie speichern. Im Qualifikations-Modus rekuperieren die Autos deutlich weniger Energie, als sie aus dem System ziehen. Möglich, dass die Honda-Batterie schon am Ende des zweiten Sektors leer ist.

Zum anderen zeigt sich, dass Endgeschwindigkeit nicht mit Leistung gleichzusetzen ist. Je höher die Geschwindigkeit, desto größer wird die Rolle des Luftwiderstands des Autos. Zudem ist es auch Rundenzeit-effizienter, schnell zu beschleunigen, statt auf eine hohe Endgeschwindigkeit zu setzen.

McLaren im Qualifying 2,4 Sekunden schneller als 2017

Bei den Rundenzeiten wird es aber noch eindeutiger. Zumindest, wenn man auf das reine Qualifikationsergebnis blickt. McLaren verbesserte sich im Vergleich zu 2017 um rund 2,4 Sekunden. Toro Rosso verschlechterte sich sogar um 0,4 Sekunden. Während es für McLaren in der Startaufstellung um vier Positionen nach vorne ging, wurde Toro Rosso fast von der halben Startaufstellung überholt.

Beste Qualifying-Zeit2017 [min]2018 [min]Differenz [s]
McLaren1:26,142 (Q2)1:23,773 (Q3)-2,370
Toro Rosso1:24,487 (Q3)1:24,532 (Q1)+0,045

Allerdings sind auch hier einige Faktoren zu berücksichtigen. Toro Rosso tritt in dieser Saison mit zwei Piloten an, die noch nie in Melbourne am Start waren. Wegen des schlechten Wetters fiel zudem die Qualifying-Generalprobe flach.

Dazu sollte man nicht die absoluten Zeiten miteinander vergleichen. 2017 schaffte es Toro Rosso schließlich ins Q3, in diesem Jahr war schon in Q1 Schluss. Die Strecke entwickelt sich während der Session enorm. Zieht man zudem nur den schnellsten Piloten und nicht die Durchschnittszeit heran, was in diesem Fall relevanter ist, hat sich auch Toro Rosso verbessert - um eine ganze Sekunde sogar.

Qualifying-Zeit2017 [min]2018 [min]Differenz [s]
McLaren1:25,425 (Q2)1:23,692 (Q2)-1,733
Toro Rosso1:25,542 (Q1)1:24,532 (Q1)-1,010

Wendet man die gleiche Methode auch bei McLaren an, hat sich der Rennstall 'nur' noch um 1,7 Sekunden verbessert. Sieben Zehntel in Relation zur Konkurrenz zu finden, ist dennoch ein beachtlicher Wert.

Ausgeträumt also bei Toro Rosso und Honda? Eher von der Realität eingeholt. Doch die Realität ist bei weitem nicht so schlimm, wie von einigen befürchtet und von McLaren die letzten drei Jahre behauptet. Offenbar ist Honda im Power-Ranking noch immer auf Platz vier der vier Hersteller, allerdings nicht komplett abgeschlagen.

Bei McLaren fehlt es offenbar nicht nur an PS, sondern auch am Chassis. Das zeigt der Vergleich mit Red Bull ganz klar. Macht der Rennstall nicht noch einen dramatischen Sprung in der Zeitentabelle, muss man die Millionen-Motoren-Entscheidung kritisch hinterfragen.