Als wäre Silverstone nicht schon spannend genug, boten die Formel-1-Fahrer den Fans am Freitag zusätzliche Action auf der Strecke. Während der beiden Trainings flogen auffällig viele Autos ab und landeten im Gras oder Kiesbett. Dabei erwischte es auch die großen Namen der F1. Unter anderem Lewis Hamilton, der Sieger der letzten drei Jahre in Silverstone, Sebastian Vettel, Kimi Räikkönen und Max Verstappen verloren die Kontrolle über ihre Autos.

Vor allem in der ultraschnellen Kurven-Passage Maggotts, Becketts, Chapel flogen die Piloten reihenweise ab. Etwa Vettel, der sich im 1. Training in der Chapel-Kurve drehte und dabei seinen Reifensatz ruinierte. "Gerade die schnellen Kurven sind hier etwas Besonderes und die Autos schneller als in den vergangenen Jahren", sagte Vettel. "Die Balance war noch nicht ganz da und das Auto rutschte noch zu viel."

Kimi im Kies

Heftiger erging es Ferrari-Teamkollege Räikkönen, der seinen Boliden an gleicher Stelle im Kiesbett versenkte, sich aber immerhin aus eigener Kraft befreien konnte. Weitere Opfer der Chapel-Kurve in der Session am Nachmittag: Max Verstappen und Felipe Massa, der sich im Training zuvor in der Copse-Kurve den Unterboden seines Williams angeknackst hatte.

Doch worin lagen die Gründe, dass so viele Piloten am Freitag von der Strecke rutschten oder sich drehten? Möglicherweise wegen der neuen Autos, die in den Kurven noch mehr Abtrieb produzieren als ihre Vorgänger. Der kurvige Highspeed-Kurs von Silverstone gilt als Paradestrecke für die 2017er-Boliden, die ungeahnte Kurvengeschwindigkeiten zulassen. "Der Grip ist ziemlich hoch in den schnellen Kurven", erklärte Esteban Ocon. "Wenn du beginnst, das Auto zu verlieren, dann überhitzen die Reifen und du drehst dich."

Es soll auch nicht einfach sein

"Ich glaube, das hatte mit dem Wind zu tun und mit der Charakteristik der Autos", sagte Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. "Die sind ein bisschen auf die Vorderachse abgestimmt, damit sie schön einlenken. Deshalb drehen sich die Fahrer manchmal bei der kleinsten Problematik. Das macht es nicht einfacher. Es soll aber auch nicht einfach sein, ein Formel-1-Auto zu fahren."

Einige Fahrer bestätigten Danners Vermutung. Auch in Silverstone kursierte wieder der geflügelte Begriff des Snap Oversteer, also des schlagartigen Übersteuern des Autos. Dabei werden die Fahrer vom plötzlichen Grip-Verlust an der Vorderachse überrascht und können das Ausbrechen kaum antizipieren. "Es kündigt sich nicht an", sagte Carlos Sainz zu Motorsport-Magazin.com. "Letztes Jahr konnten wir das Übersteuern kontrollieren, jetzt nicht mehr. Entweder ist das Auto stabil oder es bricht aus. Dazwischen gibt es nichts."

Kurven wie Copse können die meisten Piloten inzwischen mit Vollgas durchfahren, gelupft wird kaum noch. Das soll laut Danner aber nicht der Grund sein, warum einige Fahrer ihre lieben Probleme mit dem britischen Traditionskurs hatten: "Limit ist Limit. Ob die Jungs zwei Sekunden schneller oder langsamer fahren, das kriegen sie immer auf die Reihe. Das überschätzt man ein bisschen. Aber die körperliche Belastung ist schon groß. Wenn du Copse voll fährst, ist das schon speziell."

Das Limit erkundet

Äußere Einflüsse wie der übliche Wind in Silverstone machen es da allerdings kniffliger. "Der Wind war etwas heikel an manchen Stellen, aber das ist hier relativ normal", bestätigte Räikkönen nach seinem Ausflug abseits der Strecke. Zudem experimentierten die Teams am Freitag mit den Setups der Rennwagen, die Fahrer mussten sich also immer wieder anpassen. "Ich habe das Limit in Becketts erkundet", sagte Stoffel Vandoorne. "Da versuchst du Run für Run verschiedene Dinge. Und ich habe einmal das Heck verloren."

Nicht nur den jungen McLaren-Piloten erwischte es in Becketts, dem Mittelteil der schnellen Kurvenkombination. Auch Kevin Magnussen, Carlos Sainz und Hamilton flogen hier ab. Hamilton rutschte dabei ausgerechnet auf seinem schnellsten Supersoft-Versuch zwischen Becketts und Chapel neben den Kurs und beschädigte sich dabei auch noch seinen Silberpfeil am Unterboden.

"Ein paar Fahrer hatten Probleme in den schnellen Passagen", beobachtete auch Pirelli-Manager Mario Isola. "Da fahren sie jetzt mit Vollgas durch. Das macht es schwieriger, die richtige Linie zu treffen. Manche Fahrer waren ganz schön beschäftigt am Lenkrad. Aber das ist doch gut, denn es bedeutet, dass die Autos schwieriger zu fahren sind. So, wie es mit den neuen Regeln gewollt war. Die 52 Runden am Sonntag könnten ganz schön hart werden."