Sebastian Vettel startet den Großbritannien GP in Silverstone aus der zweiten Reihe. Im Qualifying musste sich der Ferrari-Pilot nicht nur seinem großen Titelrivalen Lewis Hamilton um fast acht Zehntel geschlagen geben, auch Teamkollege Kimi Räikkönen knüpfte dem deutschen WM-Leader zwei Zehntel ab und startet neben Hamilton aus Reihe eins.

Für Vettel ist es die dritte teaminterne Qualifying-Niederlage der laufenden Saison nach Monaco und Aserbaidschan. Wenig überraschend, dass die Laune des vierfachen Weltmeisters entsprechend mittelprächtig ausfällt. Unmittelbar nach Ende des Qualifying ist Vettel sogar richtig sauer, beschwert sich im Boxenfunk über das Timing Ferraris. Einmal mehr sieht sich die Regie genötigt, etliche Passagen wegzupiepen.

Vettels Ferrari-Beschwerde im Wortlaut

"Was war das auf der Outlap? Das war eine *piep* Stelle, an der ich war. Ein absolut *piep* Ort. Der Anfang der Runde war im Nirgendwo. Ich war viel zu nah an den Autos vor mir dran", wetterte Vettel seinem Renningenieur Ricardo Adami eine Beschwerde über Dirty Air und Aufwärmprobleme ins Ohr.

Schon bei den Interviews auf der Start/Ziel-Geraden hat sich Vettels Laune zumindest etwas gebessert. "Nach heute Morgen hat sich das Auto richtig gut entwickelt, es ist zum Leben erwacht. Gestern war ich nicht zufrieden. In meinem letzten Versuch im Q3 wäre mehr drin gewesen. Aber ich konnte es nicht ganz rausquetschen. Schade, aber da kann man nichts machen. Es war ein gutes Ergebnis", sagt Vettel. Keine Spur mehr von Vorwürfen oder anderen Verbal-Attacken. Seit Baku scheint Vettel auch in anderen Bereichen etwas vorsichtiger durch die F1-Welt zu schreiten.

Dabei liegt die geplatzte Hutschnur tief verankert in Vettels Naturell, wie ein alter Bekannter - allerdings im Positiven - berichtet. "Er trägt dieses große Verlangen in sich. Was wir da manchmal sehen ist der Killerinstinkt des 'Ich will gewinnens', manchmal zu jedem Preis", sagt Vettels ehemaliger Teamchef bei Red Bull, Christian Horner. "Aber Sebastian ist ein großartiger Typ. In seinem gegenwärtigen Umfeld siehst du vielleicht nicht viel von seinem Charakter. Aber er ist ein lustiger Typ", ergänzt Horner.

"Es gibt bei ihm einfach null Filter zwischen dem, was er denkt und dem, was er manchmal sagt oder tut und das ist die großartige Seite an ihm. Ich denke, dass Sebastian sein Herz auf der Zunge trägt und gerade einfach in einem sehr intensiven Kampf steckt", verteidigt Horner seinen ehemaligen Schützling.

Vettel: Wäre Räikkönen-Zeit überhaupt drin gewesen?

Doch scheint sich Vettel zurzeit bewusst stark zurückzuhalten - trotz großen Funk-Ärgers im Q3. Zuvor hatte er sich im Q2 immerhin nur sehr leise über Sergio Perez aufgeregt, der ihm in Copse Corner vor dem Auto herumgefahren war, viel Zeit gekostet hatte. Später gibt sich Vettel dann auch zum Timing-Thema handzahm: "In dem Moment regt es einen aus dem Auto heraus dann auf. Im Endeffekt hätte ich vielleicht auch ein bisschen früher vom Gas gehen und die Situation so entschärfen können. Max, Nico und ich, wir alle drei wollten da den gleichen Run für die Runde kriegen. Ich hatte dann das Nachsehen, die Reifen waren ein bisschen kalt und der erste Sektor war nicht so gut."

Aber wie viel verlor Vettel wirklich im ersten Sektor durch das ihm zufolge schlechte Ferrari-Timing? Ein Blick auf die Sektorbestzeiten zeigt: Räikkönen hätte er wohl trotzdem nicht schlagen können. Genau 0,209 Sekunden verlor Vettel insgesamt auf den Finnen, im ersten Sektor aber nur 0,066 Sek. Den größten Unterschied machte S2. Dort war Räikkönen 0,202 Sekunden schneller, während Vettel im Schlusssektor wieder 0,059 Sek. aufholte.

Vettel vs. Räikkönen: Bestzeiten-Vergleich im Q3

Fahrer1. RunS1S2S3
Vettel1:27.43027.98935.41624.025
Räikkönen1:27.62228.01935.57124.032
Fahrer2. RunS1S2S3
Vettel1:27.35628.08535.42423.847
Räikkönen1:27.14728.01935.22223.906

Ideale Bestzeit: 1:27.252 Vettel, 1:27.147 Räikkönen

In seinem ersten Run war Vettel in Sektor eins zudem nur 0,096 Sekunden schneller gewesen. Auch mit einer Bestätigung dessen hätte es nicht gegen Räikkönen gereicht. Genauso wenig, zieht man auch noch die um nur acht Tausendstel bessere S2-Zeit im zweiten Versuch heran. Kurzum: Auch bei den idealen Rundenzeiten liegt der Finne vorne.

Einzig die absolute Verbesserung von Run eins zu Run zwei spricht dafür, das Vettel um P2 gebracht wurde: Räikkönen holte noch einmal fast eine halbe Sekunde heraus, Vettel hätte das also auch gelingen müssen, aber er verbesserte sich nur um knapp eine Zehntel. Allerdings: Im ersten Sektor war Räikkönen im zweiten Versuch zeitgleich mit Nummer eins. So ganz taugt dieser Vergleich also auch nicht zur Verteidigung Vettels.

Vettel brennt nach Hamilton-Klatsche aufs Rennen

Schwerer als die Pleite gegen Räikkönen wiegt für den Ferrari-Piloten ohnehin die Schlappe gegen Lewis Hamilton. 0,756 Sekunden - das war eine deftige Klatsche. "Am Ende war ich für die erste Startreihe nicht schnell genug", gesteht sich Vettel ein. Zumindest ein wenig macht er dann aber doch noch den Verkehr mit verantwortlich.

"Auch wenn wir die Pole verpasst haben ist das ein guter Tag mit uns beiden unter den Top-3. Ich war mit den Reifen nicht so glücklich, ich bin auch etwas im Verkehr festgesteckt, sonst hätte ich wohl die erste Reihe schaffen können", sagt Vettel. "Besonders im ersten Sektor habe ich Zeit liegen gelassen, aber da war war nicht die anderen Piloten Schuld, sondern die Reifen waren noch nicht auf Temperatur."

Sogar für Hamilton hätte es für ihn aber trotzdem niemals gereicht. "Die Runde von Lewis ist eine andere Hausnummer. Die Zeit, die Hamilton am Ende gefahren hat, die war einfach außer Reichweite für uns. Heute gab es nur einen, dem die Pole gehören sollte - und das ist Lewis", sagt Vettel. Doch aufgeben gibt es nicht bei Vettel. "Ich will Hamilton im Rennen unter Druck setzen", sagt der Ferrari-Pilot.

Genau dabei sieht Vettel zudem eine sehr viel größere Chance: "In der ersten Saisonhälfte hat sich gezeigt, dass wir im Renntrimm stärker sind als in der Quali. Von daher haben wir natürlich Erwartungen", sagt Vettel. Noch dazu habe man die Balance gegenüber Freitag erheblich verbessert, so Vettel - schon da waren die Ferrari zumindest im Longrun auf Silberpfeil Augenhöhe gewesen. Trotzdem müsse das noch nichts heißen. Vettel vorsichtig: "Fakt ist auch, dass Mercedes hier das ganze Wochenende über einen sehr starken Eindruck gemacht hat."

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