"Ich würde BMW jederzeit zutrauen ein eigenes Formel 1 Auto zu bauen." (Gerhard Berger)

Lange hat es gedauert, bis die Münchner diesen Worten ihres ehemaligen Motorsportdirektors endlich Taten folgen ließen. Doch seit dem heutigen Mittwoch steht offiziell fest, dass BMW das Schweizer Sauber Team nicht nur mit Motoren beliefern wird, sondern komplett bei den Hinwilern einsteigt.

Die Fakten

Zusammengefasst bedeutet dies laut BMW-Vorstand Prof. Dr. Burkhard Göschel: "Wir haben entschieden ab 2006 mit einem von BMW geführten Team in der Formel 1 Weltmeisterschaft zu starten."

Diese Entscheidung fällte der BMW-Vorstand auf seiner gestrigen Sitzung. Neben der Übernahme der Mehrheitsanteile an Sauber Motorsport schicken die Bayrischen Motorenwerke also ab 2006 in Eigenverantwortung ein Formel 1 Team in den Kampf um WM-Punkte. "Mit einem von BMW geführten Team übernehmen wir ab dem nächsten Jahr die Verantwortung für das Gesamtpaket und damit auch die Schlüsselfaktoren Chassis, Reifen und Fahrer."

Prof. Dr. Burkhard Göschel gab die News preis., Foto: BMW
Prof. Dr. Burkhard Göschel gab die News preis., Foto: BMW

"Die Entscheidung ist ein starkes und langfristiges Bekenntnis von BMW zur Formel 1", betont Göschel, dass BMW auch in Zukunft in der Königsklasse des Motorsports aktiv sein möchte. Und zwar "egal ob als Formel 1 oder als irgendeine Nachfolgeorganisation". "Wir erwarten, dass die Formel 1 aus der aktuellen Phase der Umstrukturierung gestärkt hervorgeht und auch in Zukunft die Top-Kategorie im Motorsport darstellt."

Die Entstehung

Doch wie kam es dazu? "Es war keine Entscheidung, die in den letzten drei Wochen entstanden ist", enthüllt BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen nichts Neues. "Wir haben uns bereits seit Ende der letzten Saison darüber Gedanken gemacht und unsere Neuausrichtung basiert auf zwei Erkenntnissen."

Erstens auf dem verringerten Einfluss des Motors. "Der Einfluss des Motors auf das Siegpotenzial des Gesamtpaketes ist zurückgegangen. Fahrzeug, Reifen und Fahrer spielen eine größere Rolle als früher", betont Theissen. Und Zweitens: "Das optimale Gesamtpaket erreicht man nach unserer Auffassung nur mit einem voll integrierten Team mit durchgängigen Prozessen."

Mario Theissen und Peter Sauber diskutierten schon lange., Foto: Sutton
Mario Theissen und Peter Sauber diskutierten schon lange., Foto: Sutton

Warum aber Sauber und nicht Williams oder ein komplett eigenes, neues Team? "Wir haben bekanntlich zu Beginn des Jahres die Gespräche mit Sauber aufgenommen. Dabei ging es nur um eine Motorenlieferung", erinnert sich Theissen zurück. "Die Gespräche haben sich vertieft und wir haben eine Menge Gemeinsamkeiten entdeckt, die zu einem weitergehenden Ansatz geführt haben. Deswegen haben wir uns entschlossen ab dem nächsten Jahr mit einem von BMW geführten Team bestehend aus BMW Motorsport und dem bisherigen Team Sauber an den Start zu gehen."

Der alte Partner

Aber auch für die in den letzten Wochen von vielen Querelen und Unstimmigkeiten geprägte Partnerschaft mit WilliamsF1 bedeutet dies noch nicht zwangsläufig das Ende.

Für den alten Partner sind die Auswirkungen noch unbekannt., Foto: BMW
Für den alten Partner sind die Auswirkungen noch unbekannt., Foto: BMW

"Wir wollen die künftigen Optionen mit WilliamsF1 gemeinsam diskutieren, um den für beide Seiten richtigen Weg zu finden", betont Göschel, dass man für eine weitere Motorenbelieferung des Teams offen sei. "Allerdings möchten wir auch mit voller Konzentration weiter an der Saison 2005 arbeiten und wir würden uns freuen, wenn Williams auch in Zukunft mit BMW-Motoren fahren würde."

"Wie diese Zukunft aussieht, wird sich in den nächsten Wochen entscheiden", fügt Theissen hinzu. "Unabhängig von dieser Entscheidung konzentrieren wir uns auf die laufende Saison. Wir haben uns für dieses Jahr noch einiges vorgenommen, und das werden wir gemeinsam mit WilliamsF1 mit aller Kraft und Professionalität umsetzen."

Entsprechend hat man es noch nicht aufgegeben in den noch verbleibenden zehn Saisonrennen ganz oben auf dem Siegerpodest zu stehen. "Wir wollen den Erfolg und auch schon in diesem Jahr. Wir möchten noch 2005 Rennen gewinnen", gibt Theissen eine klare Marschroute vor. "Wir würden uns auch freuen, wenn Williams im nächsten Jahr mit BMW-Motoren an den Start gehen würde, weswegen wir in den nächsten Wochen entsprechende Gespräche führen werden."

Theissen und Williams möchten sich nächste Woche zusammensetzen., Foto: Sutton
Theissen und Williams möchten sich nächste Woche zusammensetzen., Foto: Sutton

Negative Auswirkungen durch die Bekanntgabe des Sauber-Deals erwartet er sich unterdessen nicht für den Tagesablauf im Fahrerlager. "Es gibt keinen unmittelbaren Einfluss auf unsere Zusammenarbeit", so der BMW-Motorsportchef. "Natürlich war Frank Williams in jeder Phase unserer Gespräche darüber informiert. Ich habe ihn auch heute Morgen sofort angerufen. Denn die letzten Verhandlungen sind erst heute Früh um drei beendet worden."

Frank Williams nahm die Neuigkeiten aus München derweil gelassen auf. "Er wusste, dass es inzwischen um mehr als nur eine Motorenlieferung ging", sagte Theissen. "Ich habe ihn heute konkret über alle Bestandteile der Entscheidungen informiert und dabei verabredet, dass wir nächste Woche über eine Motorenlieferung sprechen werden."

Eine Benachteiligung durch B-Motoren hätte Sir Frank dabei nicht zu befürchten. "Wenn wir ein zweites Team ausstatten", so Theissen unmissverständlich, "dann wird auch auf den Motoren BMW drauf stehen und deshalb wird es keine zweitklassigen Motoren geben."

Angesichts der seit 2000 geführten Zusammenarbeit mit Williams drängt sich aber natürlich auch die Frage danach auf, warum man bei BMW keine Übernahme der Engländer anstrebte. "Eine Mehrheitsbeteiligung an Williams stand nicht zur Debatte", schloss Theissen einen solchen Schritt rigoros aus. "Der Schritt den wir jetzt gehen, macht für uns nur dann Sinn, wenn dies der perfekte Schritt ist und wir zwei Unternehmen so verschmelzen können, dass sie ein perfektes Team bilden", deutet er zudem an, dass man dies bei einer tiefer gehenden Ehe zwischen BMW und Williams nicht glaubte. "Wir haben das Thema immer wieder lose besprochen und es war von beiden Seiten nie ein favorisierter Ansatz."

Dennoch ist man den Mannen aus Grove für ihre Unterstützung in den vergangenen Jahren durchaus dankbar. "Wir hatten einen sehr guten Start und Williams hat uns massiv dabei geholfen Tempo aufzunehmen und die F1 zu erlernen", reflektiert Theissen. "Womit wir nicht zufrieden sind, und das gilt für beide Seiten, dass sind die Ergebnisse des letzten Jahres und dieser Saison. Und dies war ausschlaggebend für unsere Entscheidung."

Der neue Partner

Peter Sauber ist ein glücklicher Brautvater..., Foto: BMW
Peter Sauber ist ein glücklicher Brautvater..., Foto: BMW

Und diese Entscheidung bringt uns zum 1. Januar des Jahres 2006, denn dann wird BMW die Führung bei einem noch unbenannten neuen Team mit Standorten in München und Grove übernehmen. Sauber wird hierbei, unter welchem Namen auch immer, allerdings als "rechtlich eigenständige Firma" mit Anbindung zu BMW-Motorsport weiter bestehen bleiben.

"Die Reaktionen waren sehr, sehr positiv", freute sich Peter Sauber über den Abschluss der Verhandlungen mit BMW. "Die Partnerschaft mit BMW ist für Sauber eine ideale Lösung und zwar nicht nur für das Team, sondern auch für mich persönlich." Denn nun weiß er mit Sicherheit, dass seine Tochter, die er heute in München zum Traualtar geführt hat, auch in Zukunft in guten Händen sein wird.

Hände, die in den kommenden Wochen und Monaten bis zur offiziellen Präsentations des Rennstalls noch viel zu tun haben. "Wir haben alle viel Arbeit vor uns", kündigte Theissen an. "Wir haben eine schwierige Aufbauphase zu bewältigen und wissen, dass wir dafür Geduld und Stehvermögen benötigen."

Entsprechend rechnet Göschel auch nicht mit "Erfolg aus dem Stand", sondern damit "langfristig" den "richtigen Weg" eingeschlagen zu haben. "Wir glauben daran, dass wir langfristig unser Ziel den WM-Titel zu gewinnen erfüllen können."

"Uns ist bewusst, dass wir eine Lehrzeit vor uns haben, dass man Erfolg zwar planen, aber nicht von der Stange kaufen kann", schließt sich Theissen an. "Nachdem wir gezeigt haben, dass BMW den besten Formel-1-Motor bauen kann, fangen wir mit der komplexen Aufgabe Gesamtfahrzeug praktisch wieder als Lehrling an. Da sind Geduld und Stehvermögen gefordert."

Allerdings finde man bei Sauber eine "sehr solide Basis" vor, auf deren Grundlage man "schneller als mit einem neu aufgebauten Team" zum Erfolg kommen könne. "Die Struktur und Arbeitsweise passen einfach zusammen."

BMW möchte diese Basis in Hinwil aber nicht nur erhalten, sondern auch ausbauen. "Das gilt sowohl für die Anlagen als auch für das Personal. Am Sauber-Standort Hinwil werden zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Das neue Team wird als voll integriertes Projekt an zwei Standorten geführt, wie es im Serienbereich bei BMW längst Standard ist", verdrängt Theissen die Schweizer Ängste vor einem Stellenabbau in Hinwil.

Der Standort Hinwil bleibt erhalten., Foto: Sauber
Der Standort Hinwil bleibt erhalten., Foto: Sauber

Das größte Problem des Teams, nämlich die Ressourcen-Knappheit im Bereich der Entwicklung und der Nutzung des hypermodernen Windkanals, soll aber nun bald der Vergangenheit angehören. "Natürlich muss der Windkanal so bald wie möglich dreischichtig gefahren werden", erkennt Peter Sauber an, dem Theissen zustimmt: "Wir werden das noch in diesem Jahr in Angriff nehmen und so schnell wie möglich umsetzen. Ab sofort wird der Ausbau der Ressourcen vorangetrieben."

Die offenen Fragen nach Schlüsselpersonen wie Teamchef oder Fahrern, sollen hingegen erst Anfang 2006 endgültig beantwortet werden. Sicher ist jedoch, dass die Credit Suisse auch in den kommenden drei Jahren als Partner und Sponsor an Bord bleiben wird und ähnliche Bestrebungen auch im Falle von Petronas vorhanden sind.

Damit gab es für einige Schweizer Kollegen nur noch eins zu klären: Wird die nationale Küche bald durch bayrische Weißwürste verdrängt? "Es gibt bei uns am Sonntagmorgen in der BMW Hospitality Weißwürste", gesteht Theissen ein. "Und die Küche ist garantiert ein wichtiges Thema, aber sicherlich nicht das dringlichste..."