Hammertime im Qualifying zum Malaysia GP, dem 15. Saisonlauf der Formel-1-Saison 2017: Lewis Hamilton sicherte sich in Sepang seine bereits fünfte Pole Position, die 70. seiner F1-Karriere. Doch das entgegen aller Erwartungen, hatte Ferrari Mercedes am Freitag und auch noch im dritten Freien Training am Samstag klar distanziert, Hamilton - anders als Teamkollege Valtteri Bottas - in der Qualifikation sogar auf das Aero-Update der Silberpfeile für Malaysia verzichtet.

Lauda, Wolff & Hamilton baff: Wo kam das denn her?

Entsprechend ist man sich bei Mercedes wieder weitgehend einig: Einmal mehr hat der Faktor Lewis Hamilton den Unterschied gemacht. "Es ist ein fantastisches Ergebnis für uns. Es war eine Lewis-Runde", jubelt Chefaufseher Niki Lauda. "Lewis hat eine herausragende Runde hingelegt", bestätigt Motorsportchef Toto Wolff.

Sogar Hamilton selbst stimmt mit ein, muss sich - völlig perplex von der unverhofften Pole - einfach auch einmal selbst loben. "Die Runde habe ich sehr gut zusammenbekommen, eine sehr schöne Runde", sagt Hamilton. "Aber ich weiß gar nicht richtig, wo das herkam. Ich habe mich selbst überrascht. Es ist eine echte Überraschung, mit diesen Jungs hier vorne zu sein. Ich bin echt dankbar dafür."

Bottas verliert sieben Zehntel auf Hamilton

Stramme 0,682 Sekunden brummte Lewis Hamilton seinem finnischen Teamkollegen mit diesem neuen Sepang-Streckenrekord von 1:30:076 Minuten auf. Valtteri Bottas musste sich somit mit Platz fünf, also hinter dem, nach dem technisch bedingten Q1-Aus Sebastian Vettels, einzig verbliebenen Ferrari Kimi Räikkönens und auch noch gleich beiden Red Bull, anfreunden.

Nur: Anders als Hamilton und seine Chefs bei Mercedes sieht Bottas nicht den Fahrer-Faktor als Ursache dieser gewaltigen Lücke an. "Verglichen mit gestern haben wir einen Schritt nach vorne gemacht. Am Ende hatte ich verglichen mit Lewis aber ein ganz anderes Auto und das schien für ihn zu funktionieren, aber nicht so gut für mich", sagt Bottas.

Hamilton mit altem Aero-Paket, Bottas mit Update

Damit zielt der Finne auf die unterschiedlichen Aero-Konfigurationen der beiden Mercedes-Boliden im Qualifying. Bereits im dritten Training hatte Mercedes Hamiltons Auto auf das alte, vor Malaysia genutzte, Aero-Paket umgebaut während Bottas weiter mit dem neuen unterwegs war. Hintergrund: So versprach sich Mercedes, Erkenntnis darüber zu gewinnen, warum es am Freitag so schlecht gelaufen war.

"Wir haben das einfach gemacht, um einen Back-to-back-Test zu machen - um zu verstehen, ob dieses Update das gebracht hat, was es versprochen hat, oder, ob es das Auto instabiler macht", erklärt Toto Wolff bei Sky. Die genaue Antwort kenne man noch immer nicht. Doch zumindest eines sei sicher: Schlechter als das alte Paket sei das neue nicht, im Gegenteil. Wolff: "In Japan wären wir es fahren denke ich. Denn die Daten zeigen, dass gut ist."

Wolff: Upgrade war bei Bottas nicht das Problem

Somit sei nicht die andere Konfiguration des Autos ausschlaggebend für Valtteri Bottas deutlich schwächere Performance gewesen. Immerhin habe der Finne bis kurz vor Ende seiner Runde noch auf P3-Kurs gelegen, dann aber einen Fehler eingebaut. "Ich denke nicht, dass es das Upgrade-Problem war. Ich denke, dass wir ein solides Aero-Update haben", sagt Wolff. "Bei Valtteri ist es schwierig, herauszufinden, was falsch gelaufen ist. Ich denke, es lag mehr an der Runde eines Fahrers als am Auto", bestätigt Lauda.

Allerdings sei man sich in puncto Paket nicht ganz sicher gewesen, relativiert Wolff. "Nach dem dritten Training haben wir deshalb entschieden, dass wir Lewis nicht auf ein ganz neues Setup gehen lassen wollen, was es heikel gemacht hätte", berichtet der Mercedes-Motorsportchef. Heißt: Man wollte Hamilton eine erneute Umstellung auf ein ganz anderes Paket ersparen.

Lewis Hamilton fürchtete Nachteil durch altes Paket

Der fürchtete im ersten Moment aber einen Nachteil, wollte unbedingt ebenfalls das neuere Paket fahren. "Vor dem Qualifying dachte ich daran, auf das neue Paket zurückzugehen. Im dritten Training waren die Zeiten ähnlich und Valtteri war zufrieden. Ich wollte da keine Strafe (im Hinblick auf Performance, Anm. d. Red.)", berichtet Hamilton. Tatsächlich war Valtteri Bottas in der Generalprobe noch zwei Zehntel schneller gewesen als der Brite.

Doch es kam anders. "Es gab nicht genug Zeit und es war auch ein Risiko, das Auto wieder zu ändern und vielleicht etwas falsch zu machen. Deshalb haben wir es so gelassen. Für mich war das angenehm und es hat sich als Sprungbrett in Sachen Setup erwiesen. Letztlich war ich in Sachen Performance im Nachteil, aber das hat keinen so großen Unterschied gemacht", schildert Hamilton.

Bottas sieht das grundlegend anders. "Nachher ist es leicht zu sagen, aber wenn ich das Qualifying noch einmal fahren könnte, würde ich das andere Paket nehmen. Das Aero-Paket war anders und wir müssen ansehen, warum es besser war. Wir müssen alles anschauen. Wir müssen sehen, wo die Unterschiede wirklich liegen. Die Lücke in Q3 war riesig", sagt Bottas.

Mercedes: Wieder Rätselraten um Performance-Sprung

"Wir müssen alles ansehen, um zu verstehen, was mit dem Auto passiert. Manchmal bekommen wir es zum Arbeiten, manchmal nicht. Ich habe es heute nicht hinbekommen", fügt Bottas an. Immerhin: Zumindest in diesem Punkt liegt Toto Wolff auf einer Linie mit dem Finnen. "Uns bleibt eine gewisse Verwirrung, denn unser Auto war vorher nicht gut", rätselt Wolff. Von Hamiltons plötzlicher Performance sei er völlig überrascht worden. "Nach FP3 heute hätte ich gesagt, wir sind eindeutig dritte Kraft. Jetzt haben wir wirklich gutes Auto gehabt."

Einmal mehr ein möglicher Faktor: Das Arbeitsfenster der Reifen. "Das muss uns mal einer erklären, wie das mit den Reifen funktioniert - mit diesen Sprüngen in der Performance. Wenn er im Fenster ist, funktioniert es wie auf Schienen, wenn er nicht im Fenster ist, oben raus oder unten raus, ist es eine Katastrophe", sagt Wolff. "Wenn die Reifen in einem besseren Fenster sind, dann funktioniert das Auto, das ist eine Wissenschaft für sich. Man sieht es auch bei Red Bull, die sind auch schonmal eine halbe Sekunde auseinander mit dem gleichen Auto.

Doch genau dieses Fenster richtig hinzubekommen ist auch - und vor allem - Job des Fahrers. Also doch wieder Hamiltons Stärke. Wolff: "Vielleicht sollten wir den Faktor des Fahrens nicht unterschätzen. Diese Autos sind schwierig zu fahren und es ist sehr wichtig es in diesem letzten Abschnitt richtig hochzudrehen. Er (Hamilton, Anm. d. Red.) hat es das ganze Wochenende über verbessert - wie in Singapur."

So beherrscht Lewis Hamilton Bottas im Qualifying

Doch nicht nur in Singapur. Seit der Sommerpause belegt der Blick auf die Abstände zwischen den Mercedes-Piloten im Qualifying eindeutig, wie klar, wie konstant Hamilton Bottas im Griff hat. In allen vier Qualifikationen fehlte Bottas mehr als eine halbe Sekunde auf den Briten. Ein gewaltiges Pfund.

Belgien: Hamilton (Pole) - Bottas +0,541
Italien: Hamilton (Pole) - Bottas +0,736
Singapur: Hamilton (P5) - Bottas + 0,684
Malaysia: Hamilton (Pole) - Bottas +0,682

Insgesamt war Mercedes im Qualifying von Malaysia dennoch deutlich stärker aufgelegt als zuvor. Wolffs Erklärung: "Uns ist jetzt das Wetter entgegengekommen, mit dem bedeckten Himmel, diese Details machen den Unterschied." Deshalb könne man jetzt nicht annehmen, im Rennen erneut auf Augenhöhe mit Ferrari zu kämpfen.

Mercedes im Rennen chancenlos gegen Räikkönen?

"Wir tun uns schwer, wenn es heiß ist, das ist auch sicher ein Problem für morgen. Auf dem Longrun hat uns Ferrari im FP3 eine Sekunde gegeben. Deshalb haben die immer noch das schnellste Auto", warnt Wolff. "Wir werden morgen sehen, ob das immer noch der Fall ist. Wir haben vor dem Qualifying ein paar Dinge verändert, die dem Auto besser passen sollten. Deshalb bin ich hoffnungsvoll, dass wir trotz aller Umstände da sein sollten", ergänzt Hamilton.

Doch im Qualifying selbst hätte Ferrari eigentlich die Pole realisieren können, meint Wolff. "Kimi war bis Kurve 14 vorne, dann hat er einen Fehler gehabt. Ohne den wäre er auf der Stoppuhr vielleicht einen Ticken schneller gewesen, aber so ist es nun einmal", sagt der Österreicher. "Im Rennen müsste er schneller sein, weil das Auto mit den Reifen besser umgeht."

Das fürchtet - trotz aller Hoffnungen - auch Hamilton. "Ich habe genau wie all meine Ingenieure nicht gut geschlafen, denn wir wussten nicht, ob wir das Problem lösen würden. Heute war das Auto dann viel besser, aber es sah noch immer so aus, als wären die Ferrari ein Stück vorne", sagt der WM-Leader. Nur "irgendwie" habe Mercedes es dann herumdrehen können.

Erneut also ein großes Rätsel um das tatsächliche Kräfteverhältnis zwischen Mercedes und Ferrari. Genau deshalb wagt auch Toto Wolff keine Prognose. Im Ping-Pong-F1-Jahr 2017 verlässt sich der Motorsportchef auf gar nichts mehr: "Wir haben so viele verrückte Resultate in den letzten Rennen gehabt, da kann man keine Aussage treffen."